AHV-System, Sterbehilfe und Taktfahrplan
Was die AfD von der Schweiz lernen will

Nicht nur die direkte Demokratie hat es der rechtspopulistischen AfD angetan. Parteimitglieder haben an der Parteiversammlung von vergangenem Wochenende zahlreiche Anträge gestellt, die die Schweiz auch anderweitig als das grosse Vorbild nennen.
Publiziert: 02.05.2016 um 19:38 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:55 Uhr
Lea Hartmann

Die 2000 angereisten AfD-Mitglieder benötigten Sitzfleisch. Zwei Tage dauerte die Parteiversammlung in der Stuttgarter Messehalle, an der die Rechtsaussen-Partei drei Jahre nach ihrer Gründung das erste Parteiprogramm verabschiedete.

Dabei wollte die Parteiführung beweisen, wie ernst es ihr mit dem Pochen auf mehr direktdemokratische Rechte ist. Nicht nur Delegierte, sondern jedes Parteimitglied war zum Parteitag eingeladen und konnte im Vorfeld Anträge zur Änderung des Grundsatzparteiprogramms stellen. 

Und die Mitglieder liessen sich nicht zweimal bitten. Die Versammlung hatte sich am Wochenende mit zwei insgesamt über 1500-seitigen Dokumenten zu befassen, die zusammen mehr als 1000 Einzelanträge enthielten.

Über 2000 Parteianhänger waren nach Stuttgart zum AfD-Bundesparteitag gereist. Sie erwartete ein wahrer Anträge-Marathon.
Foto: imago
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Immer wieder kommt in diesen dabei die Schweiz zur Sprache – und das ausnahmslos in positivem Zusammenhang. «Schweizer Vorbild» und «Schweizer Modell» sind Wortkombinationen, die insgesamt 20-mal genannt werden – und es geht dabei nicht nur um das Schweizer Politsystem mit Volksinitiativen und Referenden, das es der AfD angetan hat.

Ein Lob auf das Schweizer Drei-Säulen-System

Den jungen Alternativen, die Jugendsektion der AfD, weibelte beispielsweise wie mehrere weitere andere Antragsteller dafür, dass sich Deutschland das Schweizer AHV-System genauer anschaut. «Um eine übermässige Belastung der Steuerzahler sowie exorbitant ungleiche Rentenbezüge zwischen Parlamentariern und Bürgern zu vermeiden, wäre eine Art ‹Schweizer Rentenmodell› vorstellbar», heisst es in ihrem Antrag.

Rund 2000 Parteianhänger waren nach Stuttgart gereist.
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Mehrere AfD-Anhänger wollten zudem, dass sich die AfD zum Ziel setzt, die Sterbehilfe nach Schweizer Art zu legalisieren. «Die AfD steht für das Recht auf frei bestimmten Suizid bei schwerer Krankheit oder am Lebensende analog der rechtlichen Verfahren wie in der Schweiz», schreibt AfD-Mitglied Nummer 12911 des Kreisverbands Stade in holprigem Deutsch. Die Schweiz stelle ein «erprobtes Beispiel» dar, das man sich zum Vorbild nehmen soll. 

AfD-Mitglieder wünschen sich Taktfahrplan

Auch der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen sowie die Gesundheits- und Verkehrsfinanzierung findet bei den AfD-Mitgliedern Gefallen. Ein Anhänger forderte die Versammlung zudem auf, als ein anvisiertes Ziel im Parteiprogramm den Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild aufzunehmen. Dank eines integralen Taktfahrplans «konnte in der Schweiz die Benutzung der Bahn erheblich attraktiver gestaltet werden, was sich in einer in (sic!) Vergleich zu Deutschland vielfach stärkeren Nutzung der Eisenbahn und anderer Öffentlicher Verkehrsmittel niederschlägt», heisst es im entsprechenden Antrag. Die Schweizer Bundesbahnen dürften sich gebauchpinselt fühlen.

Zum Abschluss des Parteitags stimmte die AfD die Nationalhymne an. Jörg Meuthen und Frauke Petry, Co-Chefs der Partei, sangen kräftig mit.
Foto: Reuters

Zudem stösst bei einigen AfD-Mitgliedern das Anliegen der Initianten der Schweizer Vollgeld-Initiative auf Anklang, die der Nationalbank das Monopol nicht nur über Münzen und Noten, sondern auch über Buchgeld zusprechen will. Sogar ein Link auf die Hompepage der Vollgeld-Befürworter ist im Antrag von einem Mitglied aus Niedersachsen aufgeführt. 

Petry gibt «guten Rat» am Schluss

Inwiefern diese Anträge – und damit diverse Bezüge zur Schweiz – Eingang in das vom Parteitag abgesegnete Parteiprogramm fanden, ist noch nicht klar. Das gestern verabschiedete Papier hat die AfD bislang nicht veröffentlicht, bekannt sind lediglich die zentralen – und bis auf wenige Ausnahmen wenig überraschenden – Beschlüsse.

Telefonisch und per Mail ist die Partei zudem am Tag nach der Parteiversammlung nicht erreichbar. Es scheint, als habe sich das Parteisekretariat nach dem zweitägigen Antrage-Marathon erst mal einen freien Tag gegönnt. Den Parteimitgliedern hat Co-Vorsitzende Frauke Petry gestern ausserdem geraten, zur Erholung des Gemüts die kommenden Tage besser keine Zeitung zu lesen. Lügenpresse eben. 

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