Afganistan-Personal gerettet
Transportflieger-Pläne sind bereits wieder abgestürzt

Fieberhaft versuchte die Schweiz, Menschen aus Afghanistan auszufliegen. Im Parlament wurde der Ruf nach eigenen Transportflugzeugen laut. Einen Monat später sind die Rettungsflüge aus den Schlagzeilen verschwunden – und das Interesse der Parlamentarier ist erloschen.
Publiziert: 19.09.2021 um 22:31 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2021 um 00:55 Uhr
Daniel Ballmer

So schnell kann sich der Wind drehen. Vor einem Monat suchte das Aussendepartement noch fieberhaft nach Lösungen. Nach der Machtübernahme der Taliban galt es, möglichst rasch Schweizer Staatsangehörige und lokale Mitarbeitende der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) samt ihren engsten Verwandten aus Afghanistan herauszubringen.

Zehntausende waren auf der Flucht vor den radikalen Islamisten. Die meisten sind es heute noch. Angesichts der tragischen TV-Bilder waren die Meinungen im Parlament rasch gemacht: Die Schweiz braucht eigene Transportflugzeuge! Denn in Afghanistan war sie einmal mehr auf das Wohlwollen anderer Staaten angewiesen. Selber konnte der Bund niemanden ausfliegen. Es fehlen geeignete Maschinen.

«Sobald das Thema bewältigt ist, ist es nicht mehr so dringlich»

Nun würde sich die Gelegenheit bieten. Am Dienstag berät der Nationalrat einen Vorstoss von SP-Ratsmitglied Pierre-Alain Fridez (63), der den Kauf eines Transportflugzeugs für militärische, zivile und humanitäre Einsätze anregt. Doch schon vorher ist klar: Das Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt. Das zeigt eine Umfrage unter den Fraktionen. Die Rettungsaktionen aus Afghanistan sind aus den Schlagzeilen verschwunden, das politische Interesse damit bereits wieder erloschen.

Die blitzschnelle Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul hat den Westen überrumpelt.
Foto: DUKAS
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«Findet ein solches Ereignis statt, haben viele das Gefühl, man müsse sofort handeln», sagt Nationalrätin Priska Seiler Graf (53), die sich in der gespaltenen SP nach wie vor für den Kauf eines Transportflugzeugs einsetzt. «Sobald das Thema aber bewältigt ist, ist es nicht mehr so dringlich.» Die hohen Kosten würden viele abschrecken. Gerade in einer Krise wie jetzt habe alles einen schweren Stand, das nicht unmittelbar zwingend sei.

Auch GLP-Sicherheitspolitiker Beat Flach (56) gibt dem Flieger kaum mehr eine Chance: «Müssen wir akut Menschen retten, ist der Aktivismus gross – aber dann auch wieder rasch vergessen.» Dabei gebe es durchaus Einsatzmöglichkeiten, etwa in der Katastrophenhilfe. Aber auch in der europäischen Aussensicherheitspolitik könnte die Schweiz einen Beitrag leisten. Dann sei zwar der Neutralitätsgedanke zu überdenken, der Punkt könnte aber auch bei Verhandlungen mit der EU einfliessen.

Das Interesse ist bereits wieder erloschen

Der Bundesrat seinerseits will von einem Flugzeugkauf ohnehin nichts wissen. Zwar bestehe durchaus Bedarf an solchen Transportmaschinen. Die Schweiz aber stütze sich auf zivile Anbieter. Zudem hätten bereits diverse europäische Staaten Transportflugzeuge beschafft, sodass beim strategischen Lufttransport sogar Überkapazitäten bestünden. Diese könne auch die Schweiz nutzen.

In der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass in der Krise jeder Staat zuerst auf sich schaue, sagt SVP-Nationalrat Thomas Hurter (57). Der Kauf von Transportflugzeugen für friedenssichernde Einsätze würde aber auf Kosten der restlichen Armee gehen. Und das will seine Partei keinesfalls.

Bisher hat das Parlament den Kauf von Transportflugzeugen jedes Mal abgelehnt. Zuletzt scheiterte er an einer Allianz von rechts und links. Linke befürchteten, dass die Flugzeuge für die Rückführung Asylsuchender verwendet werden könnten. Die Grünen waren denn auch dieses Mal von Anfang an gegen das Geschäft. Das noch bis vor kurzem von vielen heiss begehrte Flugzeug bleibt damit chancenlos.

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