Abstimmungskampf um die Unternehmenssteuerreform III eskaliert
Wo ist hier der wahre «Bschiss»?

Die SP wirft im Abstimmungskampf um die USR III mit Zahlen zu Steuererhöhungen von bis zu 43 Prozent um sich. In den betroffenen Gemeinden spricht man jetzt von «irreführenden Berechnungen» des Nein-Komitees.
Publiziert: 06.01.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:55 Uhr
Cinzia Venafro und Sermîn Faki

Es sind heftige Zahlen, mit denen die SP die Nein-Keule schwingt: «43 Prozent höhere Steuern für den Mittelstand in Kloten? Wir bezahlen, Grossaktionäre profitieren! Jetzt reichts!», prangt derzeit auf Plakaten in der Zürcher Flughafengemeinde. «USR-Bschiss», poltert die SP.

Online hausieren die Sozialdemokraten mit Zahlen zu verschiedensten Gemeinden – und lassen die jeweiligen Finanzvorsteher zu Wort kommen. «Die Flughafenstadt wird stark von der USR III betroffen sein», sagt dort etwa Mark Wisskirchen, Finanzvorsteher von Kloten ZH. Der zu erwartende Netto-Steuerausfall werde jährlich einen ein- bis tiefen zweistelligen Millionenbetrag von ungefähr sechs bis neun Steuerprozenten kosten. 

Der Finanzvorsteher spricht von einem «Rätsel» 

Weiter lässt sich EVP-Mann Wisskirchen vom Nein-Komitee nicht vor den Karren spannen. «Denn insgesamt findet der Stadtrat von Kloten die Einführung der USR III als unumgänglich oder sogar unbestritten», sagt Wisskirchen zu BLICK. Brisant: «Die vom Kampagnen-Komitee ausgewiesenen 43 Prozent mehr Steuern für den Mittelstand in Kloten machen mich sehr stutzig», sagt Wisskirchen.

Spricht von «irreführenden Berechnungen»: Der Klotener Finanzvorsteher Mark Wisskirchen.
Foto: ZVG
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Es sei ihm ein Rätsel, wie die SP auf diese Zahl komme. «Es ist eine irreführende Berechnung», stellt er klar. Beispielsweise werde ein Teil der Steuerausfälle durch den kantonalen Finanzausgleich aufgefangen.

Ins selbe Horn bläst auch Klotens Stadtpräsident René Huber. «Diese Plakate sind mir auch aufgefallen, und ich habe mich masslos über diese völlig absurde, irreführende Berechnung geärgert», sagt der SVP-Mann. Und: «Es entbehrt jeglicher Logik, die eventuellen Ausfälle der Steuereinnahmen von Unternehmen in einen prozentualen Vergleich mit den Steuereinnahmen von natürlichen Personen zu setzen.» Gerade in Kloten gebe es noch grosses Ansiedlungspotenzial von Firmen, «welches dank dem angedachten kantonalen Paket zur USR III eher genutzt werden kann», sagt Huber.

Keine seriöse Prognose zur Steuererhöhung möglich

Doch das Nein-Komitee sorgt nicht nur in Kloten mit seinen Kampf-Plakaten für ungläubige Blicke: «27 Prozent höhere Steuern für den Mittelstand in Opfikon?», heisst es wenige Kilometer entfernt in gewohnter Plakatgrösse. Hansruedi Bauer, Stadtschreiber von Glattbrugg-Opfikon ZH, sagt dazu: «Die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform III sind uns für unsere Gemeinde nicht bekannt.» Es sei sehr schwierig, in diesem Kontext eine Prognose zu wagen.

Am linken Seeufer, in der Gemeinde Horgen ZH, operiert das Nein-Komitee mit 13 Prozent höheren Steuern für die Haushalte. Völlig «aus der Luft gegriffen», macht Gemeindepräsident Theo Leuthold deutlich. Der Gemeinderat habe der SP Anfang Dezember eine Anfrage zur USR III beantwortet, «und ist zu ganz anderen Zahlen gekommen», betont er SVP-Mann. 

SP-Sprecher Michael Sorg verteidigt seine Partei: Die Zahlen, die das Nein-Komitee verwende, seien «selbstverständlich korrekt, plausibel und nachvollziehbar». Die Gemeinden im Kanton Zürich würden durch die Reform einen Viertel ihrer Einnahmen aus den Unternehmenssteuern verlieren.

Er rechnet vor: «In Kloten zum Beispiel beträgt der Anteil der juristischen Personen (Unternehmen; Anm. der Redaktion) am gesamten Steuerertrag 63 Prozent, in Opfikon 52 Prozent und in Horgen 50 Prozent.» Wenn davon ein Viertel wegfalle, sei das Loch deutlich grösser als in Gemeinden, die kaum Steuereinnahmen von Unternehmen haben.

SP: Gemeindevertreter schenken ihren Wählern keinen reinen Wein ein

Diese Ausfälle müssten kompensiert werden. In der Annahme, dass Gemeinden weder Schulden machen noch Leistungen streichen können und wollen, müssten also die privaten Steuerzahler für die Ausfälle bei den Unternehmenssteuern aufkommen.

«Gemeindevertreter, die das verneinen, setzen entweder auf das Prinzip Hoffnung, oder sie schrecken davor zurück, ihren Wählerinnen und Wählern reinen Wein einzuschenken», kontert Sorg. 

Am 12. Februar entscheidet das Stimmvolk, wo es den wahren «Bschiss» bei der wichtigen Wirtschaftsvorlage ortet und ob der Wein der Befürworter nicht gepanscht war.

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