Abstimmungskampf um die Rentenreform
Dreifuss gibt Vollgas, Couchepin hält sich raus

Im Kampf um die Rentenreform wird es eng. Alt-SP-Bundesrätin und Ex-Sozialministerin Ruth Dreifuss (77) wirbt an vorderster Front aktiv für ein Ja. Alt-FDP-Bundesrat und Ex-Sozialminister Pascal Couchepin (75) hingegen will sich nicht einmischen.
Publiziert: 24.08.2017 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:25 Uhr
Ruedi Studer

Eigentlich könnte sie längst die Beine hochlegen und ihr Rentnerinnendasein geniessen: Doch die Rentenreform treibt alt Bundesrätin Ruth Dreifuss (77) um. So tingelt sie derzeit durchs ganze Land, preist in Interviews die Vorteile der Vorlage, kämpft an Podien für ein Ja und motiviert die Genossen zu einem engagierten Abstimmungskampf. 

So warnte sie auch gestern am SP-Kantonalparteitag in Oensingen SO eindringlich vor einem Absturz der Rentenreform. Nächste Woche wird die Ex-Magistratin die Parteikollegen in Baselland auf ein Ja einschwören. 

«Die Altersvorsorge war mir über mein ganzes Leben hinweg ein wichtiges Anliegen – als Gewerkschafterin, als Bundesrätin und jetzt wieder als Gewerkschafterin und Sozialdemokratin», erklärt Dreifuss BLICK ihr Engagement. «Es ist eine gute, ausgeglichene Vorlage. Sie verlangt Opfer, bringt aber auch Verbesserungen – und ist damit ein typisch schweizerischer Kompromiss.» So wie 1995, als unter Sozialministerin Dreifuss mit der 10. AHV-Revision die letzte grosse Rentenreform gelang.

Alt-SP-Bundesrätin und Ex-Sozialministerin Ruth Dreifuss (77) engagiert sich an vorderster Front für die Rentenreform.
Foto: Thomas Lüthi
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Frauen und Junge im Fokus

Seither herrscht Reformstau. Den will Dreifuss aufbrechen. In ihrer Argumentation rückt sie die Frauen besonders in den Fokus. «Die AHV ist die Versicherung der Menschen mit kleinem Einkommen und der Teilzeitarbeitenden», sagt sie. «Sie ist damit speziell für die Frauen wichtig, denn ein Viertel der Frauen hat im Alter nur die AHV.»

Den linken Gegnerinnen redet sie ins Gewissen: «Ein Nein zu dieser Vorlage bringt den Frauen keinen Fortschritt bei der Lohngleichheit, ein Ja hingegen wichtige Verbesserungen in der AHV und der zweiten Säule.»

Auch für die Jungen sei die Reform wichtig, betont Dreifuss. In der zweiten Säule finde heute eine Umverteilung von Jung zu Alt statt. «Das bedroht die künftigen Renten, deshalb ist die Reform speziell für die Jugend wichtig.»

Dreifuss’ Auftrittsorte sind wohldurchdacht: «Das Ständemehr ist eine hohe Hürde», sagt die alt Bundesrätin. «Solothurn und Baselland gelten als Swing States, die für den Erfolg der Rentenreform entscheidend sein könnten, deshalb habe ich diesen Auftritten auch zugesagt.»

Pascal Couchepin hält sich raus

Während Ex-Sozialministerin Dreifuss Vollgas gibt, übt sich Ex-Sozialminister Pascal Couchepin (75) in Zurückhaltung. «Es handelt sich um mein ehemaliges Departement, deshalb will ich mich nicht in den Abstimmungskampf einmischen und meine Nachfolger stören», sagt der Alt-FDP-Bundesrat.

Dabei hatte Couchepin einst als Bundesrat das Rentenalter 67 aufs Tapet gebracht – erfolglos allerdings. Umso mehr lobte er letztes Jahr den Nationalrat für den geplanten AHV-Interventionsmechanismus, der dann aber wieder aus der Vorlage fiel. «Damals war die Debatte noch am Laufen», erklärt er seine frühere Wortmeldung. Jetzt aber stehe die Reform, und das Stimmvolk müsse entscheiden. «Da verhalte ich mich neutral.»

Zum Dreifuss-Engagement meint er: «Frau Dreifuss hat sich immer als militante Aktivistin der Gewerkschaften betrachtet.» Das sei im Bundesrat schon so gewesen und sei es auch jetzt noch. «Das ist ihre Lebensphilosophie – und das respektiere ich», meint Couchepin.

Süffisant fügt er aber hinzu: «Im Gegensatz zu ihr bin ich mehr Politiker als Aktivist irgendwelcher Lobbys, deshalb mische ich mich jetzt auch nicht ein.»

Dreifuss: «Wir kennen seine Meinung ja»

Dreifuss lässt die Kritik unbeeindruckt: «Ich schätze es, dass er seine Meinung nicht aktiv vertritt. Wir kennen sie ja, er hat als Bundesrat entsprechende Vorschläge gemacht – und die sind an der Urne gescheitert.»

Eines macht ihr in ihrem Abstimmungskampf besonders Freude: «Diesmal habe ich das Glück, dass ich auf der Seite des Bundesrats und des Parlaments antreten darf.»

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