Corona gefährdet die Gesundheit, nicht die Demokratie
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Faktencheck:Corona gefährdet die Gesundheit, nicht die Demokratie

8 Verschwörungstheorien – und was an ihnen dran ist
Corona gefährdet die Gesundheit, nicht die Demokratie

Wilde Verschwörungstheorien vermischen sich in der Diskussion um die Corona-Pandemie mit durchaus berechtigter Kritik. BLICK nimmt die häufigsten Vorwürfe unter die Lupe.
Publiziert: 15.05.2020 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2020 um 09:18 Uhr
Der Widerstand gegen die Corona-Massnahmen in der Bevölkerung wächst.
Foto: Keystone
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Gianna Blum, Lea Hartmann

Immer lauter wird die Kritik am Umgang mit der Corona-Krise – in der Schweiz und international. Und die Vorwürfe reichen von «vernünftig» bis «paranoid». «Verschwörungstheorien machen die Welt erklärbar», sagt etwa Experte Michael Butter gegenüber Radio SRF. Aus der psychologischen Forschung wisse man: Die Menschen sind empfänglicher für Verschwörungstheorien, wenn sie mit viel Unsicherheit umgehen müssen. Und unsicherer als jetzt ist die Zukunft selten.

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Trotzdem: Längst nicht alle Vorwürfe und Behauptungen gehören unter einen Aluhut. BLICK hat die häufigsten Thesen unter die Lupe genommen und sagt, was dran ist.

1. Unsere Grundrechte sind in Gefahr

Das stimmt nur zum Teil. Unsere Grundrechte sind zurzeit zweifellos eingeschränkt, bestes Beispiel dafür ist das Versammlungsverbot. Das heisst aber nicht unbedingt, dass sie grundsätzlich in Gefahr sind. Auch in der ausserordentlichen Lage haben die Verordnungen des Bundesrats eine zeitliche Begrenzung. Hinterfragen kann man aber tatsächlich, warum politische Kundgebungen nicht mit Masken und Abstand möglich sein sollen. Auch die Wirtschaft funktioniert schliesslich mit Schutzkonzepten wieder halbwegs. Allerdings: Hygiene und Abstandsregeln gezielt zu ignorieren, wie bei verschiedenen Demonstrationen schon geschehen, ist und bleibt verboten – und es ist unsolidarisch. Denn so wird riskiert, dass die mühsam erkämpfte Verlangsamung der Pandemie wieder zunichtegemacht wird.

2. Die direkte Demokratie ist ausgehebelt worden

Das stimmt so nicht. Der Bundesrat hat in der Notlage weitgehend allein entschieden, grosse Eingriffe in persönliche und wirtschaftliche Freiheiten vorgenommen und enorme Summen öffentlicher Gelder verteilt. Aber: Das Handeln war jederzeit gedeckt von der Verfassung und vom Epidemiengesetz. Diese Rechtsgrundlagen sind demokratisch legitimiert.

Abstimmungen und politische Versammlungen wurden wegen der Corona-Pandemie auf Eis gelegt und Sessionen von Kantons- und Gemeindeparlamenten abgesagt. Doch verschoben ist nicht aufgehoben. Und ausserdem ist der Krise Rechnung getragen worden: Fristen für Unterschriftensammlungen wurden beispielsweise verlängert.

3. Es droht ein Impfzwang

Das stimmt nicht. Vor allem gibt es noch gar keine Impfung. Was ist, wenn diese einst zur Verfügung steht? Tatsächlich kann der Bundesrat laut Epidemiengesetz ein zeitlich begrenztes Impfobligatorium aussprechen, wenn auch nur eingegrenzt auf bestimmte Personengruppen. Aber: Obligatorium heisst nicht Zwang. Das Bundesamt für Gesundheit hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass niemand gegen seinen Willen geimpft werden darf. Es darf laut Epidemiengesetz auch keine Sanktionen wie Bussen geben, wenn sich jemand einer Impfung verweigert. Möglich sind aber Einschränkungen für Ungeimpfte, zum Beispiel dass ungeimpftes Gesundheitspersonal nicht mehr auf bestimmten Abteilungen arbeiten darf.

4. Auch an der Grippe sterben jedes Jahr viele Menschen, Corona wird überschätzt

Nein. Vieles weiss man noch nicht über das Coronavirus. Genaue Daten zur Mortalitätsrate – wie viele der Erkrankten an Corona sterben – gibt es zwar noch nicht, zu unterschiedlich sind weltweit die Testregimes. Aber: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass 3 bis 4 Prozent der Infizierten sterben. Selbst bei schweren Grippen kommt dieser Wert kaum über 0,1 Prozent.

Doch die – nicht abschliessend geklärte – Tödlichkeit des Virus an sich ist nur ein Teil des Problems. Eine ganze Reihe weitgehend geklärter Aspekte machen Corona gefährlicher als die Grippe und ihre Bekämpfung schwieriger: Vorab gibt es im Gegensatz zur Grippe keinen Impfstoff und in der Bevölkerung keinerlei Immunität von früheren Infektionen. Das Coronavirus ist zudem ansteckender, und es dauert länger, bis Symptome auftreten. Zudem müssen mehr – insbesondere ältere oder vorerkrankte Menschen – hospitalisiert werden.

5. Trotzdem: Die Corona-Massnahmen sind übertrieben. Schliesslich waren die Spitäler nie überlastet

Ob die Massnahmen zu weit gingen, lässt sich nicht abschliessend beantworten. Ja, die düstersten Prognosen sind nicht eingetroffen. Und einzelne Massnahmen wie zum Beispiel das Verbot nicht dringender medizinischer Eingriffe können durchaus in Frage gestellt werden. Fairerweise muss aber gesagt werden: Hinterher ist man immer schlauer. Wie viel schlimmer es ohne Lockdown gekommen wäre, wissen wir nicht. Die Regierung musste in einem Moment fundamentaler Unsicherheit und unvollständiger Informationen weitreichende Entscheidungen treffen. Anhaltspunkte, dass dahinter eine böswillige Absicht stand, wie das Verschwörungstheoretiker behaupten, gibt es keine.

6. Die Contact-Tracing-App führt zu einem Überwachungsstaat

Kaum. Denn die App arbeitet nicht mit Standortdaten, was bedeutet, dass die App nicht weiss, wo man sich befindet. Es ist zudem weitgehend unbestritten, dass sie nur auf freiwilliger Basis zum Einsatz kommen darf. Andere Apps verlangen und speichern sehr viel mehr Daten, als es die Warn-App tun wird. Doch App hin oder her: Das Contact Tracing, also das Nachverfolgen der Infektionsketten, ist zweifellos ein Eingriff in die Privatsphäre. Aber die Tracer unterliegen dem Amtsgeheimnis. Wie der Kanton Zürich auf Nachfrage beispielsweise mitteilt, müssen die Tracer vor Stellenantritt eine Datenschutzerklärung unterzeichnen.

7. Das Virus kommt aus dem Labor und ist absichtlich in Umlauf gebracht worden

Es gibt keine Beweise dafür, dass der Ursprung des Virus künstlich ist. Was natürlich nicht heisst, dass es theoretisch nicht doch sein könnte. Forscher, die den Virenstamm unter die Lupe genommen haben, erachten es aber als sehr viel wahrscheinlicher, dass Corona natürlichen Ursprungs ist. Ungeklärt ist allerdings noch, wie genau das Virus seinen Weg von den Tieren zu den Menschen gefunden hat.

8. Bill und Melinda Gates haben die WHO gekauft

Die WHO finanziert sich nebst den Pflichtbeiträgen der Mitgliedsstaaten zu einem sehr grossen Teil durch Spenden von Staaten und privaten Gönnern. Dabei gehören die Gates tatsächlich zu den grössten Spendern. Nach den USA, die im Berichtsjahr 2018/19 rund 890 Millionen US-Dollar beisteuerten (15 Prozent des Budgets), folgt die Stiftung von Bill und Melinda Gates mit 530 Millionen (knapp 10 Prozent). Dabei sind die Spenden der Gates-Stiftung zweckgebunden, der allergrösste Teil wird für die Polio-Bekämpfung eingesetzt. Die Gates verfügen damit zweifelsohne über viel Macht innerhalb der WHO. Es wäre allerdings übertrieben zu sagen, dass sie allein die Uno-Organisation steuern. Ausserdem kann die WHO ihren Mitgliedsstaaten zwar Empfehlungen aussprechen, aber nichts befehlen. Wie sie mit der Pandemie umgehen, entscheiden die Staaten immer noch selbst.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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