Unterhaltungstalk in akuter Gefahr
Wird es nie mehr einen Aeschbi geben?

Moderator Kurt Aeschbacher muss auf Ende Jahr mit seinem Unterhaltungs-Talk aufhören. Doch was hat das SRF in Zukunft mit diesem wichtigen TV-Format im Sinn? SonntagsBlick hat sich in der Branche umgehört und präsentiert potenzielle Nachfolger.
Publiziert: 08.07.2018 um 00:44 Uhr
|
Aktualisiert: 19.09.2018 um 20:36 Uhr
Peter Padrutt und Jean-Claude Galli

Das neue, fremdartige Format nannte sich «Je später der Abend», und die Schweizer TV-Zuschauer schauten skeptisch, aber doch neugierig zur ARD, als der irre Klaus Kinski (†65) im Studio einen Zuschauer verbal niederwalzte. So begann in den 1970er-Jahren das grosse TV-Geschwätz. Mal klüger, mal unerträglich.

Die Herstellung solcher Sendungen war nicht teuer, das merkte man vor 17 Jahren schliesslich auch beim Schweizer Fernsehen. Damals moderierte Kurt Aeschbacher (69) sein experimentelles «Casa Nostra». Doch der Samstagabend begann sein Publikum zu verlieren, und so schlug ihm der damalige Unterhaltungschef Marco Stöcklin (66) vor, weniger auf Paradiesvogel zu machen und eher eine brave Talkshow abzuliefern. Was er bis heute einfühlsam tut und nun trotzdem auf Ende Jahr abgewürgt wird.

«Kluge Sendungen, in denen sich Menschen öffnen können»

Gefragt sind heute Promi-Talks mit Moderatoren, die Fragen abspulen, welche ihnen die Redaktion ins Ohr flüstert. Der Gesellschaftstalk à la Aeschbi ist ein Auslaufmodell. Der Trend läuft in eine andere Richtung – vor allem weg vom unterhaltsamen Gespräch. SRF setzt auf gleichförmige Sendungen wie «Arena», «Club»,«Eco-Talk» oder «Rundschau Talk», wobei eigentlich nur einer Profil zeigt: Roger Schawinski (73). Ihm droht nach dem Abgang von TV-Direktor Ruedi Matter (64) wohl das gleiche Schicksal wie Aeschbacher. 

TV-Moderator Kurt Aeschbacher, aufgenommen in seiner Wohnung in Zürich.
Foto: Keystone
1/12

In Deutschland boomen die Polit-Talkshows. Doch nur noch solche, in denen sich Politiker die Köpfe einschlagen. Kürzlich forderte der deutsche Kulturrat ein Sabbatical für Maischberger & Co., weil so nur Populismus und Hass befeuert würden. Ist  die unterhaltende Talkshow also tot? «Kluge Sendungen, in denen Menschen Raum bekommen und sich öffnen können, funktionieren im TV durchaus noch», sagt Werber Frank Baumann (60), der mit seinen erfrischenden Gesprächen mit Hundertjährigen («Das volle Leben») bewies, dass es neue Ansätze für Talkformate gibt.

Gesucht sind Brückenbauer, die sich nicht zu ernst nehmen

Was sind die Anforderungen an einen guten Talker? Es braucht Moderatoren, die sich selber nicht zu ernst nehmen und zuhören können. Das wird im Alter einfacher, als wenn man als Jungspund um Anerkennung kämpft. Nik Hartmann (46) verfügt über diese Reife, aber man hat ihn in den letzten Jahren zu stark auf Wanderkumpel getrimmt. Fakt ist: Wer Themen assoziativ verknüpfen kann, gute Bücher liest und in der Kulturszene verkehrt, kann Brücken bauen.

Nicht zu unterschätzen: Öffentlich-rechtliches Fernsehen hat nebst vielem die Aufgabe, unbekannten Menschen den Puls zu fühlen und ihre Erfahrungen zu reflektieren. Gerade in der Schweiz, welche auf den gesunden Menschenverstand des Stimmbürgers setzt. «Normale» Personen sollten nicht bloss als Zuschauermenge und Werbekonsumenten funktionieren.

Unterhaltungstalks verkommen zum Beigemüse 

Ebenso wichtig: Eine Talkshow braucht Kontinuität. Die «NDR Talkshow» ist seit 1979 Kult. Seit zehn Jahren sind Barbara Schöneberger (44) und Hubertus Meyer-Burckhardt (61) erfolgreich am Zug. Unspektakuläre, doch höchst unterhaltsame Sendungen wie «Nachtcafé», «Kölner Treff» oder «Riverboat» bringen zwar nicht die Mega-Quote, sind aber imagefördernd und dienen als Marke.

SRF verlagert seinen Unterhaltungstalk in Randzonen. So liess man Mona Vetsch (43) bei den Olympischen Spielen den Late-Talk «Chaempieon» moderieren. Tom Gisler (42) versammelt an der Fussball-WM in «Letschti Rundi» Gesprächsfreudige, und Viola Tami (37) lädt diesen Sommer zum «Talk am Grill» (ab heute Abend). Durchaus ähnliche Qualitäten zeigte «Schweiz aktuell»-Moderatorin Katharina Locher (32) in der Gartensendung «Hinter den Hecken». Sie kann nicht nur auf Botanisch Fragen stellen, sie ist auch jung und adrett.

Der Anspruch: Gutes Mundwerk, Empathie und breiter Horizont

Ein Sonderfall ist Ralph Wicki (56). Ein sensitiver Naturmensch, der Lebensenergie auf einer Tropeninsel tankte. Jetzt orakelt er bei Radio SRF 1 durch die Nacht. Er ist einfühlsam, seine ersten Gehversuche als Retro-Pilgerer bei «Schweiz aktuell» vor Jahresfrist lassen allerdings zweifeln, ob TV sein Medium ist.

Alle Genannten haben ein gutes Mundwerk, besitzen Empathie und verfügen über einen breiten Horizont. Aber können sie Kurt Aeschbacher je das Wasser reichen?

Er selber will sich nicht in die Talk-Zukunft von SRF einmischen. Er sagt nur: «Man muss zuhören können und die Seele öffnen, um auf den wahren Kern eines Menschen zu stossen. Dazu muss man sich auf Augenhöhe bewegen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?