Darum sitzen hier fast nur Männer
SRF hat ein Frauen-Problem

Der SRF-«Club» ist am Verzweifeln, weil zu wenig weibliche Gäste mitmachen – und steht damit am Leutschenbach nicht alleine da. Eine Expertin sagt, was der Sender tun kann.
Publiziert: 30.10.2018 um 13:49 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2018 um 16:30 Uhr
Herrenrunde: Im «Club» fehlen oft weibliche Talkgäste, so auch am 18. September 2018 zum Thema «Finanzkrise – zehn Jahre nach dem Kollaps».
Foto: Screenshot SRf
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Exponentinnen verzweifelt gesucht! Das SRF hat ein Frauenproblem, wie der Sender anhand des Beispiels «Club» selbst zugibt. Unter den 90 Gästen, die zwischen Anfang Juni und Mitte Oktober 2018 in der Talkrunde waren, seien nur 23 weiblich gewesen, heisst es in einem Beitrag auf der Sender-Website. Das gebe der Redaktion, bei der 390 von 400 Stellenprozenten mit Frauen besetzt seien, zu denken, schreibt das Team um Moderatorin Barbara Lüthi (45). Sie gibt zu: «Ja, wir hätten gerne mehr Frauen, die bei uns mitdiskutieren. Und das bei jedem Thema.»

Doch genau das sei das Problem: Gehe es um Kinder, Erziehung und Pflege, hätten sie  eine grössere Auswahl an interessanten, kompetenten Frauen. «Reden wir über Wirtschafts- und Finanzthemen, über Politik und Sicherheitsthemen, gestaltet sich die Suche zunehmend schwierig.»

Der Frauenmangel fällt auch dem Publikum auf. «Aktualisiert mal euer Adressbuch», lautet eine Kritik. Es sei «ernüchternd», ja «skandalös», wie tief der Frauenanteil im «Club» sei, heisst es weiter. Und: Dass die Redaktion die Frauen nicht fände, sei eine faule Ausrede.

Drei Hauptgründe für Absagenflut

Sie würden sich tatsächlich sehr schwertun, weibliche Gäste zum Kommen zu bewegen, so Lüthi. «Frauen sagen uns weitaus öfter ab als Männer», erzählt sie. Dafür sieht sie drei Gründe:

Frauen, die sich exponierten, interessante Stellungen hätten und in einem Fachbereich ganz oben mitmischten, würden von allen Medien ständig angefragt. «Diese Frauen können oft nicht alle Termine wahrnehmen, die ihnen angeboten werden», sagt Lüthi.

Ein weiterer Grund sei, dass sie sich um die Kinder kümmern würden und nicht weg könnten. «Es kommt vor, dass Frauen absagen, weil sie die Kinder nicht alleine lassen können. Ob das nur ein Vorwand ist, wissen wir nicht. Zuweilen schlagen wir sogar vor, sie sollen ihre Kinder doch mitnehmen.»

Der dritte Grund sei, dass viele Frauen zögern würden. «Sie wollen sich nicht exponieren, haben Angst, dass sie unter die Räder kommen. Frauen wollen oft perfekt sein, sonst lassen sie sich gar nicht auf eine Diskussion ein.» Es sei enttäuschend, wenn sie eine Absage nach der anderen erhalten würden, weil sich diese Frauen einen Aufritt im TV nicht zutrauten oder «nicht die Quotenfrau» sein wollten. Es brauche manchmal einiges, um bestens qualifizierte Frauen zu überzeugen. «Manche von uns per Mail gestellte Anfrage an Frauen endet deshalb mit dem Satz: Sagen Sie jetzt nicht gleich Nein, lassen Sie uns telefonieren.»

Anderen Sendungen geht es ähnlich

Doch der «Club» ist nicht das einzige Beispiel. Auch andere, ähnliche Formate, in denen Expertinnen gefragt sind, wie «Kassensturz», «10vor10» oder auch «Eco» kämpfen mit einem Frauenproblem. «Bei der Suche nach geeigneten Talkgästen oder Experten stellen sich die vom «Club» genannten Herausforderungen sicher auch ähnlich in anderen Redaktionen», sagt SRF-Sprecher Stefan Wyss auf Anfrage dazu. In der Politsendung «Arena» besteht das Problem auch wegen der geringen Anzahl Politikerinnen. «Im Nationalrat beträgt der Frauenanteil etwas über 30 Prozent. Im Ständerat sind momentan 15 Prozent der Mitglieder Frauen», heisst es laut SRF. 

Auch im Quiz fehlen die Frauen

Auch in Unterhaltungsformaten zeigt sich die Frauenproblematik. So wandte sich Endemol, die Produktionsfirma der Quizshow «1 gegen 100», vor einiger Zeit explizit an weibliche Quiz-Fans. «Frauen, aufgepasst! Für die wöchentliche Quizsendung ‹1 gegen 100› im Schweizer Radio und Fernsehen suchen wir Teilnehmerinnen», lautete der Aufruf auf Facebook. Bei «1 gegen 100» seien zwei Drittel der Personen, welche sich für die Sendung bewerben, Männer, sagt SRF. Dies sei seit Beginn der Sendung 2008 so.

«Im Laufe der Jahre haben wir bemerkt, dass Frauen oft zurückhaltender sind, wenn es darum geht, sich vor einem grösseren Publikum zu präsentieren und Quizfragen zu beantworten. Oft melden sie sogar lieber ihre Männer für eine Teilnahme an.» Frauen hätten bei Quiz-Sendungen die Tendenz, ihr eigenes Wissen und ihre Fähigkeiten zu unterschätzen. Dabei seien sie in Quiz-Sendungen sehr erfolgreich. Bei «1 gegen 100» seien knapp die Hälfte aller Personen, welche die Quiz-Insel mit einem Gewinn verlassen, Frauen.

Heute Abend steht der nächste «Club» auf dem Programm, zum Fall Khashoggi. Von den insgesamt sechs Talkteilnehmern sind zwei Frauen. (wyt)

«SRF darf nicht zu früh aufgeben»

Der Frauenmangel bei SRF ist auch Petra Rohner (61), Geschäftsführerin vom Karriereportal femdat.ch, aufgefallen. Sie fordert vom Sender, sich künftig für einen grösseren Frauenanteil einzusetzen. «Medien tragen eine grosse Verantwortung für die öffentliche Meinungsbildung und Wahrnehmung. Wenn hier ein einseitiges Bild gezeigt wird, unterstützt es die alten Rollenbilder, die leider noch sehr stark vorhanden sind.»

Um den Frauenanteil zu erhöhen, rät die Expertin SRF, bei der Recherche nicht zu früh aufzugeben. «Denn es gibt sie, die Frauen. Leider sind sie in vielen Branchen oder Positionen nicht so sichtbar. Oft werden die Personen im persönlichen oder Unternehmensnetzwerk gesucht. Findet man niemand Passendes, fehlt aus meiner Sicht oft das Bewusstsein, das notwendige Netz zu den weiblichen Fach- und Führungskräften zu hinterfragen.»

Rohner räumt allerdings ein, dass viele Frauen nicht das Bedürfnis hätten, ihre Person in den Fokus zu stellen, weshalb sie öffentliche Präsenz nicht bewusst anstrebten. «Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht bereit sind, ihre Meinung zu vertreten und sich einzubringen.»

Rohner nimmt deshalb auch die Expertinnen selbst in die Pflicht. «Der Arbeitsmarkt der Zukunft erfordert generell mehr Sichtbarkeit jedes Einzelnen. Dies ist mit Sicherheit ein Prozess, den Frauen bewusster angehen müssen, aber nicht nur, um für Interviews und Podien angefragt zu werden. Es ist auch die Basis der Karriere», so die Fachfrau. «Wer nur gute Arbeit leistet und sich nicht dazu positioniert, wird übergangen.» (wyt)

Der Frauenmangel bei SRF ist auch Petra Rohner (61), Geschäftsführerin vom Karriereportal femdat.ch, aufgefallen. Sie fordert vom Sender, sich künftig für einen grösseren Frauenanteil einzusetzen. «Medien tragen eine grosse Verantwortung für die öffentliche Meinungsbildung und Wahrnehmung. Wenn hier ein einseitiges Bild gezeigt wird, unterstützt es die alten Rollenbilder, die leider noch sehr stark vorhanden sind.»

Um den Frauenanteil zu erhöhen, rät die Expertin SRF, bei der Recherche nicht zu früh aufzugeben. «Denn es gibt sie, die Frauen. Leider sind sie in vielen Branchen oder Positionen nicht so sichtbar. Oft werden die Personen im persönlichen oder Unternehmensnetzwerk gesucht. Findet man niemand Passendes, fehlt aus meiner Sicht oft das Bewusstsein, das notwendige Netz zu den weiblichen Fach- und Führungskräften zu hinterfragen.»

Rohner räumt allerdings ein, dass viele Frauen nicht das Bedürfnis hätten, ihre Person in den Fokus zu stellen, weshalb sie öffentliche Präsenz nicht bewusst anstrebten. «Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht bereit sind, ihre Meinung zu vertreten und sich einzubringen.»

Rohner nimmt deshalb auch die Expertinnen selbst in die Pflicht. «Der Arbeitsmarkt der Zukunft erfordert generell mehr Sichtbarkeit jedes Einzelnen. Dies ist mit Sicherheit ein Prozess, den Frauen bewusster angehen müssen, aber nicht nur, um für Interviews und Podien angefragt zu werden. Es ist auch die Basis der Karriere», so die Fachfrau. «Wer nur gute Arbeit leistet und sich nicht dazu positioniert, wird übergangen.» (wyt)

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