So ist der TV-Krimi wirklich
Deutsche machen Schweizer «Tatort» schlecht

Der neue Luzerner «Tatort» mit dem Titel «Die Musik stirbt zuletzt» (Ausstrahlung am 5. August) sei bei Test-Vorführungen durchgefallen, schreibt die «Bild»-Zeitung. BLICK erklärt, weshalb der Krimi von Dani Levy trotzdem sehenswert ist.
Publiziert: 17.07.2018 um 03:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:42 Uhr
Jean-Claude Galli

«Zu schlecht zum Senden? Krise um Schweizer ‹Tatort›» titelte «Bild» am letzten Wochenende. Die für den 5. August angesetzte nächste Luzerner Folge sei bei Test-Vorführungen durchgefallen und habe gar auf der Kippe gestanden, schrieb die Zeitung. BLICK hat den neuen «Tatort» schon gesehen und weiss, aus welchen Gründen der Krimi von Dani Levy (60) tatsächlich eine Kontroverse auslösen könnte.

Da ist erstens die Machart. «Die Musik stirbt zuletzt» ist ein sogenanntes One-Take-Movie. Es wurde ohne Schnitt und mit einer einzigen Kamera gefilmt. Ein anspruchsvolles Unterfangen, denn Laufzeit und erzählte Zeit sind so identisch. Schauspiel, Dramaturgie und Rhythmus müssen präzis sein, jeder Patzer fällt doppelt auf. Das bekannteste Werk dieser Art ist «Cocktail für eine Leiche» von Alfred Hitchcock (1899–1980) aus dem Jahre 1948. Was bei Hitchcock im intimen Rahmen eines Salons virtuos aussieht, wirkt im KKL Luzern während einer Konzert-Gala mit 800 Gästen hektisch und überdreht. Konservative Zuschauer werden kaum mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.

Was hat der bloss intus? 

Um das Publikum zu führen, setzt Levy auf die uralte, aber bewährte Rolle eines Erzählers, der auch optisch durch die Handlung führt. Franky Loving, gespielt von Andri Schenardi (37), ist der Sohn des Gastgebers Walter Loving (Hans Hollmann) – und eine ausgesprochene Nervensäge. Man mag ihn oder findet ihn abstossend und denkt: Was hat der bloss intus? Als Ensemblemitglied am Stadttheater Bern hinterliess Schenardi bei seinem Abschied Richtung Graz 2015 gebrochene Herzen, hier spaltet er die Gemüter. BLICK findet aber: Schenardis Kamikaze-Darbietung allein ist einen TV-Sonntagabend wert.

Das Luzerner «Tatort»-Duo Liz Ritschard (Delia Mayer) und Reto Flückiger (Stefan Gubser) sind am 5. August für die nächste Luzerner Folge am Bildschirm zu sehen.
Foto: SRF/Daniel Winkler
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Holocaust und Antisemitismus

Bewusst heissen Boden betritt Levy mit der Handlung. Walter Loving ist ein Mäzen alter Schule und betätigte sich in früheren Zeiten als Fluchthelfer für verfolgte Juden. Allerdings scheint seine Vergangenheit nicht lupenrein zu sein. Vor dem KKL versammeln sich zudem Palästinenser-Freunde, die gegen Geschäfte mit dem Staat Israel protestieren. Holocaust und Nahostkonflikt als dunkle Gewitterwolken über dem Vierwaldstättersee.

Levy scheut die grossen Bögen nie

Man kann das überladen finden, doch hat Levy die grossen Bögen nie gescheut. Schweizweit bekannt wurde der gebürtige Basler 1984 als Küchengehilfe Peperoni in der TV-Serie «Motel». Der Durchbruch als Drehbuchautor und Regisseur gelang ihm Ende der 80er-Jahre, bevor er sich nach Deutschland orientierte und dort erfolgreich den jüdischen Lebensalltag thematisierte («Alles auf Zucker!», «Meschugge»). 2013 drehte er den Luzerner «Tatort» mit dem Titel «Schmutziger Donnerstag».

Vom Stadion ins KKL

Damals wie jetzt ermitteln Delia Mayer (51) als Liz Ritschard und Stefan Gubser (60) als Reto Flückiger in einer Ausnahmesituation und kämpfen gegen ihre Nerven. Mayer ist psychisch grundsätzlich angeschlagen. Und Gubser wird vom Fussballspiel weg ins KKL geholt. Deshalb trägt er auch die ganze Zeit über ein FCL-Fantrikot. Der Mörder lässt sich davon nicht beeindrucken. Fazit: Levy nimmt volles Risiko. Diesen «Tatort» liebt man. Oder die Fernbedienung hat schnell das letzte Wort.

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