Foto: Thomas Meier

Quoten-König Röbi Koller (61) im Interview
«Sicherheiten habe ich keine»

Vor dreissig Jahren debütierte er beim Schweizer Fernsehen, seit 2007 moderiert er «Happy Day» – mit Traumquoten. Für die Weihnachtssendung vom 22. Dezember werden gegen 50 Prozent erwartet. Trotzdem macht sich Röbi Koller auch Gedanken über die Zukunft.
Publiziert: 16.12.2018 um 09:51 Uhr
Interview: Jean-Claude Galli

Am kommenden Samstag, 22. Dezember (SRF 1, ab 20.10 Uhr), läuft die fünfte «Happy Day»-Sendung 2018. Für die Weihnachtsausgabe werden bis zu 50 Prozent Einschaltquote erwartet. SonntagsBlick hat Moderator Röbi Koller (61) zum Jahresend-Interview getroffen.

Röbi Koller, wie sind Sie in beruflicher Hinsicht mit dem Jahr zufrieden, auf einer Skala von 1 bis 10?
Es war ein Jahr ohne grosse Veränderung, ein gutes Jahr, «Happy Day» ist auf Kurs, seit fünf Jahren haben wir über 40 Prozent Marktanteil. Das ist wahnsinnig in dieser TV-Landschaft. Und ich habe drei tolle Reisen gemacht. Einmal für das Hilfswerk Comundo auf die Philippinen, einmal für eine «Happy Day»-Recherche nach Kolumbien. Und eine Reise nach Island. Eigentlich ein wunderbares Jahr, auf der Skala also 8 oder 9 von 10.

Und was ging voll in die Hose?
Ich wüsste von nichts. Beruflich gab es ja grosse Unruhe, die No-Billag-Abstimmung, das hätte furchtbar in die Hose gehen können. Ich machte mir auch Sorgen damals. Das hat mich, hat alle umgetrieben. Schlussendlich war es ein deutlicher Zuspruch für die SRG. Doch jetzt müssen wir die Versprechen einlösen, die wir gegeben haben. Lustig, ich spreche immer in der Wir-Form, obwohl ich gar nicht angestellt, sondern bloss ein freier Mitarbeiter bin.

«Happy Day»-Moderator Röbi Koller ist der Quoten-König des Schweizer Fernsehens.
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Wie sehen denn Ihre Sicherheiten aus?
Sicherheiten habe ich keine. Rein rechtlich habe ich einen Vertrag, der jederzeit gekündigt werden kann. Und dann zahlen sie genau das, was ich bis gestern gearbeitet habe.

Sehen wir 2019 «Happy Day» noch?
Man muss es pragmatisch anschauen: «Happy Day» wird nicht von heute auf morgen abgesetzt. Ich führe mit den Verantwortlichen von SRF jährlich Gespräche. Der Zuspruch ist für 2019 von beiden Seiten da, für 2020 ist eine Prognose ein wenig schwieriger. Es ist wie bei den Wetterprognosen. Je weiter nach hinten, desto weniger sicher, sagt Thomas Bucheli. Von mir aus gern, das Bedürfnis ist da, und es wäre ein Fehler, «Happy Day» jetzt abzuschaffen. Zumal die Leute die Sendung mögen.

Haben Sie mit dem neuen Unterhaltungschef Stefano Semeria schon gesprochen?
Ja, klar. Ich habe herausgehört, dass er noch dran ist, sich einen Überblick über die Unterhaltungssendungen und die Moderatoren von SRF zu verschaffen. Aber ich denke, dass «Happy Day» ihm vorläufig keine Sorgen bereitet.

Und die neue Chefin Nathalie Wappler haben Sie bereits kennengelernt?
Nein, aber die ist doch auch noch gar nicht im Haus, oder? Sie war ja früher schon beim SRF, aber damals hatte ich keinen persönlichen Kontakt mit ihr.

Wie sehen die Auswirkungen des Spardrucks auf «Happy Day» aus?
Das hat Auswirkungen auf alle, auch auf uns. Daher ist auch Unruhe spürbar. Die Medienlandschaft ist in einer wahnsinnigen Veränderungsphase. Und erst in fünf Jahren wird sich zeigen, ob der Weg den wir eingeschlagen haben, der richtige ist. Das lineare Fernsehen ist zwar schon mehrfach totgesagt worden. Wir aber machen immer noch eine altmodische Lagerfeuersendung, die besser denn je funktioniert. Das Bedürfnis ist da. Die ganze Welt ist geprägt von Fake News. Unsere Momente und Geschichten sind echt. Sie handeln von Menschen, in denen man sich wiedererkennen kann. Das ist Teil des Erfolgs.

Ein wenig Zukunftsangst ist aber da?
Angst nicht, aber ich wünsche mir, dass unsere Arbeit mehr geschätzt wird. Was viele leider nicht wissen: Es ist schwieriger, gute Unterhaltung als gute News zu machen. Gute News sind zu einem grossen Teil fremdbestimmt. Wir dagegen sitzen am Anfang stets vor einem leeren Blatt. Wir dürfen und müssen es füllen und können dabei vieles falsch machen. Und wir müssen mit der gleichen journalistischen Sorgfalt an die Sache herangehen wie alle anderen auch. Ich erlebe oft, dass Leute aus dem News-Bereich über die Unterhaltung lächeln – zu Unrecht.

Wie viele Leute sind bei «Happy Day» engagiert?
Es sind weniger als ein Dutzend Leute – die aber alle noch in diversen anderen Sendungen involviert sind. Ich schaue zum Vergleich gern internationale Formate an, Vorbilder, Ellen DeGeneres zum Beispiel, dort sind vermutlich gegen hundert Leute an Bord. Aber wir müssen mit dem auskommen, was wir haben. Es ist ein cooles Team, oft seit Jahren die gleichen Leute. Man braucht Gespür und Erfahrung, ein Gefühl für Geschichten. Wir betreiben grossen Aufwand, damit die Geschichten echt sind. Und die Wünsche müssen stark sein, damit man sie gut rüberbringen kann. Wir sprechen dabei immer wieder vom Gönn-Faktor. Wir überraschen genau einen Menschen. Aber die 700'000 anderen zu Hause müssen sich mitfreuen können, das ist ganz wichtig.

Wer guckt «Happy Day»?
Die ganze Familie. Je weiter von Zürich weg, umso intensiver. Auf dem Land ist es ganz extrem. Dort werde ich auch am häufigsten angesprochen. Man will Autogramme fürs Grosi. Aber auch Teenies sprechen mich an. Wir haben in der Weihnachtssendung zwei als Engel verkleidete, zehn Jahre alte Mädchen, die mir einen rührenden Brief geschrieben haben. Nun sind sie in der Sendung. Wir haben ein relativ tiefes Durchschnittsalter für eine Unterhaltungssendung.

Von wem nehmen Sie Kritik an?
Von meiner Frau Esther, die Regisseurin ist und auch in der Weihnachtssendung in der Regie sitzt. Weil sie mich am besten kennt, weiss sie, wo sie den Finger drauflegen muss. Manchmal ist es nicht leicht, diese Kritik anzunehmen. Viele sagen: Wenn Kritik begründet ist, kann ich sie am ehesten annehmen. Das stimmt nicht. Wenn sie begründet ist, tut sie am meisten weh. Weil du weisst, die Leute haben sich mit dir auseinandergesetzt. Wenn mich jemand in den Boden stampft oder über den grünen Klee lobt, kann ich das abtun, das sind Ausreisser. Interessanter sind jene, die einen neuen Aspekt ins Spiel bringen.

Welche Voraussetzungen haben Sie als Moderator bereits mitgebracht?
Die Lust, Geschichten zu erzählen, zu kommunizieren, die Leute zu unterhalten. Den Wunsch, dies in einem grösseren Rahmen als am Mittagstisch zu tun. Dann ging es darum, zu lernen, dass Mikrofon und Kamera nicht Angst machen sollen. Du blamierst dich zwar ein paar Mal, aber sie machen dir nicht Angst. Du musst sie gern bekommen. Die Leute fragen mich manchmal, ob ich Lampenfieber habe. Nein, ich freue mich. Aber ich muss mich konzentrieren, muss eine Spannung aufbauen. Weil «Happy Day» so selten kommt, muss ich gut sein, denn die Erwartungshaltungen sind viel höher als bei einer täglichen Sendung. Der Anfang muss sitzen. Wenn dort ein Fehler passiert, ist es bös, dann bleibst du gedanklich total hängen.

Wie gehen Sie als öffentliche Figur mit Ihrer Verantwortung um?
Ich habe die Verantwortung, das Vertrauen der Menschen, das sie in mich setzen, nicht zu missbrauchen. Wenn ich draussen bin, erzählt mir jemand sein Leben, in zehn Minuten und mit den intimsten Details. Das darf ich nicht ausnützen. Die Balance zu finden zwischen unterhaltenden Elementen und Ernsthaftigkeit, ist die Schwierigkeit und Kunst zugleich.

Spielen Sie den Leuten nie etwas vor?
Züge eines Schauspielers hab ich wirklich keine. Von einem Showmenschen eher. Das heisst, dass ein Teil meines Hirns sich auf den korrekten Ablauf der Sendung konzentrieren muss. Aber ohne echtes Interesse und Neugier kannst du so etwas nicht stemmen. Wenn du ein Misanthrop bist, kannst du diese Sendung nicht machen. Du musst die Menschen gern haben und neugierig, offen für sie sein. Das spüren die Protagonisten und die Zuschauer.

Unser Eindruck: TV-Moderatoren verlieren generell an Bedeutung.
Die Figur wird sich verändern. Aber man wird immer Leute brauchen, denen die Zuschauer vertrauen, die einzigartig sind, die etwas vermitteln. Roboter-Moderatoren mögen vielleicht für einzelne News-Elemente gehen. Aber man wird nie einen Show-Moderator erfinden können, behaupte ich. Denn wir sind auch widersprüchlich, unverkennbar und nie perfekt, das macht den Unterschied. Die Maschinen sollen übernehmen, was Menschen nicht gern machen. Kunst, Kultur, Kreativität, da müssen schon Menschen ran. Man muss neugierig sein, offen, Dinge anschauen und zuhören. Auch jenen Leuten gegenüber, die man nicht mag oder mit denen man nicht einverstanden ist.

Wie sind Ihre Erwartungen fürs neue Jahr?
Die sozialen Konflikte machen mir Sorgen, in Deutschland, diese Lager, die auseinanderdriften. Oder die aktuelle Entwicklung in Frankreich. Macron hat jetzt immerhin schon mal begriffen: Ich muss da wohl mal zuhören. Doch wie will man von den Menschen verlangen, anständig miteinander zu sein, wenn der mächtigste Mann der Welt seinen Anstand schon längst über Bord geschmissen hat? Unser Schweizer System, obschon es oft umständlich ist, bringt da Vorteile: Solidarität, Stabilität, Rücksicht. Das führt dazu, dass wir weniger soziale Spannungen haben.

Persönlich

Röbi Koller wurde am 28. November 1957 in Luzern geboren. Nach einem Sprachstudium an der Uni Zürich startete er seine Medienkarriere anfangs der 80er-Jahre beim damaligen Piratensender Radio 24. 1988 wechselte er zu DRS 3 und begann beim Schweizer Fernsehen. Nach einem Abstecher in den Printjournalismus moderiert er seit 2007 wieder beim SRF, aktuell das Samstagabendformat «Happy Day», welches fünfmal pro Jahr läuft. Zu seinem 60. Geburtstag erschien 2017 seine Autobiografie «Umwege – Von Höhenflügen, Abstechern und Sackgassen». Koller lebt mit seiner Frau in Zürich und hat zwei Töchter aus erster Ehe.

Röbi Koller wurde am 28. November 1957 in Luzern geboren. Nach einem Sprachstudium an der Uni Zürich startete er seine Medienkarriere anfangs der 80er-Jahre beim damaligen Piratensender Radio 24. 1988 wechselte er zu DRS 3 und begann beim Schweizer Fernsehen. Nach einem Abstecher in den Printjournalismus moderiert er seit 2007 wieder beim SRF, aktuell das Samstagabendformat «Happy Day», welches fünfmal pro Jahr läuft. Zu seinem 60. Geburtstag erschien 2017 seine Autobiografie «Umwege – Von Höhenflügen, Abstechern und Sackgassen». Koller lebt mit seiner Frau in Zürich und hat zwei Töchter aus erster Ehe.

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Und worauf freuen Sie sich?
Ganz konkret: Meine jüngere Tochter heiratet. Das ist das erste Mal, dass ich bei der Hochzeit eines eigenen Kindes dabei bin. Und da steckt vermutlich auch Familienplanung dahinter. Irgendwann werden Enkel kommen, eine ganz neue Phase für mich. Viele meiner Kollegen sind schon Grossvater, die haben mir gesagt, das sei lässig, cool, ich bin sehr gespannt. Dann freue ich mich auf eine Schiffsreise in die Ostsee, die ich mit meiner Frau und Freunden zusammen mache. Daneben werde ich nächstes Jahr in der Weiterbildung tätig sein. Ich bin in einem Alter, wo man Wissen und Erfahrung mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen teilen sollte. Daher werde ich Workshops und Kurse für Moderatoren, Kommunikationsverantwortliche und Kaderleute anbieten.

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