Die Hölle auf Erden muss es wohl sein, als Aussenstehende in ein süddeutsches Kaff zu ziehen und dabei auch nur leicht anders zu ticken als die alteingesessenen Dorfbewohner. Man kennt es: Die gehen seit Generationen miteinander zur Schule, sind in denselben Vereinen und schanzen sich im Erwachsenenalter gegenseitig Jobs zu – das gilt übrigens genauso für die Schweiz.
In dieser Situation befindet sich im heutigen Schwarzwälder «Tatort» auch die zugezogene Ehefrau und zweifache Mutter Sandra Vogt. Die ist etwas anders, «eben Sandra», und gilt deshalb auch sofort als verdächtig, als ihr Ehemann und ihr jüngerer Sohn vermisst werden und zudem das Ehebett blutgetränkt ist. Da ist es völlig egal, dass Sandra in der Nacht gar nicht zu Hause war – sie wars. Das ist sowohl für ihre Schwiegermutter, ihren älteren Sohn und auch für ihr Arbeitsumfeld klar. Insbesondere, als die Leichen der beiden in einem Brunnenschacht gefunden werden. Dass eine 55-Kilo-Frau einen rund 80 Kilo schweren Mann kaum Hunderte von Metern weit tragen kann, bleibt da Nebensache. Die verhärmt wirkende Sandra hilft sich aber auch nicht, indem sie eisern verschweigt, wo und mit wem sie diese Nacht verbracht hat.
Diese Geschichte hat keine grossen Effekte nötig
Die Rahmengeschichte ist in diesem «Tatort» mit Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) nicht das Wichtigste. Vielmehr zeichnen Autor Bernd Lange und Regisseurin Franziska Schlotterer unaufgeregt, aber souverän ein ziemlich genaues Bild davon, wie grauenvoll so ein Kleinstadt- oder Dorfmief sein kann. Nicht muss, aber kann.
«Tatort» : «Die Blicke der Anderen». SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Dreieinhalb von fünf
