Todesfall
Italienischer Regisseur Franco Zeffirelli ist tot

Der italienische Regisseur Franco Zeffirelli ist tot. Er starb am Samstagmittag zuhause in Rom nach langer Krankheit, wie die Franco-Zeffirelli-Stiftung bekannt gab. Der geborene Florentiner wurde 96 Jahre alt.
Publiziert: 15.06.2019 um 13:44 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2019 um 14:54 Uhr

Kaum ein anderer Regisseur hat die italienische Oper so opulent und glanzvoll in Szene gesetzt wie Franco Zeffirelli. «Zu viel war ihm noch nie genug», wurde einst über ihn geschrieben. Einen einfachen Charakter hatte er nicht, er war undiplomatisch und eigenwillig, manchmal radikal in seinen Ansichten und zornig auf alles, was ihm nicht ins Konzept passte.

«Ich war immer schon ein zynischer, alter Wolf», bekannte er einmal. Am Samstag ist Zeffirelli, der sich zeitlebens gern als kettenrauchender Dandy gab, nach langer Krankheit im Alter von 96 Jahren gestorben. Die Vorstellung des Ablebens - plötzlich nicht mehr Teil dieser Erde zu sein - mache Angst, sagte er im Januar 2018 kurz vor seinem 95. Geburtstag.

Obwohl er schon seit Jahrzehnten in Rom lebte, war Zeffirelli stets seiner Geburtsstadt Florenz treu. Hier soll er auch begraben werden. 2017 hatte die Stadt Florenz ihm zu Ehren ein Kulturzentrum in einem ehemaligen Justizpalast unweit des Rathauses Palazzo Vecchio eingeweiht. Hier brachte Zeffirelli sein grosses Archiv unter, wo Bühnenbilder für Produktionen und Fotografien von Operngrössen wie Maria Callas zu sehen sind. Für den Regisseur ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Seit Jahrzehnten hatte Zeffirelli den grossen Wunsch, ein Kulturzentrum zu gründen, in dem junge Künstler Inspiration finden können.

Filmemachen sei eine wunderbare Kunstform, denn bei den Dreharbeiten habe er sowohl die Fakten als auch die Emotionen erneut durchleben können, schwärmte er in einem Interview. «Indem ich jene Zeit Revue passieren lasse, erinnere ich mich an kleine Details, Gesichter tauchen vor meinem inneren Auge auf und die Strassen von damals werden wieder lebendig.»

Sein hohes Alter erlebte Zeffirelli mit gemischten Gefühlen. «Die Gedanken an den Tod, die Idee, dass man von einem Augenblick zum anderen nicht mehr auf dieser Erde sein wird, macht Angst und ist anstrengend, vor allem, weil ich den Kopf noch voller Geschichten, Personen, Worte und Bilder meines Lebens habe.

Manchmal spreche ich direkt zum Tod. Aber mit der Distanz, die er verdient», sagte Zeffirelli im Gespräch mit der Florentiner Tageszeitung «La Nazione". Das Altern sei nicht schön. «Zu altern ist eine heikle Übung. Man muss lernen, Zeit zu verlieren, sich nicht zu hetzen», meinte der Regisseur. Er habe das Glück, dass sich seine beiden Adoptivsöhne mit viel Liebe um ihn kümmern.

Schwul, unkonventionell, selbstbewusst: Der impulsive Zeffirelli kann auf ein erfolgreiches Leben zurückblicken. «Ich habe immer schon jene Gedankenfreiheit und Neugierde besessen, die mich zu einem Ungehorsamen gemacht haben», erzählte der Regisseur.

Schon von Geburt an war Zeffirellis Laufbahn einmalig. «Ich bin als kleiner Bastard zur Welt gekommen. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter hatten bereits eine Familie, als sie sich kennenlernten. Meine Mutter ist gestorben, als ich sieben Jahre alt war. Sie hat mich sehr geliebt, ihre Liebe hat mein ganzes Leben durchdrungen», so Zeffirelli, der von einer Tante aufgezogen wurde. Er studierte Architektur, leitete eine Studentenbühne, kämpfte ab 1943 als Partisane gegen die deutschen Besatzer. Nur knapp entging er der Erschiessung durch die Faschisten.

1946 schloss sich Zeffirelli Luchino Viscontis «Morelli-Stoppa"-Gruppe als Schauspieler und Bühnenbildner an. Zusammen mit Salvador Dali entwarf er die Kulissen für Inszenierungen der Shakespeare-Stücke «Wie es euch gefällt» und «Troilus und Cressida". Visconti, für den er als Assistent arbeitete, zählte zu seinen Freunden.

Zeffirelli, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannte, führte 1953 erstmals an der Mailänder Scala Regie. Internationales Aufsehen erregte er 1958 mit seiner unorthodoxen Interpretation von Verdis Oper «La Traviata», die er 1983 auch verfilmte.

Den Durchbruch als Theater-Regisseur schaffte Zeffirelli 1960 mit seiner Inszenierung von Shakespeares «Romeo und Julia". Die Filmversion dieser Tragödie wurde 1967 einer seiner grössten Kino-Erfolge. 1973 entstand sein Franz-von-Assisi-Film «Bruder Sonne, Schwester Mond», der im Vatikan hitzige Reaktionen auslöste. 1977 verfilmte er mit einer Starbesetzung den TV-Vierteiler «Jesus von Nazareth".

Zu seinen Erfolgen zählt auch der Film «Der junge Toscanini» (1988) mit Elizabeth Taylor und Philippe Noiret. Die Geschichte seiner Kindheit im Rahmen einer Gruppe von Tanten und schrulligen englischen Ladies erzählte er im Film «Tee mit Mussolini» mit der amerikanischen Schauspielerin und Sängerin Cher.

«Ich bin kein Mystiker, ich bin ein Pragmatiker», sagte Zeffirelli einmal über sich. Religion und Ideologie seien seine Sache nicht. Aber das sollte sich ändern: Nach einem schweren Autounfall im Jahr 1969, bei dem die italienische Filmdiva Gina Lollobrigida am Steuer sass, fand er zu tiefer Frömmigkeit und zog entsprechend gegen die «Sexwelle» im italienischen Kino zu Felde.

Die grosse Vorliebe des Regisseurs blieben Opern, deren Inszenierung er sich ein Leben lang leidenschaftlich widmete. Nie sparte Zeffirelli mit Kritik an den Operndirektoren und -regisseuren. «Das einzige Ziel der Regisseure ist heute, sich auf egozentrische Weise selbst auszudrücken, ohne Rücksicht auf den echten Inhalt einer Oper. Ich glaube, dass man originell sein und zugleich das Werk eines Autors respektieren kann», sagte Zeffirelli. «Es tut mir sehr Leid, dass in den letzten 80 Jahren kein Musikgenie mehr zur Welt gekommen ist. Puccini ist 1924 gestorben und mit ihm die italienische Oper», fügte der Filmemacher hinzu.

An der Wiener Staatsoper gehören einige von Zeffirellis Inszenierungen zum fixen Inventar: Seine «La Boheme» aus 1963 wurde bereits 427 Mal gespielt, das nächste Mal Mitte März, seine «Carmen» aus dem Jahr 1978 erlebte 161 Vorstellungen, zuletzt in der Vorwoche, und der «Don Giovanni» hielt sich immerhin von 1972 bis 2005 im Repertoire.

Der Starregisseur war in Italien nicht nur wegen seiner Filme, sondern auch wegen seines politischen Engagements und seiner radikalen Aussagen bekannt. Zwei Mal wurde der politisch eher konservative Zeffirelli in den Reihen der Forza Italia, der Partei des Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, zum Parlamentarier gewählt. «Ich würde es aber nicht wieder machen», versicherte Zeffirelli, der ein guter Freund Berlusconis war.

Schon 1991 hatte er die arabische Kultur als «barbarisch, primitiv und gewalttätig» bezeichnet, was hitzige Reaktionen ausgelöst hatte. Der islamische Fundamentalismus richte «mehr Schaden an als die Nazis», meinte Zeffirelli. Zuletzt kritisierte er die Missstände in vielen Städten, darunter Rom. «Italien ist das schönste Land der Welt, voller wunderbarer Städte, die jedoch nicht genug gepflegt werden. Dieser Niedergang hat bereits in den 50er-Jahren mit dem Wirtschaftsboom begonnen, als schreckliche Dinge gebaut wurden. Wir verfügen über wunderbare Schätze, doch wir tun wirklich sehr wenig, um sie zu bewahren», kritisierte Zeffirelli.

Erst im April 2016 bestätigten Experten eine Vermutung, die schon lange über Zeffirellis Abstammung kursierte: Der Maestro war tatsächlich ein Nachfahre des Universalgenies Leonardo da Vinci (1452-1519). In Zeffirellis Familie war dies schon länger bekannt, hatte der Regisseur doch bereits 2007 anlässlich der Verleihung des «Premio Leonardo» erklärt: «Meine Familie, die Corsi, stammt unter anderem von Leonardo da Vinci ab.» Das Publikum lächelte und dachte, Zeffirelli mache einen Scherz.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Zeffirelli zurückgezogen. In den Fokus rückte er noch mal im Zuge der #MeToo-Debatte, in der ihn der US-amerikanische Schauspieler Johnathon Schaech mit schweren Vorwürfen konfrontierte. Die Behauptungen seien nicht wahr, teilte der Adoptivsohn Giuseppe Corsi mit. Zeffirellis Gesundheit liess es nicht mehr zu, sich selbst zu den Vorwürfen zu äussern.

Franco Zeffirelli starb in seiner Wahlheimat Rom. In der Villa auf der Via Appia Antica hat der Meister der italienischen Opernregie in Anwesenheit seiner Adoptivsöhne und seiner Hunde seine letzten Stunden verbracht. Bis zuletzt hat der gebürtige Florentiner gearbeitet: Am 21. Juni wird die kommende Opernsaison in der Arena von Verona mit der Verdi-Oper «La Traviata» in seiner Inszenierung eröffnet.

(SDA)

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