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So reagiert die Eventbranche auf den 1000er-Entscheid
«Es ist wie russisches Roulette»

Vertreter der Schweizer Eventbranche und Künstler erklären, was der Fall der 1000er-Grenze für sie bedeutet und wo weiterbestehende Probleme und Unsicherheiten liegen.
Publiziert: 12.08.2020 um 23:02 Uhr
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Aktualisiert: 22.01.2021 um 18:41 Uhr
Patricia Broder, Jean-Claude Galli, Katja Richard und Flavia Schlittler

Der Bundesrat hat entschieden: Ab Oktober sind in der Schweiz unter Auflagen wieder Grossveranstaltungen wie Fussballspiele oder Konzerte mit mehr als 1000 Personen möglich. Für die Eventbranche und die betroffenen Künstler löst dieser Entscheid nicht nur Freude aus. Denn jetzt wird die Planung von Grossanlässen erst recht zur Herausforderung.

Gotthard: «Für die Band wie auch die Crew und das Management ist dieses Jahr gelaufen», sagt Claudia Boogio (55), Promotionsmanagerin für Gotthard. «Der Entscheid des Bundesrats hat keinen Einfluss mehr. Der Veranstalter kann nicht so schnell reagieren, grosse Konzerte mit über 1000 Leuten brauchen viel mehr Vorlaufzeit, da ist eine ganze Infrastruktur, die hochgefahren werden muss. Hinzu kommt, dass es sich auch noch nicht einschätzen lässt, wie das Publikum reagiert. Kommen überhaupt genug Leute oder haben sie Angst? Sind sie gewillt, bei einem Konzert Maske zu tragen? Das lässt sich noch nicht einschätzen und erhöht so das Risiko des finanziellen Verlustes noch mehr.»

Géraldine Knie, Künstlerische Direktorin des Circus Knie (46): «Wir sind dankbar, dass wir am 4. September mit 1000 Personen starten können. Natürlich hoffen wir, dass wir ab Oktober dann noch vor einem grösseren Publikum spielen dürfen. Uns hat der tägliche Zirkus-Alltag sehr gefehlt, und wir freuen uns umso mehr auf den Start in Bern – und auf unser treues Publikum. Unser Ziel ist es, mit unserem Programm Freude zu schenken und Emotionen zu wecken. Wir werden damit den Besuchern – auch unter den Masken – bestimmt ein riesiges Lächeln aufs Gesicht zaubern können. Ich freue mich auf viele strahlende Augen.»

Der Fall der 1000er-Grenze hat für Gotthard keinen Einfluss: «Für die Band wie auch die Crew und das Management ist dieses Jahr gelaufen», sagt Claudia Boogio (55), Promotionsmanagerin für Gotthard. «Grosse Konzerte mit über 1000 Leuten brauchen viel mehr Vorlaufzeit.»
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Stefan Wyss (40), Partner Gadget abc Entertainment Group
«Kultur gehört zum Leben. Wir begrüssen daher den Entscheid des Bundesrates. Als gesamtschweizerischer Veranstalter fordern wir die Kantone und den Bund dazu auf, schnellstmöglich Klarheit zu schaffen und die Veranstaltungsbranche in die Entwicklung von Schutzkonzepten einzubeziehen. Es braucht ein griffiges Bewilligungsverfahren und eine einheitliche Umsetzung. Die Gesundheit steht an oberster Stelle. Daher werden wir den Besuchern sichere Veranstaltungen bieten.»

Monika Kaelin (65), Präsidentin Show Szene Schweiz und Produzentin Prix Walo: «Anlässe für über 1000 Personen im kulturellen Bereich zuzulassen, ist wie russisches Roulette zu spielen. Wer weiss denn, wie die Fallzahlen im Oktober sein werden? Solange es keine Impfung gegen das Coronavirus gibt, werden wir keine Veranstaltungen durchführen. Dieses Jahr ist von meiner Seite her gelaufen. Bei all den Sicherheitsvorkehrungen geht der Spassfaktor komplett verloren. Hoffen wir, dass es bald ein Mittel gegen Corona gibt.»

Divertimento: Das Management des Comedian-Duos ist mässig begeistert vom Entscheid des Bundesrates. Philipp Schweiger (52): «Für uns ist es unglücklich, dass es keine einheitliche Regelung für die ganze Schweiz gibt. Es ist ein enormer Aufwand, wenn wir die Tournee für jeden Kanton einzeln planen müssen. Aber natürlich begrüssen wir es sehr, dass wir ab Mitte Oktober wieder starten können, Manu und Jonny freuen sich enorm aufs Publikum.»

Marcel Theiler (39), Mediensprecher von Freddy Burger Management:
«Es stimmt uns positiv, dass erste Lockerungen im Bereich der Grossveranstaltungen beschlossen wurden. Wir von Freddy Burger Management fungieren grösstenteils als Veranstalter von internationalen Produktionen. Wann diese länderübergreifende Tourneen wieder stattfinden, kann aktuell noch nicht abgeschätzt werden. Als Betreiber der beiden Spielstätten Theater 11 Zürich und Musical Theater Basel werden wir selbstverständlich die erforderlichen Massnahmen für die Umsetzung der Schutzkonzepte prüfen und freuen uns, wenn demnächst wieder Aufführungen stattfinden können.»

Andreas Angehrn (54), CEO Ticketcorner: «Die angekündigte Lockerung ist für die Entertainment- und Sportbranche ein erster Lichtblick. Ob die Vorschriften, die der Bund und die Kantone nun gemeinsam erarbeiten, eine wirtschaftlich sinnvolle Durchführung von Events wieder zulassen, wird sich zeigen. Ticketcorner hat in den vergangenen Wochen intensiv an Lösungen gearbeitet, damit die Sicherheitsauflagen und das Contact Tracing erfüllt werden können.»

Francine Jordi (43), Schlagersängerin: «Ich erachte den Entscheid als einen Hoffnungsschimmer am Horizont und hoffe, dass so wieder mehr Bewegung in unser kulturelles Leben kommt. Aber die Umsetzung der Auflagen für Konzerte ist und bleibt sehr schwierig und bedeutet eine extreme Herausforderung für Künstler und Veranstalter.»

Zurich Film Festival, Christian Jungen (47), künstlerischer Direktor: «Wir vom Zurich Film Festival sind überzeugt, dass das öffentliche und kulturelle Leben weitergehen muss und dass wir unter Einhaltung von Schutzkonzepten lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Der Reichtum des Menschen sind schliesslich seine Mitmenschen. Uns betrifft der Entscheid aber nicht direkt, da das grösste Kino, das Corso 1, 720 Plätze zählt und wir ohnehin keine Vorstellungen mit mehr als 1000 Besuchern haben. Trotz der Lockerung wollen wir angesichts des medizinischen Bulletins keine Partys mit DJs und tanzenden Menschenmassen organisieren. Wir setzen im Rahmenprogramm auf gepflegte Soirées, bei denen wir die Kontakte zurück verfolgen können.»

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