Zuger Amoklauf als Doku-Drama verfilmt
SRF zeigt alles – ausser den Täter!

Am 12. September kommt das Attentat von Zug im Vorfeld zum 20. Jahrestag in der Reihe «Es geschah am...» nach mehreren vergeblichen Anläufen doch noch im Schweizer Fernsehen. Das Dokudrama mit nachgestellten Szenen und Interviews zollt dem heiklen Thema würdig Tribut.
Publiziert: 05.09.2021 um 12:50 Uhr
Jean-Claude Galli

Ähnlich wie bei 9/11 wissen die meisten Schweizer, wo sie am 27. September 2001 waren. Zum 20. Jahrestag des Attentates auf den Zuger Kantonsrat mit 14 Todesopfern zeigt das Schweizer Fernsehen das erschütternde Ereignis am kommenden Sonntag zur besten Sendezeit. Wer einen Spielfilm mit dem Zusatz «nach wahren Begebenheiten» erwartet, wird aber enttäuscht. Der Fall Zug läuft in der Reihe «Es geschah am ...» als Dokudrama mit nachgestellten Szenen und Interviews mit Augenzeugen und Angehörigen.

Aus guten Gründen, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Ein unmittelbar nach der Tat lanciertes Spielfilmprojekt hatten SRF und Bundesamt für Kultur BAK mit 40'000 Franken unterstützt. Doch der Zuger Regierungsrat intervenierte beim damaligen SRG-Direktor Armin Walpen (72). «Wir bitten Sie höflich, von der Realisierung eines derartigen Spielfilmes während mindestens zehn Jahren abzusehen.» Doch hinter den Kulissen gingen die Arbeiten weiter und ein Drehbuch entstand, welches vom BAK mit weiteren 500'000 Franken gefördert wurde. Mittlerweile hatte die Stimmung beim SRF gedreht. Man sorgte sich, dem Attentäter posthum eine Plattform zu bieten. Auch ein weiterer Anlauf von Zodiac Pictures scheiterte 2010 – das SRF führte «Bedenken grundsätzlicher Natur» an.

«Die Befindlichkeiten sind anders geworden»

Im Vorfeld des nahenden Jahrestages überdachte das SRF die Situation. «Mit einer Distanz von 20 Jahren sind die Befindlichkeiten anders geworden», sagt Produzent Rolf Elsener (46). Im Frühling 2020 präsentierte er der Zuger Regierung sein Vorhaben mit der Einbettung in die Reihe «Es geschah am ...». Das Gremium teilte ihm mit, dass von seiner Seite keine Widerstände mehr zu erwarten seien.

Der Polizeieinsatz nach dem Zuger Attentat wurde im Studio inszeniert. Die Tat an sich wird im SRF-Film nicht gezeigt. Im Bild die von Schauspielern verkörperte Sondereinheit Luchs.
Foto: SRF
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Für Elsener und Regisseur Daniel von Aarburg (56) war von Beginn weg klar: «Wir zeigen die Tat nicht, und wir nennen den Täter nicht. Wir wollten ihm kein Gesicht geben, um die Würde der Angehörigen zu schützen.» Elsener ist überzeugt, dass die Tat mit filmischen Mitteln nicht erklärbar ist. «Wir haben uns darauf konzentriert zu zeigen, was sie bei den Betroffenen ausgelöst hat.» Beim Kontaktieren von Angehörigen sei man nicht generell auf Abwehr, aber auch nicht immer auf offene Türen gestossen. «Zuerst musste gegenseitig Vertrauen aufgebaut werden. Wir haben auch nicht mit allen gesprochen, das hätte den Rahmen gesprengt.»

Wie die Auswahl der Personen getroffen wurde, war Ermessenssache der Macher. Wie SonntagsBlick weiss, fühlten sich einzelne Involvierte übergangen – auch weil sie im Vorfeld nicht informiert wurden. Einen intensiven Kontakt gab es zur Familie von Kantonsrat und Opfer Karl Gretener (†40). «Nach langer Diskussion entschieden sich seine Ehefrau Annemarie und seine Kinder fürs Mitmachen und nahmen sich sehr viel Zeit.» Ebenfalls zu Wort kommt der damalige Kantonsrat Josef Lang (67).

Die spezielle Rolle der Katholischen Kirche

Nebst Politikern sind hochrangige Polizisten zu sehen – so der damalige Leiter der Sondereinheit Luchs und der stellvertretende Kommandant. Der langjährige Dekan Alfredo Sacchi (77) vertritt die Katholische Kirche. Bei den Angehörigen war diese mit ihrem Verhalten wenig populär. Streitpunkt war, dass die Kirchenoberen beim Gedenkgottesdienst auch eine fünfzehnte Kerze für den Täter entzünden wollten. Das hätte zu einem Tumult geführt. Schliesslich bewies der damalige Bischof Kurt Koch (71) Fingerspitzengefühl und übergab Sacchi die Kerze zur Verwahrung.

Die Tat wird 20 Jahre später mit kaum verminderter Emotionalität aufgenommen – das war den Filmemachern klar. «Es gibt eine Szene, in der man den Täter-Darsteller von hinten sieht, wie er auf den Kantonsratssaal zugeht. Wir wussten sofort, dass wir dies nicht am Originalschauplatz drehen konnten. Rundherum hat es Verwaltungsgebäude mit Menschen, die 2001 gleichfalls dort waren. Kaum auszudenken, was der Anblick dieser Nachstellung bei ihnen ausgelöst hätte.»

Elsener glaubt, einen gangbaren Weg für eine filmische Umsetzung gefunden zu haben. «Bei der Vorpremiere für die Protagonisten wurde uns attestiert, wir hätten dieses schwierige Thema respektvoll und in keinster Weise reisserisch umgesetzt. Damit ist sehr viel von dem erfüllt, was wir uns für unsere Arbeit vorgenommen haben.»


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