Willes Weg an die Spitze
Sie soll die Halbierungs-Initiative bodigen

Susanne Wille ist am Samstag in Bern zur neuen SRG-Generaldirektorin gewählt worden. Was zeichnet die frühere News-Journalistin und -Moderatorin und heutige SRF-Kulturchefin aus? Und welches sind ihre Schwachpunkte?
Publiziert: 25.05.2024 um 13:07 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2024 um 19:43 Uhr
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Jean-Claude GalliRedaktor People

Nun ist es gewiss: Susanne Wille (50) tritt nach dem Delegierten-Entscheid von heute Mittag die Nachfolge von Gilles Marchand (62) als SRG-Generaldirektorin an. Die Wahl kommt nicht überraschend. Wille wurde schon im Vorfeld als Topfavoritin gehandelt, während sich andere Figuren wie Nathalie Wappler (56) selber aus dem Rennen nahmen oder wie Bakel Walden (48) bloss ins Spiel gebracht wurden, um das Feld zu vernebeln.

Doch Wille kann jetzt nicht direkt die nötige Weiterentwicklung des Hauses angehen, sondern muss zuerst die Halbierungs-Initiative bodigen. Und ist selbst bei einem für die SRG positiven Entscheid trotzdem gezwungen, weiter einen harten Sparkurs zu fahren, weil die Werbegelder nicht mehr wie früher sprudeln.

Telegen, präsent und hellwach

Ihr traut man diese Mammutaufgabe also am ehesten zu. Aus verständlichen Gründen, denn ihre Qualitäten sind zahlreich.

Susanne Wille wurde von den Delegierten der SRG zur neuen Generaldirektorin gewählt.
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Da ist erstens ihre positive Bekanntheit als Moderatorin der SRF-News-Formate «10 vor 10» und «Rundschau». Wille war Bundeshaus-Korrespondentin und führte durch Wahl-Sondersendungen. Sie kennt den Parlamentsbetrieb und die entscheidenden Player. Und sie weiss, wie sie die Anliegen der SRG in einer TV-Debatte verkaufen kann. Sie ist stets hellwach und präsent, hat Sinn für mediale Optik und ein Gespür für den richtigen Auftritt inklusive Tempo und Tonalität.

Es ist nicht übertrieben: Mit ihrem Mann, dem früheren «Tagesschau»-Moderator Franz Fischlin (61), verkörperte Wille über Jahre hinweg das gute News-Gewissen bei SRF. Jedoch wirkten die beiden nie wie ein Glamourpaar, sondern auch dank dreier gemeinsamer Kinder durchaus geerdet.

Susanne Willes tränenreicher Abschied bei «10vor10»
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Nach 20 Jahren als Moderatorin:Susanne Willes tränenreicher Abschied bei «10vor10»

Schon früh eingespurt

Dass sie eine Frau mit beträchtlichem Abstand zum Pensionsalter ist, schadet nach den bleiernen Marchand-Jahren nicht. Und trotz städtisch wirkenden Drives erreicht die gebürtige Aargauerin, aufgewachsen in Villmergen im Freiamt als mittleres von drei Kindern in einem Lehrerhaushalt, ebenso ländliche Kreise.

1996 erlangte Wille die Matura und studierte in Freiburg, Zürich und Edinburgh Geschichte, Anglistik und Journalistik. Das Studium verdiente sie sich als Flugbegleiterin bei der Swissair und Journalistin bei der «Aargauer Zeitung». 1999 debütierte sie bei Tele M1 im TV-Geschäft, 2001 wechselte sie zu SRF. Journalistin werden wollte sie schon als Zwölfjährige.

Willes Schwachstellen

Zweifellos beherrscht Wille kritischen Journalismus. Doch kann auch sie kritische Voten annehmen? Selbst wenn sie heftig sind und – in hitzigen Wahldebatten möglich – auf ihre Person zielen? Bisher hat sie die Fragen gestellt. Diesen Rollenwechsel muss sie erst in den Griff kriegen. Über den nötigen Ehrgeiz verfügt sie allemal.

Ist Susanne Wille zu genau? Immer wieder werden ihre akribische Vorbereitung und ihr Perfektionsanspruch gerühmt. Frühere Mitschüler und -studenten erinnern sich daran, dass dieser Drang manchmal auch verbissen, streberhaft oder gar leicht manisch wirkte und sie sich nicht mehr von Details habe lösen können.

Kann sie einen grösseren «Laden» führen? SRF Kultur umfasst etwas über 300 Mitarbeitende, die SRG rund das 20-Fache. Das sind zwei sehr verschiedene Schuhnummern. Allerdings ist im neuen Amt auch die Führungsspitze breiter. Ende 2023 schloss Wille zusätzlich ihre MBA-Management-Ausbildung ab.

Die richtigen Fragen stellen

Wie ist ihr Ausweis als Kulturchefin? Regelmässig wird sie als Urheberin von TV-Serien-Erfolgen wie «Tschugger» oder «Davos 1917» genannt, die aber alle vor ihrer Amtszeit angestossen wurden. Und zuletzt kassierte sie in diesem Bereich mit «Mindblow» einen veritablen Flop.

Wille habe kaum Ahnung von Drehbüchern und dem Schauspielgeschäft, wurde bei ihrem Amtsantritt im Sommer 2020 moniert. Was sie auch nicht zwingend musste – sondern jemanden zur Hand haben, der dies beherrscht (Bettina Alber und Baptiste Planche), und die guten Leute passend einsetzen. Und sie sollte die richtigen Fragen stellen. Was sie offenbar zur Genüge machte.

Zudem besteht die Kulturabteilung bei weitem nicht nur aus dem Seriengeschäft. Für Unruhe sorgte die Reorganisation von 2021, bei der jedes neu formierte Team einen Angebotsverantwortlichen und einen Teamcoach erhielt. Noch mehr Häuptlinge, noch komplizierter, lautete damals der Tenor der Nörgler.

Schnelles Umschalten gefragt

Dass für die Marchand-Nachfolge schlussendlich keine SRG- und SRF-externe Figur ernsthaft in Erwägung kam, kann Wille egal sein. Zu stark wog wohl die Angst, ein Aussenstehender wie der von Insidern genannte frühere CH-Media-TV-Chef Roger Elsener (46) könnte die Bude zünftig auf den Kopf stellen und womöglich etwas im Keller finden. Wille verfügt über eine exakte Innensicht. Die Aussenperspektive und Spiegelung wird sie zwingend holen müssen.

Entscheidend ist, wie schnell Wille jetzt umschalten kann und von der Abteilungsleiterin zur «Chefin supreme» und Galionsfigur wird. Vor der No-Billag-Abstimmung 2018 sagte sie: «Natürlich habe ich Respekt vor der Vorlage, denn bei der Abstimmung geht es um alles. Aber wir bei SRF stehen in der Pflicht, wir müssen reden mit unseren Zuschauern, müssen zeigen, wie wir arbeiten.» Diese Aussage ist noch gültiger geworden.

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