Walter Andreas Müller
«Ich gehe in Schwulen-Bars aber nur in New York. In der Schweiz trau ich mich nicht»

Im SonntagsBlick Interview verrät Walter Andreas Müller, dass er mit dem, was er erreicht hat happy ist und obwohl er New York liebt, keine Lust hat auszuwandern.
Publiziert: 01.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:26 Uhr
Einer der vielseitigsten Schauspieler: Walter Andreas Müller.
Foto: Siggi Bucher
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Interview: Tom Wyss; Foto: Siggi Bucher

Ein Mann im Unruhestand! Walter Andreas Müller feiert dieses Jahr seinen 70. Geburtstag. Doch an Rente denkt der quirlige Tausendsassa noch lange nicht. Derzeit steht WAM als Fürst Populescu im Musical «Gräfin Mariza» in St. Gallen auf der Bühne, hat soeben ein neues Globi- Hörspiel gesprochen und ist regelmässig im TV zu sehen – heute Abend in «Giacobbo/Müller» als Parodist.

SonntagsBlick: Keinen Bammel vor der 70?
Walter Andreas Müller:
Äusserlich nicht, es geht mir gesundheitlich gut. Aber innerlich beschäftigt es mich, wie schnell die Zeit vergeht. Ich muss derzeit wieder öfter daran denken, was mir Anfang Karriere durch den Kopf ging. Während ­eines meiner ersten Engagements in Bielefeld lief ich durch die Strassen und überlegte mir, wo ich mit 70 stehen werde: Bin ich dann in Hollywood? An einem grossen Haus in Berlin? Oder an einem kleinen Stadttheater in der Provinz? Nur an die Karriere, die ich dann machen sollte, dachte ich nicht.

Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?
Ja, ich bin happy. Ich finde, ich habe mir in der Schweiz mein kleines Gärtli erarbeitet, das ich pflege und dafür sogar Lob bekomme. Etwas vergleichbar Vielseitiges hätte ich in Deutschland nicht machen können. Aber man darf nicht das Gefühl haben, man sei ein Weltstar. Ich bin nicht Bruno Ganz.

Aber Sie gehören in der Schweiz zu den bekanntesten Gesichtern.
Das schätze ich auch sehr. Jedem Schauspieler, der sagt, er fände es grauenvoll, dass er angesprochen werde am Bahnhof, entgegne ich: Hallo, warum machst denn diesen Beruf? Das gehört dazu. Ich wäre irritiert, wenn mich plötzlich niemand mehr erkennen würde.

Angst vor dem verblassenden Ruhm?
Sicher. Manchmal wurmt es mich jetzt schon. Zum Beispiel wenn junge Leute auf mich zukommen und sagen: Gell, Sie sind pensioniert? Machen Sie eigentlich noch was? Das nervt mich total! Ich finde, ich mache immer noch extrem viel.

Wie lange wollen Sie weitermachen?
Mein Wunsch ist es, dass es mir geht wie Stephanie Glaser. Dass ich auch mit weit über 80 noch so fit bin, wie sie es war. Und natürlich wäre eine schöne, grosse Kino-Rolle toll.

Seine verpasste Kinokarriere ist das Einzige, womit WAM im Karriererückblick hadert. Auf der grossen Leinwand hat es für ihn nur für zwei Auftritte gereicht, in den Low-Budget-Produktionen «Tyfelstei» und in «Himmelfahrtskommando.»

Warum wurde Ihnen nie eine Hauptrolle angeboten?
Ich weiss es nicht. Vermutlich hat es damit zu tun, dass ich zu wenig Klinken putzen ging bei den Produzenten und zu wenig Hof hielt etwa an den Solothurner Filmtagen. Aber ich bin auch ein spezieller Typ. Ich bin nicht Mathias Gnädinger, der Felsbrocken, der den Gemeindepräsidenten spielen kann, und bin auch kein Casanova-Typ wie Pasquale Aleardi. Ich bin nicht leicht zu besetzen.

Ist auch Ihre Karriere als Parodist schuld?
Das ist sicher ein wichtiger Punkt. Ich hörte zum Teil, ich sei als WAM nicht glaubwürdig, weil ich so bekannt bin als Imitator von Blocher oder Leuenberger – und die Zuschauer würden bei mir immer die Figuren dahinter sehen. 

Tut das weh?
Ja, absolut. Offenbar fehlt den Produzenten der Mut, über ihren Schatten zu springen. Vielleicht hat es sich gerächt, dass ich meine Karriere so breitgefächert fuhr. Ich bin die Globi-Stimme, Radiomoderator, Bühnenschauspieler, mache Hörspiele und Parodien – das hat bei gewissen Leuten den Effekt ausgelöst: Er kann viel, aber nichts richtig. Aber ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.

Was ist anders als mit 50?
Ich habe heute nicht mehr den Ehrgeiz wie früher, als ich fand, wenn ich nicht sagen kann, dass ich mindestens drei Produktionen pro Jahr mache, dann ist die Karriere vorbei. Das ist mir heute egal. Ich lehne heute sehr viele Sachen ab. Und ich gönne mir mittlerweile mehr Ferien.

Seine neu gewonnene Freizeit verbringt der Schauspieler am liebsten auf Reisen. Entweder verreist er mit seinem Partner, mit dem er seit fast 30 Jahren zusammen ist und mit dem er in einem Erdhaus im Zürcher Oberland lebt. Zwischendurch gönnt sich WAM aber auch Auszeiten für sich allein – am liebsten in New York.

Warum gerade New York?
Das ist so etwas wie meine zweite Heimat geworden. Ich liebe diese Stadt heiss, gehe jeden Abend an den Broadway in ein Musical oder auswärts essen – die Wirte kennen mich zum Teil sogar mit Namen. Und ich besuche auch ab und zu Gay-Bars. Das ist total lässig. In der Schweiz habe ich eine Scheu davor, aber in New York kennt mich niemand und ich geniesse es, neue Leute kennenzulernen. Es sind mittlerweile einige gute Freundschaften daraus entstanden.

Keine Lust, auszuwandern?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber ein paar Wunschreiseziele habe ich noch. Ich würde gerne nach Japan, Südafrika, nach Kuba oder Südamerika reisen. Es wäre toll, wenn ich das noch erleben dürfte.

Walter Andreas Müller blickt trotz guter Gesundheit nicht ganz frei von Sorgen in die Zukunft: Sein Vater erkrankte im Alter von 65 Jahren an Demenz. Ein einschneidendes Erlebnis für den Zürcher Schauspieler.

Was hat das in Ihnen ausgelöst?
Ich leide seit dieser Zeit unter einer extremen Angst vor Krankheiten.

Wie macht sich das bemerkbar?
Zum Beispiel, wenn ich etwas vergesse im Alltag oder auf der Bühne einen Hänger habe. Dann denke ich, jetzt fängt das an, nun kommen die Gene des Vaters zum Vorschein. Kürzlich fürchtete ich mich zudem davor, Hodenkrebs zu haben: Ich musste einen doppelten Leistenbruch operieren und danach hatte ich Blutergüsse. Zum Glück verheilte danach alles rasch.

Haben Sie Angst vor dem Tod?
Ich fand noch nicht heraus, ob ich Angst habe davor – und auch nicht, wie ich mir den Tod vorstelle. Ich hoffe einzig, dass ich eines Abends ins Bett gehe und morgens nicht mehr aufwache und nicht lange leiden muss.

Sind Sie deshalb Mitglied bei Exit?
Ja, weil ich niemandem zur Last fallen möchte. Ob ich dereinst denn Mut haben werde, diesen Schritt zu tun und einfach mit ­einem Drink Schluss zu machen mit dem Leben, weiss ich aber noch nicht.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Sagen wir es so: Ich hoffe schwer, dass es in irgendeiner Form weitergeht. Es ist eine seltsame Vorstellung, dass wir jetzt hier bei diesem Interview sitzen und reden – und später dann gibt es einen Klapf und alles ist ausgelöscht. Das mag ich mir einfach nicht vorstellen.

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