Volkmusik-Star Dr Eidgenoss (36) ist ein bunter Vogel
«Man hat mich für den Bachelor angefragt»

Da juchzt das Herz: Der Nidwaldner Volksmusiker Dr Eidgenoss, mit bürgerlichem Namen Urs Fischer (36), ist das farbige Enfant terrible unter den Jodlern. Erstmals bricht er sein Schweigen und redet über Politik, Sex und seine Absage beim «Bachelor».
Publiziert: 10.01.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 19:47 Uhr
Peter Padrutt (Text), Philippe Rossier (Fotos)

BLICK: Mal im Chutteli, mal im Anzug. Dann ganz der Freak. Welcher auf diesen Bildern ist der richtige Eidgenoss?
Dr Eidgenoss:
Ich bin ein bisschen alles. Ich probiere mich gerne aus. Aber das Örgeli und die Nidwaldner-Tracht passen am besten zu mir. 

Sie wirken gar nicht wie ein Volksmusiker. Eher wie ein Popstar.Ich höre oft, dass ich ein sehr spezieller Typ sei. Das sehe ich als Kompliment. Aber ich fühle mich ganz normal. Manchmal habe ich ein bisschen einen sturen Kopf. Wenn mir etwas nicht passt, dann widersetze ich mich.

Hören Sie eigentlich auch andere Musik?
Auf jeden Fall, die ganze Bandbreite von Foo Fighters, Krokus über Patent Ochsner bis hin zum Volks-Rock-'n'-Roller Andreas Gabalier.

Unter den Jodlern gilt Dr Eigenoss als Enfant terrible.
Foto: Philippe Rossier
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Wegen Ihres Schopfs raufen sich viele Traditionalisten sicher die Haare. Wer ist Ihr Coiffeur?
Ich bin mein eigener. Auch den Bart schneide ich selber. Er wächst jetzt seit vier Jahren. Langsam kriege ich ein Gefühl für die Form. Ich schau schnell in den Spiegel, sehe, wenn ein paar Härchen zu lange sind. Und schon sind sie weg.

Aber bleiben die Älpler-Magronen nicht im Bart stecken?
Die Gipfeli sind eher ein Problem. Die Brösmeli verfangen sich schnell.

Leben Sie vegan?
(lacht) Okay, viele halten mich für einen Hipster. Bin ich aber nicht. Ich mag die ländliche Küche. Aber gesund muss das Essen schon sein. Meine Mutter hat 16 Gartenbeete. Von ihr bekomme ich immer frisches Gemüse.

Ihre Mutter jodelt mit Ihnen auf der Bühne. Sie sind sehr oft zusammen. Gibt es nie Streit?
Sie ist ein Sonnenschein. Ihre Stimme passt perfekt zu meiner. Sie ist eine Frau, die viel mehr gibt, als sie nimmt. Einfach wundervoll. Streit? Manchmal kann ich ein Bengeli sein (lacht). Aber sie verzeiht mir immer.

Eine eigene TV-Show – wäre das nicht etwas für Sie?
Ich stehe unglaublich gern auf der Bühne und unterhalte die Menschen. Darum will ich es nicht ausschliessen. Aber es müsste eine Sendung sein, in der man mich nicht in eine künstliche Rolle versetzt. Ich wurde für die letzte Staffel des «Bachelors» angefragt. Aber das passt nicht zu mir. Ich kann vor der Kamera nicht auf Kommando Frauen küssen und vorgeschriebene Sätzchen aufsagen. 

Wie wichtig ist Sex im Leben?
Sehr wichtig. Ohne Sex kein Leben.

Sind Volksmusiker leidenschaftlicher im Bett?
Sie sind eher sensibel und ja, vielleicht feinfühliger. Aber leidenschaftlicher? Ich weiss es nicht. Ich selber bin sehr leidenschaftlich.

Ist Küssen auf einem Heuhaufen schöner?
Wenn das Herz dabei ist, ist Küssen überall schön.

Leben Sie eigentlich in einer Beziehung?
So vielseitig ich als Musiker bin, so vielseitig sind meine Beziehungen.

Was muss stimmen, damit eine Liebe hält?
Diese Frage kann ich vielleicht in 50 Jahren beantworten.

Wenn man so eine grosse Nähe zur Mutter hat, wird da eine Beziehung zu einer anderen Person nicht schwierig?
Überhaupt nicht. Denn was gibt es Wertvolleres, als in einer intakten Familie mit der grossen Liebe und Wertschätzung der Mutter aufwachsen und leben zu dürfen?

Soeben ist Ihr drittes Album «Freiheit» erschienen. Wie wichtig ist Freiheit für Sie?
Sehr wichtig. Ich bin mir sicher: Auf der CD hört man viel davon. Ich lade die Zuhörer mit meinen selbst komponierten Liedern auf eine spannende Reise zu meinem Inneren ein, in meine persönliche Welt der Volksmusik, Poesie und Philosophie. Mit viel Schwyzerörgeli, Alphorn, Büchel, Akkordeon, Jodel und Gesang. 

Und persönlich?
Wenn ich nicht mehr frei bin, kommen Ängste in mir hoch. Dann fühle ich mich in einem Käfig. Dann verschwindet die Kreativität. Mit einem freien Herzen und guten Gefühlen entstehen die besten Lieder.

Sie nennen sich Dr Eidgenoss. Steckt dahinter eine Botschaft?
Nein, ich stehe einfach zu unseren wunderbaren Brauchtümern. Es gibt in vielen kulturellen Bereichen Eidgenossen: im Schwingen, beim Fahnenschwingen. Und ich versuche, den musikalischen Teil abzudecken. Indem ich nebst dem Spielen verschiedener Instrumente jodle, juchze und löffle. Und Freude bereite.

Wo stehen Sie politisch?
Ich bin konservativ katholisch aufgewachsen. Und ich lebe auch in dieser Tradition. Aber gehöre keiner Partei an.

Was gefällt Ihnen an der Schweiz?
Die Berge, Landschaften, die vielen Sprachen und Dialekte. Ich mag den Schweizer, auch wenn er manchmal etwas schwierig und verknorzt ist.

Und was vermissen Sie an der Schweiz?
Manchmal eine gewisse Offenheit. Oft werden Leute in eine Ecke gestellt. Und bei der Begrüssung könnten die Schweizer manchmal etwas herzlicher sein. Oft passen sich die Schweizer auch zu sehr an, wagen nicht zu widersprechen.

Wie viele Flüchtlinge soll die Schweiz aufnehmen?
Für Menschen in Not habe ich als Christ immer ein Herz. Egal ob es Schweizer oder Ausländer sind. Wenn Bomben auf Kinder fliegen, dann kann man nicht wegschauen, das liegt auch in unserer Verantwortung. Das bedrückt mich. Aber wie viele Ausländer wir aufnehmen sollen, müssen Leute entscheiden, die das besser beurteilen können. Sollen wir näher zu Europa rücken oder uns entfernen?

Sie haben ein Herz für Fremde?
Ich reise viel und gern. Vor allem nach Asien. Kürzlich war ich in China. Da habe ich etwas Rührendes erlebt: Ich betrat eine Schulklasse. Kleine Mädchen sassen am Boden, sangen mein Lied «Ich mecht diär Dankä sägä» auf Schwyzerdütsch und tanzten dazu. Ich war den Tränen nahe.

Möchten Sie einmal eine Familie gründen?
Ja unbedingt, ich liebe Kinder und bin ein Familienmensch. Und bisschen bin ich selber noch ein Kind.

Wären Sie ein strenger Vater?
Ich glaube nicht. Aber Grenzen muss man ihnen aufzeigen. Das ist sehr schwierig für ein Vaterherz. 

Sie stehen allein mit dem Örgeli auf der Bühne  – und das Volk juchzt. Warum funktioniert das?
Das liegt an der Einfachheit meiner Musik. Das hört man auch auf der CD «Freiheit». Ich schreibe Melodien und Texte, die sofort ins Ohr gehen. Wenn man Lieder mit einem pompösen Orchester ausschmückt, kann etwas verloren gehen. Meine Lieder verlangen umgekehrt, dass man sich auf sie einlässt, eine Verbindung mit mir eingeht. So entsteht aber etwas Grosses, eine tiefe Intimität. Und das Gefühl von Freiheit.

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