Sepp Trütsch ist 75 Jahre alt
Der Volksmusikpapst hat seinen Nachlass geregelt

Die Moderationslegende ist beruflich und privat weit gereist, aber verankert ist er stets bei Ehefrau Ida in Schwyz geblieben. Anlässlich seines 75. Geburtstags reflektiert der Volksmusik-Papst über sein Leben und den Preis einer erfolgreichen Karriere.
Publiziert: 26.05.2024 um 15:08 Uhr
Aurelia Robles, GlücksPost
Glückspost

Adrett gekleidet mit Weston und Gilet sitzt Sepp Trütsch im Café Haug in Schwyz. «Ich bin ein typischer Schwyzer, habe den Dorfkern, den Mythen gerne, kann wandern, machen und tun», sagt der Volksmusik-Papst. «Je mehr ich um die Welt gereist bin, desto mehr schätzte ich es, einen Ort zu haben, der Heimat bedeutet.» Soeben ist der ehemalige «Grand Prix der Volksmusik»-Kultmoderator und -Miterfinder mit seiner Frau Ida (74) im Piemont gewesen. In Frankreich hatten sie früher eine Wohnung. Dieses Jahr sind sie 55 Jahre verheiratet, in diesen Tagen feiert er zudem seinen 75. Geburtstag.

Glückspost: Welchen Wunsch haben Sie zum Geburtstag?
Sepp Trütsch: Ich will mit meiner Frau noch einmal die Lofoten-Inseln in Norwegen anschauen, sie war noch nie dort. Mit dem Schiff hinauf, das Auto mitnehmen und dann retourfahren. Auch möchte ich gerne mal mit einem Eisbrecher unterwegs sein. Das hätte ich noch vor und wäre ein Wunsch auf den 75.

Sie sagten mal, dass Sie nur noch das machen, was Spass macht.
Ja, das ist natürlich eine Befreiung. Früher spürte ich etliche Zwänge, musste auch Ja zur anderen Seite der Popularität sagen, an Anlässen auftauchen und Einladungen annehmen, an die ich lieber nicht wäre.

Sepp Trütsch ist beruflich und privat weit gereist (hier in Japan, Tokio), doch seine Wurzeln blieben stets bei seiner Ehefrau Ida in Schwyz.
Foto: Zvg
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Was macht Ihnen heute Spass?
Wenn ich mit Ida mit dem Auto unterwegs bin. Manchmal fahren wir einfach los und entscheiden spontan, wo wir übernachten. Meine Frau fährt und ich dokumentiere mit der Kamera unsere Reisen. Ich bin ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf und bezüglich Technologie auf dem neuesten Stand. Das kommt noch vom Fernseh-Machen.

Früher waren Sie in Ihrer Ehe durch den Beruf der «grosse Abwesende». Wie ist es nun, so viel Zweisamkeit zu haben?
Da wir nie aufeinander hockten, haben wir beide noch heute unterschiedliche Freunde. Ich bin in diversen Clubs, wie dem Lions Club Rigi oder in der 100-Kilo-Zunft Luzern. Da gibt es auch mal einen Jass oder ich gehe mal zwei Tage fort. Oder meine Frau verreist mit ihren Freundinnen. Es ist ganz wichtig in einer Beziehung, dass man einander Freiheiten lässt. Man sollte sich nicht aneinander krallen, sodass keiner mehr einen Schritt alleine machen kann.

Wie schafft man es, 55 Jahre verheiratet zu sein?
Wir sassen schon im gleichen Klassenzimmer. Zu Beginn unserer Beziehung mussten wir kämpfen, denn ich war nicht auf Rosen gebettet. Wir haben unser Leben gemeinsam geschaffen. Meine Frau war Buchhalterin und somit die Innenministerin unserer Familie, und ich amtete als Aussenminister. Als dieser war ich wirklich oft weg. Das Schlimmste für mich war, dass ich wegen der Arbeit nicht an die Firmung meines Juniors gehen konnte.

Bereuen Sie das?
Ja, das tat mir leid. Aber das waren die Zwänge. Ich musste einen Umzug moderieren und konnte nicht Nein sagen. Was ich wirklich bereue, ist, dass ich von den Kindern in ihren jungen Jahren relativ wenig hatte. Ich war stets irgendwo auf Tour. Mir war damals nicht bewusst, wie schnell die Zeit vergeht, ich funktionierte einfach. Erst mit den Jahren erkennt man, was man verpasst hat.

Wie ist die Beziehung zu den Kindern heute?
Eng. Durch den schweren Autounfall, den unsere Tochter Angela 1992 hatte, wurde unsere Beziehung noch tiefer. Wenn das Wetter hält, gehe ich noch heute mit ihr eine Runde Golf spielen. Sie entführt mich einmal pro Woche zum Spiel. Das tut mir wahnsinnig gut. Unser Sohn Josef war schon immer mehr mutterbezogen, das ist bis heute so. Wenn er ein Problem hat, ruft er Ida an.

Wie haben sich Ihre Ansichten bezüglich Erfolg verändert?
Die Grundansichten sind geblieben. Ohne Fleiss erreicht man nichts. Nirgends. Ich kann das heute aber aus einer anderen Warte anschauen, sozusagen aus dem Liegestuhl heraus. Das ist eine schöne Position.

Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Ich nehme es gemütlich. Meistens lese ich online die Zeitungen, oft noch im Bett. Manchmal gehe ich ins Dorf hinunter. Wir haben dort einen Stamm, bei dem man sich trifft und ich ein Gipfeli esse. Je nachdem ergibt sich dann noch etwas für den Tag oder ich gehe wieder nach Hause. Ist das Wetter schön, bin ich meisten draussen in der Natur.

Persönlich: Sepp Trütsch

Am 23. Mai 1949 in Schwyz geboren, liess er sich nach der Kantonsschule zum Drogisten ausbilden. Als freier Mitarbeiter bei Radio Studio Bern begann Trütsch 1979 seine mediale Karriere, schrieb Kolumnen, wurde später Redaktor und Moderator beim Schweizer Radio und Fernsehen, amtete drei Jahre als Redaktionsleiter Folklore. Er moderierte Sendungen wie «Musig-Plausch», «Fyraabig» und erfand den legendären «Grand Prix der Volksmusik» mit. Mit Gattin Ida Trütsch-Reichmuth hat er Sohn Josef Jr. (1970) und Tochter Angela (1973).

Am 23. Mai 1949 in Schwyz geboren, liess er sich nach der Kantonsschule zum Drogisten ausbilden. Als freier Mitarbeiter bei Radio Studio Bern begann Trütsch 1979 seine mediale Karriere, schrieb Kolumnen, wurde später Redaktor und Moderator beim Schweizer Radio und Fernsehen, amtete drei Jahre als Redaktionsleiter Folklore. Er moderierte Sendungen wie «Musig-Plausch», «Fyraabig» und erfand den legendären «Grand Prix der Volksmusik» mit. Mit Gattin Ida Trütsch-Reichmuth hat er Sohn Josef Jr. (1970) und Tochter Angela (1973).

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Sie waren dem Tod zweimal nahe, hatten ein Dünndarmkarzinom und überlebten eine Notlandung. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Bei der Notlandung war ich 30 und mein ganzes Leben zog an mir vorbei, das passiert tatsächlich. Dabei habe ich noch zwei, drei Baustellen in meinem Leben festgestellt. Mir war klar, dass, wenn ich nach Hause komme, ich diese regle, vor allem auch die rechtliche Situation für meine Familie.

Gibt es noch jemanden, mit dem Sie sich versöhnen müssen?
Nein, und wir haben auch sonst alles «bis äne use» geregelt. Jetzt bin ich 75. Mit den paar Gebrechen muss man in diesem Alter rechnen und das Beste daraus machen – und einen guten Doktor haben.

Was sind Ihre körperlichen Baustellen?
Ich bin natürlich ein völlig umgebauter Mensch. Ich habe die grosse Umleitung, seinerzeit einen Herz-Bypass, gemacht. Durch das Dünndarmkarzinom wurden mir etwa 1,30 Meter Darm entfernt. Vor ein paar Tagen hatte ich wieder eine Untersuchung und alles ist soweit okay. Aber ich verliere nach wie vor an Gewicht und man weiss nicht wieso. Ich habe jetzt Grösse 48, was nicht gerade «de Huufe» ist. Aber meine Magenband-Operation habe ich nie bereut, ich hätte sie gescheiter noch ein paar Jahre früher machen sollen. Im Fernsehstudio hatte ich drei Schäfte mit Kleidern. Ich war ein Liftklöppler, das Gewicht ging rauf und runter. Heute kann ich meine Schuhe binden.

Haben Sie eine Vorstellung vom Tod?
Nein, aber ich habe auch keine Angst vor dem Tod. Jedes Mal, wenn ich wieder den Krebstest machen muss und zwei, drei Tage aufs Resultat warte, habe ich den Tod im Hinterkopf. Ich hoffe einfach, dass ich nicht lange leiden muss. Für das haben wir auch vorgesorgt. Bei mir soll man nicht aktiv das Leben beenden, aber schauen, dass ich keine Schmerzen habe. Drei Personen können bestimmen, wenn nichts mehr geht. Es wäre eine zu grosse Entscheidung für eine Person, ob jemand stirbt oder weiterlebt. Diese Situation hatte ich bei meiner Mutter erlebt. Mein Vater und mein Bruder sagten zu mir: «Entscheide du das.» Meine Mutter nahm mir diese zum Glück ab und sagte: «Du musst keine Angst haben, ich schlafe ein. Das habe ich so abgemacht.» Einen Tag später ist sie gestorben.

Wenn Sie auf Ihr Leben blicken, worauf sind Sie stolz?
Beruflich gesehen darauf, dass ich sehr vielen Leuten eine Freude machen konnte. Die ältere Generation grüsst mich noch heute. Meine berufliche Karriere hat mich erfüllt, dort bin ich aufgeblüht, habe einen breiten Bekanntenkreis erhalten, kannte vom Bundesrat bis hin zum Strassenwischer alle. Und dann bin ich sehr glücklich, dass wir eine Familie haben, die sehr gut zusammenpasst. Das ist nicht selbstverständlich.

Sind Sie altersmild geworden?
Meine Frau sagt immer, ich hätte einen stieren Grind, im Positiven wie im Negativen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich recht habe, ist es schwierig, mich zu überzeugen. Aber ich bin eindeutig milder geworden, schalte auch mal auf Göschenen-Airolo. Das hätte ich früher nie gekonnt, da hielt ich sofort dagegen, ging in die Opposition, war aufbrausend, stur und in der Sache sehr hat – und das ist jetzt genau umgekehrt.

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Mögen Sie nicht mehr?
Ich muss mich nicht mehr mit der Welt anfeinden. Ich lebe mein Leben, das mir gefällt und lasse die anderen ihres leben.

Was wünschen Sie sich noch?
Ich hätte Freude, wenn ich in Frieden leben könnte, wir in Ruhe gelassen werden, niemandem etwas schuldig sind. Ja, wenn ich in Ruhe mit meiner Frau zusammen alt werden kann. Da sind wir auf einem guten Weg, würde ich meinen.

Gibt es ein Lied, das zu Ihrem Leben passen würde?
«Das isch es gsi» vom Grand Prix der Volksmusik. Dieser Satz wird eines Tages auf meinem Grabstein stehen, dazu ein Violinschlüssel.

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