Das ist das wichtigste Argument für die Ehe für alle
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Schwulen-Ikone Ernst Ostertag:Das ist das wichtigste Argument für die Ehe für alle

Schwulenaktivist Ernst Ostertag (91) verlor vor drei Jahren seinen Lebenspartner
«Ich hätte meinen Röbi gerne richtig geheiratet»

Am 26. September stimmt die Schweiz über die Ehe für alle ab. Schwulenaktivist Ernst Ostertag kämpft seit Jahrzehnten für mehr Rechte für Homosexuelle. Früher sei die Ehe für alle aber noch utopisch gewesen, erklärt er im Interview.
Publiziert: 04.09.2021 um 16:36 Uhr
Michel Imhof

62 Jahre lang ging Ernst Ostertag (91) mit seinem Partner Röbi Rapp (1930–2018) durchs Leben, vor drei Jahren riss das Schicksal die beiden auseinander: Rapp starb nach schwerer Krankheit. «Ich hätte Röbi gerne noch richtig geheiratet», sagt Ernst Ostertag heute nachdenklich zu Blick. Und nimmt dabei Bezug auf die kommende Abstimmung zur Ehe für alle.

Ostertag und Rapp gehören zu den bekanntesten Schwulenaktivisten der Schweiz. In den Fünfzigerjahren engagierten sich die beiden bei der Untergrundorganisation Der Kreis, die Geschichte darüber wurde im gleichnamigen Film von 2014 festgehalten und quer über den Erdball gespielt.

Unterschriftensammlung gegen die Registrierung von Schwulen

1978 waren sie beim ersten Christopher Street Day des Landes dabei. «Damals war für uns eine Ehe für alle undenkbar, ja utopisch. Wir gingen auf die Strasse, um Unterschriften für eine Petition zur Abschaffung der Schwulenregister zu sammeln.» Homosexuelle Männer wurden in Zürich und anderen Städten von der Polizei erfasst, nachdem es im Strichermilieu Morde gegeben hatte. Sogar ein Tanzverbot für Schwule wurde über mehrere Jahre verhängt. Ostertag: «Wir kämpften für die Beseitigung von Unrechten, nicht für mehr Rechte. Die waren noch kein Thema.»

Schwulenaktivist Ernst Ostertag blickt der Abstimmung zur Ehe für alle gespannt entgegen. Er wünscht sich einen Ja-Stimmen-Anteil von über 65 Prozent.
Foto: Thomas Meier
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Höhepunkt ihres Aktivismus war der 1. Juli 2003. Damals gingen er und Röbi Rapp als erstes Paar im Kanton Zürich den Bund der eingetragenen Partnerschaft ein. Schon frühmorgens wurden sie von Medienteams begleitet, der damalige Stadtpräsident Elmar Ledergerber (77) war höchstpersönlich bei der Zeremonie dabei. «Das war der schönste Tag in meinem Leben», sagt Ostertag heute. «Aber eben: Die eingetragene Partnerschaft ist ein Sonderrecht, nicht das gleiche Recht, das alle haben sollten», sagt er. «Wir wollen keinen Sonderstatus, sondern gleich behandelt werden wie alle anderen Menschen.»

«Gegner bauen uns eine wunderbare Bühne auf»

Die Volksabstimmung zur Ehe für alle findet wegen eines Referendums statt. Dass ein überparteiliches Komitee mit Vertretern vor allem aus EDU, EVP und SVP genügend Unterschriften sammeln konnte, findet Ostertag nicht schlimm: «Gegner wird es immer geben. Ich finde, dass sie uns jedes Mal eine wunderbare Bühne aufbauen, so dass wir unsere Anliegen ins ganze Land hinaustragen können.»

Heute lebt Ostertag noch immer in der Wohnung im Zürcher Seefeld, die er 40 Jahre mit Röbi Rapp bewohnte. Allein ist er aber nicht: Er ist seit 18 Jahren in einer Beziehung mit dem Logistiker Giovanni Lanni (48), 15 Jahre führten sie diese Beziehung zu dritt. «Es ist ein Glück, dass er nach Röbis Tod bei mir geblieben ist. Eine solche Liebe ist nicht selbstverständlich», meint Ostertag.

Er verfolgt die Abstimmung aus Südfrankreich

Gemeinsam mit Giovanni wird er in den Ferien in Südfrankreich den Ausgang der Abstimmung zur Ehe für alle verfolgen. Er sieht ihr zuversichtlich entgegen. «Sicher sein darf man sich aber nie», meint er. «Ein knappes Ja fände ich unangebracht. Eine breite Zustimmung von mindestens 65 Prozent ehrt unser Land.» Ob er bei einer Annahme an eine Hochzeit mit Giovanni denkt? «Darüber haben wir nicht gesprochen», sagt Ostertag. «Aber wir wollen alle die Möglichkeit dazu haben.»

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