Foto: Keystone

Schriftsteller Peter Bichsel (85) ist Home-Office-Profi
«Langeweile ist etwas Wunderschönes»

Peter Bichsel wird heute 85 Jahre alt. Eine grosse Feier hätte es nicht gegeben, aber nun fällt wegen Corona auch das geplante Schnitzel-Essen weg. Gesundheitlich geht es dem Schriftsteller gut. «Es ist mir einfach recht, wenn mich dieses Virus nicht trifft.»
Publiziert: 23.03.2020 um 23:24 Uhr
Jean-Claude Galli

BLICK erreicht den grossen Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel, der heute 85 Jahre alt wird, zu Hause am Telefon. Im Hintergrund läuft leise Radio SRF 1, Bichsel räuspert sich, seine Stimme ist klar und deutlich. «Mir geht es gut», sagt er, «danke der Nachfrage. Ich habe auch keine besonderen Wünsche für meinen Geburtstag. Es wäre mir einfach recht, wenn mich dieses Virus nicht trifft.» Der Autor hält sich an seinem Wohnort in Bellach SO streng an die bundesrätlichen Weisungen. «Ich fühle mich gesund. doch ich kontrolliere und beobachte mich schon ein bisschen mehr. Ich gehöre ja eindeutig zu einer Risikogruppe und habe gerade kürzlich erlebt, wie unangenehm es ist, in Atemnot zu kommen.»

Skeptischer Bichsel

Bichsel hofft, dass eine solche Situation einmalig bleibt. Er ist allerdings skeptisch, ob wir daraus für die Zukunft lernen können. «Gelernt haben die Menschen aus historischen Ereignissen noch nie etwas. Wir müssten wohl in erster Linie einsehen, dass die Natur nicht dazu da ist, uns zu nützen und unsere Welt zu verbessern. Das bringen nur wir zustande.»

Auch ohne Corona-Krise hätte es keine grosse Feier gegeben. «Meine Freundin, ihre Tochter und ich wären Schnitzel mit Pommes frites essen gegangen. An einen Ort, wo sie das wunderbar machen. Das tut mir schon leid, dass das jetzt nicht geht. Aber viel fällt dadurch auch nicht weg.»

Schrifsteller Peter Bichsel galt schon immer als leidenschaftlicher Beizengänger. In letzter Zeit haben seine Besuche aber altershalber abgenommen. Eines seiner Lieblingslokale war zeitlebens das genossenschaftlich geführte Restaurant Kreuz in Solothurn in unmittelbarer Aarenähe.
Foto: Helmut Wachter
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«Ich bin kein grosser Schreiber mehr»

Bichsel hat sich seinen Computer von seinem Arbeitszimmer in Solothurn nach Bellach transportieren lassen. «Im Notfall könnte ich sofort loslegen. Doch ich bin kein grosser Schreiber mehr.» Er habe sich schon länger davor gefürchtet, in ein «Geleier» hineinzukommen. «Ich hatte Angst vor der Rolle des alten weissen Mannes. Darin hätte ich mir nicht gefallen.»

Dass ihn die aktuellen Ereignisse noch einmal literarisch anspornen könnten, hält er nicht für sehr wahrscheinlich. «Ich konnte mich immer gut langweilen und diese Langeweile auch geniessen. Längizyti ist das berndeutsche Wort für Sehnsucht. Also ist Langeweile etwas Wunderschönes. Auch zum Lesen braucht man Langeweile, ich mag sie sehr gut.»

Bichsels neustes Buch und sein persönlicher Lesetipp

Das neuste Bichsel-Buch ist im Suhrkamp Verlag erschienen: «Auch der Esel hat eine Seele» macht auf über 300 Seiten Texte aus den Jahren 1963 bis 1971 wieder greifbar. «Das Buch spricht ältere Leser an – aber hoffentlich nicht nur. Wenn junge Leser wissen wollen, wie man in dieser Zeit dachte und womit man sich befasste, dann freut es mich.»

Bichsels ganz persönlicher Lektüre-Tipp: «Zurzeit lese ich gerade Hansjörg Schneiders neusten, zehnten Hunkeler-Fall ‹Hunkeler in der Wildnis›. Wie immer bei Schneider ist es der beste. Kein klassischer Kriminalroman, sondern das Porträt eines Mannes, welcher sehr stark dem Autor gleicht. Und ich liebe diesen Autor.»

Das neuste Bichsel-Buch ist im Suhrkamp Verlag erschienen: «Auch der Esel hat eine Seele» macht auf über 300 Seiten Texte aus den Jahren 1963 bis 1971 wieder greifbar. «Das Buch spricht ältere Leser an – aber hoffentlich nicht nur. Wenn junge Leser wissen wollen, wie man in dieser Zeit dachte und womit man sich befasste, dann freut es mich.»

Bichsels ganz persönlicher Lektüre-Tipp: «Zurzeit lese ich gerade Hansjörg Schneiders neusten, zehnten Hunkeler-Fall ‹Hunkeler in der Wildnis›. Wie immer bei Schneider ist es der beste. Kein klassischer Kriminalroman, sondern das Porträt eines Mannes, welcher sehr stark dem Autor gleicht. Und ich liebe diesen Autor.»

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