Rückblick mit Lametta: Prominente erinnern sich, wie sie einst Weihnachten feierten
Stille Nacht, Schweizer Nacht

Wie waren Weihnachten eigentlich früher – und welche Geschenke lagen unter dem Baum? Wir blicken zurück – und mit uns bekannte Schweizerinnen und Schweizer.
Publiziert: 21.12.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:52 Uhr
50er-Jahre: Adolf Ogi mit Schulfreundin Sylvia Spychiger vor seinem Geburtshaus in Kandersteg BE.
Foto: Philipp Zinniker. RDB
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50er-Jahre:

Das Land hat die Kriegsjahre hinter sich gelassen, die Industrie wächst langsam wieder. Jeder zweite Schweizer lebt auf dem Land (heute 74 Prozent Städter), nur wenige verreisen.

Wovon Kinder träumen: Kaufmannsladen aus Holz, Eisenbahnen und Autos aus Blech, Steiff-Bär, Stoffpuppe. Nicht selten verschenken die Eltern Spielzeug, das früher ihnen gehörte – frisch bemalt oder dekoriert.

Wie gefeiert wird: Die ganze Familie isst, singt und musiziert gemeinsam, der Vater liest die Weihnachtsgeschichte vor. Das Essen ist traditionell und meist eher bäuerlich, z. B. Rollschinken, Kartoffeln, getrocknete Bohnen.

Gesprächsthema: In vielen katholischen Familien (z. B. Innerschweiz, Wallis, Tessin) kommt ein Weihnachtsbaum erstmals in die Stube, früher war oft nur eine Krippe üblich. Er wird vom Förster im Ort geschlagen, mit Glasschmuck aus Böhmen verziert.

60er-Jahre:

Das Leben in einer kleinen Stadtwohnung wird modern: Zürich erreicht 1962 den Rekord von 440000 Einwohnern. Aus Amerika kommt erstes Plastik-spielzeug, und die Schweizer Familien werden langsam kleiner (Antibabypille ab 1960).

Wovon Kinder träumen: Eine Puppe aus Stoff (Käthe Kruse) oder Zelluloid (Schildkröte), für die Jungen eine Modellbahn (z. B. Märklin), wegen der kleineren Wohnungen mit Spurbreite H0.

Wie gefeiert wird: Heiligabend bleibt ein gemeinsames Fami­lienfest, doch an den Feiertagen wird es Mode, wegzufahren – zu Verwandten oder, wer es sich leisten kann, in ein Mietchalet.

Gesprächsthema: Die prachtvollen öffentlichen Festbeleuchtungen in der Stadt (z. B. in Zürich an der Limmat, Bahnhofstrasse).Wer auf dem Land wohnt, kommt extra, um sie sich anzusehen.

70er-Jahre:

Wohlstand: Was man früher nur im Schaufenster bewunderte, kann man sich nun leisten. Der Trend zur Kleinfamilie führt dazu, dass sich Verwandte seltener sehen. Gemeinsame Weihnachten werden zur Herausforderung.

Wovon Kinder träumen: Modellbahnen (Carrera) und Modell­autos (Dinky Toys aus England), später oft ferngesteuert. Mädchen wollen die neue Barbie aus Amerika. Praktisches wie warme Socken gibts dagegen seltener.

Wie gefeiert wird: Zunehmend in kleineren Gruppen, die jungen Leute der Familie wollen für sich sein. Das traditionelle Essen gilt als zu deftig. Im Trend: Fondue chinoise oder bourguignonne.

Gesprächsthema: Weihnachten werden zunehmend vom Glaubens- zum Geschenkefest. Kirchgemeinden organisieren Diskussionen gegen die Kommerzialisierung und verteilen Protest-Anstecker («Scheinheilige Weihnachten») – ohne grossen Erfolg.

80er-Jahre:

Die Globalisierung ist da: Der Weihnachtsbaum kommt vom Grossmarkt oder von Ikea, die Deko und viele Geschenke aus Asien. Scheidungen sind akzeptiert, aber all die Patchworkfamilien erschweren die Festplanung.

Wovon Kinder träumen: Video- und Computerspiele. Wer schon eine Barbie hat, will Zubehör: Haus, Küche, Pferd. Trend: Monchichi und Zauberwürfel.

Wie gefeiert wird: Zunehmend separat – Heiligabend z. B. mit aktuellem Partner und den Eltern, am 25. Dezember mit weiteren Verwandten. Die «Mitternachtsmesse» rückt auf bequeme 21.30 Uhr – früh genug für alle.

Gesprächsthema: Die Kinder basteln und spielen nicht mehr, sondern sitzen stundenlang vor TV (VHS-Video und Privatfernsehen) und PC. Viele gemeinsame Aktivitäten entfallen damit.

90er-Jahre:

Das Internet ist da (1993 in der Schweiz gestartet). Statt einer Postkarte kommt der Weihnachtsgruss jetzt oft per E-Mail. Es ist gesellschaftlich akzeptiert, sich als Nichtgläubiger zu offenbaren und nur noch einmal im Jahr in die Kirche zu gehen – und das ist an Heiligabend.

Wovon Kinder träumen: Tragbare Computerspiele, 1990 kommt der Gameboy mit «Super Mario Land» und «Tetris». Ausserdem: Realistische Puppen (Baby Born) und interaktive Spieltiere wie Hasbro FurReal und Tamagotchi.

Wie gefeiert wird: Demonstratives Dekorieren kommt in Mode: aufwendige Lichtinstallationen am Haus und im Garten, wie man sie aus US-Filmen kennt. Die Feiertage werden, nicht immer leicht, zwischen verschiedenen Verwandten aufgeteilt.

Gesprächsthema: Die Suche nach einer neuen Form der Spiritualität – einerseits sinkt die Bindung an die Kirche, anderseits steigt der Wunsch nach Tiefe und guten Gesten (Spenden, Hilfsprojekte).

00er-Jahre:

Die Welt ist unruhig geworden und politisch unübersichtlich, unser Alltag technisiert. Ein Weihnachtsgruss via Skype kann den Verwandtenbesuch ersetzen. Wir reagieren mit einer selbst gemachten Version der scheinbar «guten alten Zeiten».

Wovon Kinder träumen: Pokémon-Sammelkarten, Furbies, Dronen. Viele Eltern schenken etwas für gemeinsame Aktivitäten: Brettspiele («Siedler von Catan») oder eine Wii-Konsole.

Wie gefeiert wird: Heiligabend gehört der Familie – Freunde mitbringen ist erlaubt oder eine Party im Restaurant. Der Baum ist nostalgisch-kitschig (zum Beispiel Glasvögel oder Comic-Figuren).

Gesprächsthema: Die Sehnsucht nach verlässlichen Werten. Man strickt wieder selbst, verschenkt selbst eingekochte Marmelade, schreibt Karten von Hand. Der Kirchenbesuch, lange eine lästige Pflicht, wird zum Wunsch.

Fachliche Beratung: Volkskundler Dominik Wunderlin (61), Museum der Kulturen Basel. Dort läuft bis 11. Januar 2015 eine Ausstellung über Weihnachten vor 100 Jahren.

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