Phänomen SRF-«Landfrauenküche»
Ein Stück Heimat auf dem Teller und am Bildschirm

Heute Abend beginnt die 18. Staffel von «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche». 575'000 Zuschauende waren 2023 im Schnitt dabei. Dass das TV-Format konstant derart gut ankommt, hat mit der Sehnsucht nach dem Landleben und wohlschmeckenden Erinnerungen an die Kindheit zu tun.
Publiziert: 23.08.2024 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2024 um 08:31 Uhr

Auf einen Blick

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Jean-Claude GalliRedaktor People

Heute Abend beginnt die 18. Staffel von «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche». Den Start macht Monika Nauer (42) vom Rossberg in Schindellegi SZ mit einem Voressen vom Jungrind, Safran-Spätzli und Rhabarbertorte (SRF 1, 20.05 Uhr). Dieses TV-Format ist ein Phänomen. Eine halbe Million oder mehr Zuschauende verfolgen regelmässig am Freitagabend, wie sieben ausgewählte Landfrauen aus der ganzen Deutschschweiz ihre Höfe und ihr Leben vorstellen und ihre Mitstreiterinnen bekochen. Der Aufbau ist bewusst einfach gehalten und lebt von den O-Tönen der Frauen, einer Erzählstimme, den Hof- und Landschaftsbildern sowie dem Menüteil. Moderiert wird lediglich die abschliessende Samstagabendshow, bei der die Runde eine Siegerin kürt.

Wer gewinnt, ist jedoch sekundär. Zentral für den Publikumserfolg ist einerseits die tief verankerte Sehnsucht der Schweizerinnen und Schweizer nach dem Landleben. Viele der Zuschauenden haben in der Elternlinie noch einen bäuerlichen Hintergrund. Die «Landfrauen» holen sie quasi in ihr früheres Zuhause oder ihre Kindheit zurück. Ohne dass sie früh aufstehen und sich anstrengen müssen und mit dem Vorteil, dass der Besuch nach überschaubaren 55 Minuten wieder vorbei ist. Und ohne dass es – davor fürchten sich Städter wohl am meisten, wenn sie ans Land denken – nach Gülle und Mist riecht.

Landfrauen vs. Spitzenköche

Zweiter Kernpunkt ist das Kochen und Essen. Spitzenköche sind manchen Menschen immer noch suspekt, weil ihnen diese Kunst als elitär erscheint. Deshalb macht SRF wohl auch einen grossen Bogen um die Stars dieser Szene. Was hingegen die Landfrauen auftischen und wie sie es zubereiten, trauen sich die Meisten selber auch zu. Die Zutaten vom Hof und die Rezepte lösen zusätzliche Heimatgefühle aus. Einheimische und traditionelle Gerichte sind Teil unserer Kultur, unserer Identität und Erinnerung. Siehe den berühmten «Madeleine»-Effekt in Marcel Prousts (1871–1922) Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit».

Gruppenbild der 18. Staffel von «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche»: hinten von links Isabelle Kamber, Simona Rüttner, Monika Nauer, Melanie Ramser und Fabienne Isenegger; vorne von links Miriam Knechtle und Irma Schatt.
Foto: SRF/Ueli Christoffel
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Das klingt nach Idyll und heiler Welt, ist aber dosiert durchaus erträglich. Nebst den Trachten und dem Blumenschmuck ist in den Folgen jeweils auch der anstrengende Alltag der Landfrauen sichtbar. Und es wird kein antiquiertes, schönfärberisches Bild der Landwirtschaft mit Ross, Wagen und Kerzenlicht gezeigt, sondern der heutige, reale Zustand auf den Höfen. Und dass auch Landfrauen durchaus über den Tellerrand blicken, kommt im seit 2018 laufenden Spin-off «Wenn Landfrauen reisen» noch stärker zur Geltung.

Wie alles begann

Um den bis heute anhaltenden Quotenerfolg zu erklären, lohnt sich zudem ein Blick auf die Anfänge von 2007. Unterhaltungschefin Gabriela Amgarten (62) stand damals unter Druck, weil mehrere neukonzipierte Formate wie «Deal or No Deal», «Zart oder Bart» oder «Ein roter Teppich für...» nicht alle funktionierten. Andererseits war die ebenfalls frische «SRF bi de Lüt»-Reihe mit den ersten Kostproben «Ein Ort nimmt ab» und «Heimspiel» stark angelaufen. Und Amgarten mahnte, nicht immer nur auf die Jungen zu schielen, sondern auch an die Alten zu denken.

Mit der Idee «Zurück zur Natur, zum Ursprünglichen» lagen die Macher um den damaligen Volkskultur-Spartenchef Rémy Trummer (69) und Tom Schmidlin (50) grundsätzlich im Trend. Das zeigen auch Zeitschriften-Neugründungen aus dieser Zeit wie das deutsche Magazin «Landlust» 2005 oder «LandLiebe» 2011. Und man liess sich auch von ausländischen Formaten inspirieren.

Anfangs blies der «Landfrauenküche» aber harter Gegenwind entgegen – vor allem von Kritikerseite. «Noch eine neue Kochsendung. Muss das denn wirklich sein?», fragte der SonntagsBlick. «Mit den sieben «Landfrauen» hätten wir gute Chancen auf den Titel «The World’s Top Hinterwäldler TV-Nation», schrieb die «Weltwoche». Und Satiriker Frank Baumannn (66) meinte, sich die Sendung überhaupt angeschaut zu haben, sei schon ein «Fehler» gewesen.

Nun, die Landfrauen haben es überlebt. Und sind dem SRF-Publikum heute ähnlich heilig wie die Schwinger, die mittlerweile je nach Belegung auch schon auf dem ersten Kanal laufen. Die Prognose, dass die Jubiläumsstaffel in zwei Jahren schon gesetzt ist, scheint jedenfalls nicht sehr gewagt.

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