«Robin Hood wäre die falsche Bezeichnung»
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Joel Basman über «Stürm»:«Robin Hood wäre die falsche Bezeichnung»

Kinostar Joel Basman über das abenteuerliche Leben des legendären Ausbrecherkönigs
«Stürm war kein Robin Hood»

Nicht weniger als fünf Mal wurde der Film über Walter Stürm pandemiebedingt verschoben. Für «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» hat sich Jungstar Joel Basman eingehend mit dem abenteuerlichen Leben des Ausbrecherkönigs beschäftigt, wie er im Blick-Interview erzählt.
Publiziert: 29.11.2021 um 16:03 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2021 um 08:55 Uhr
Jean-Claude Galli

Joel Basman (31) verkörpert in «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» den als Ausbrecherkönig bekannten Walter Stürm (1942–1999), der in den 1980er- und 1990er-Jahren vor allem in linken Kreisen Kultstatus genoss.

Blick: Herr Basman, als sich Stürm das Leben nahm, waren Sie neun. Wann haben Sie das erste Mal von ihm gehört?
Joel Basman: Erst durch das Drehbuch zum Film. Aber ich konnte die Wirkung und Tragweite der Figur recht schnell erahnen.

Stürm war ein notorischer Gesetzesübertreter und ein höchst kontroverser Charakter. Warum haben Sie die Rolle angenommen?
Ich bin einer, der behauptet: Wir haben gute Geschichten in der Schweiz, wir müssen sie bloss richtig erzählen. Stürm ist eine dieser Geschichten. Sie lag auf dem Tisch, und ich dachte: Wow, das müssen wir jetzt durchziehen und auf die Leinwand bringen. Mit Regisseur Oliver Rihs habe ich den richtigen «Partner in Crime» gehabt und mit Marie Leuenberger (Anmerkung: Sie spielt Stürms Anwältin Barbara Hug) die richtige Schauspielpartnerin. Wir haben ziemlich schnell am gleichen Strick gezogen.

Joel Basman in der Zwingli-Stube des Kulturhauses Helferei in Zürich.
Foto: Siggi Bucher
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Sie hatten nie Skrupel, durch Ihre Darstellung einen Verbrecher sympathischer wirken zu lassen?
Ja, Stürm hat die offizielle, staatliche Schweiz an der Nase herumgeführt. Aber das war in einer Zeit, wo das vielleicht auch nötig gewesen ist. Ich kann mir zwar nicht wirklich vorstellen, wie es war, während des Kalten Kriegs zu leben. Aber wenn ich von hier aus auf diese Zeiten zurückblicke, denke ich, waren wir gar nicht so weit entfernt von unseren Nachbarn mit dieser ganzen Überwachungs- und Spitzelgesellschaft. Klar, das war jetzt ein krasser und provokativer Satz, sorry, Schweiz. Aber wir waren trotzdem oft versteckte, kleine Heuchler. Und deshalb war es gut, Leute wie Stürm zu haben. Einen «Joggel», der auch mal ein wenig rumschreit und Dampf ablässt. Auch wenn er übers Ziel hinausgeschossen ist.

Das ist der Trailer zu «Stürm»
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Joel Basman auf der Leinwand:Das ist der Trailer zu «Stürm»

Wird Stürm im Film nicht zu heroisch dargestellt?
Wenn dieses Gefühl aufkommt, kann ich es nicht ändern. Das ist der Eindruck von Zuschauern. Ich übernehme nie eine Rolle, um jemanden davon zu überzeugen, diese Persönlichkeit gut oder unterstützungswürdig zu finden. Ich kann auch niemanden überreden, Blau als schön zu betrachten. Wer mit dem Film Mühe hat, soll sich morgen einen anderen anschauen. Die Schweiz geht dadurch nicht unter. Das war auch nie unser Ziel.

Wer war Stürm Ihrer Meinung nach? Eher der Robin Hood oder Mini-Che-Guevara, als den ihn viele Linke sahen – oder doch vielmehr ein berechnenden Soziopath?
Robin Hood ist grundsätzlich die falsche Bezeichnung für Stürm. Er hat nie Geld an Arme verteilt. Er unternahm nichts, um Gesetze anzupassen, die ihn nicht betrafen. Er wollte nur ändern, was ihn direkt anging und ihm Nutzen brachte. Nur damit konnte er etwas anfangen. Und genau daran zeigen sich die soziopathischen Züge, die er hatte. Er konnte sich nie in andere hineinversetzen. Er kämpfte nicht fürs Frauenstimmrecht und schon gar nicht für Flüchtlinge. Was ihm nichts einbrachte, liess er sein. Er war ein freiheitsliebender Egomane, in seiner Sturheit völlig verbohrt und unbelehrbar. Und er hat andere Leben ruiniert und Menschen, die an ihn glaubten, gnadenlos ausgenutzt.

Schweizer Jungstar erobert die Welt

Joel Basman ist in Zürich aufgewachsen, von seinen Eltern erlernte er das Schneiderhandwerk. Als 14-Jähriger wurde er 2004 für die SRF-Serie «Lüthi und Blanc» entdeckt. Im selben Jahr begann seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Steiner (52) in «Mein Name ist Eugen», 2018 folgte «Wolkenbruch» nach dem Bestseller von Thomas Meyer (47). International herausragend waren Basmans Auftritte in «Monuments Men» von 2014 mit George Clooney (60) sowie 2017 im «Papillon»-Remake von Michael Noer (42) zu sehen. Anfang 2022 folgt «The King's Man: The Beginning» von Matthew Vaughn (50).

Joel Basman ist in Zürich aufgewachsen, von seinen Eltern erlernte er das Schneiderhandwerk. Als 14-Jähriger wurde er 2004 für die SRF-Serie «Lüthi und Blanc» entdeckt. Im selben Jahr begann seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Steiner (52) in «Mein Name ist Eugen», 2018 folgte «Wolkenbruch» nach dem Bestseller von Thomas Meyer (47). International herausragend waren Basmans Auftritte in «Monuments Men» von 2014 mit George Clooney (60) sowie 2017 im «Papillon»-Remake von Michael Noer (42) zu sehen. Anfang 2022 folgt «The King's Man: The Beginning» von Matthew Vaughn (50).

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Stürm wird im Film auch als Charmeur und Womanizer dargestellt. Was lief wirklich zwischen Stürm und seiner Anwältin? Was ist dran an dieser angedeuteten Lovestory?
Da haben wir im Film sicher etwas an der Schraube gedreht. Doch eine Liebesgeschichte ist auch nie wirklich dementiert worden, auch von nahen Quellen nicht. Aber ich muss euch leider grundsätzlich alle enttäuschen, liebe Kinogänger, in fast jedem Film sind die Romanzen erfunden oder jedenfalls überspitzt dargestellt. Weil es das einfach zur Wirkung braucht, egal, ob in Amerika, Thailand oder der Schweiz.

Ausser einer Biografie von 2004 gibt es sehr wenig Material über Stürm. Wie haben Sie sich vorbereitet?
Zwei, drei Interviews und etwas Bewegtbild lagen zum Glück vor. Es gibt Aufnahmen, in denen zu sehen ist, wie er geht und spricht, damit konnte ich einiges anfangen. Den Rest habe ich mir selber erarbeitet.

Auch mit einem temporären Aufenthalt im Gefängnis?
Nein, der jetzige Strafvollzug lässt sich ja auch nicht mehr vergleichen mit damals. Für mich waren andere Dinge wichtig. Dass ich ein Auto knacken kann, ohne dass es peinlich aussieht. Und nein, heutige Autos kann ich nicht aufschliessen, aber Wagen aus den 70ern und 80ern ... Bringt sie mir, und ich mache sie auf (lacht). Die Abläufe und Details mussten stimmen. Dass ich in der Bank die Pistole richtig halte, gerade und nicht schräg. Dass Automatismen da sind und echt wirken. Das Aufschweissen eines Tresors zum Beispiel. Da sitzt du mit einem Schweisser hin und schaust dir das ganz genau an. Dabei geht es nicht um Ästhetik. Das verfluchte Loch muss auf und fertig.

Was ist für Sie die Quintessenz des Films?
Wir müssen uns davon verabschieden, den Anspruch zu haben, aus einem Film etwas lernen zu können. Und die Übersicht über die Wirkung unserer Kunst zu behalten, ist viel schwieriger geworden. Sie wird konsumiert, ohne dass wir kontrollieren können, wer das wie tut und mit welcher Absicht. Am Ende des Tages kann dieser Film jemandem, der im Knast war, eventuell etwas geben. Aber vielleicht auch einem Bünzli, der schon Angst bekommt, wenn er das Wort Verkehrsbusse hört. Nur wenn der Film gar nichts auslöst, haben wir ein Problem, dann ist er missglückt. Ich denke, «Stürm» hat das Potenzial, Alt und Jung gleichermassen ins Kino zu holen. Und vor allem jüngeren Zuschauern zu zeigen, dass es nicht nur Schweizer Filme für die ältere Generation gibt.

Und der Film beschert dem 1976er-Chansonklassiker «Salut» von Joe Dassin ein überraschendes Revival ...
(Basman beginnt zu pfeifen.) Ich kann Ihnen sagen, dieses Pfeifen hat uns lange begleitet. Und der Song passt wirklich perfekt zu Stürm. Zumal Joe Dassins Vater Jules mit «Rififi» einen der packendsten Einbrecherfilme aller Zeiten gemacht hat.


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