Interview mit Franz Fischlin zu seinem «Tagesschau»-Abgang
«Im Haushalt mache ich künftig das ganze Programm»

«Mister Tagesschau» Franz Fischlin (59) verlässt SRF noch in diesem Sommer. Sein Abgang kommt völlig überraschend. Im Interview mit Blick erklärt er seine Beweggründe für den Entscheid, mit dem kaum jemand gerechnet hat und erzählt, was künftig sein Leben ausfüllt
Publiziert: 26.04.2022 um 16:46 Uhr
|
Aktualisiert: 27.04.2022 um 15:27 Uhr
Interview: Jean-Claude Galli und Peter Padrutt

Im Interview äussert sich «Mister Tagesschau» Franz Fischlin (59) erstmals ausführlich zu seinem völlig überraschenden Abgang beim SRF, den Blick am Dienstagmorgen publik machte.

Blick: Sie verlassen SRF völlig überraschend. Gab es Krach mit Nathalie Wappler oder sonst einem Vorgesetzten?
Franz Fischlin:
Oh nein, wo denken Sie hin? Ich habe Nathalie Wappler den Entscheid in einem guten Gespräch persönlich mitgeteilt und sie hat ihn sehr bedauert, aber sie kann auch gut verstehen, dass ich eine neue Etappe anpacken möchte.

Gehen Sie vielleicht auch, weil SRF es versäumt hat, Ihnen einen lukrativeren Chefposten anzubieten?
Auch dazu ein klares Nein. Die Arbeit als Journalist und Moderator für die «Tagesschau» war und ist immer noch ein Traumjob. Und ich habe immer alles gegeben und werde es auch noch bis zur letzten Sendung tun. Und ich bin sehr dankbar für die vielen tollen Jahre bei SRF. Und auch dankbar gegenüber dem Publikum, das mich über all die Jahre getragen hat.

Franz Fischlin als «Tagesschau»-Moderator in einer aktuellen Aufnahme.
Foto: SRF/Oscar Alessio
1/8
«Das Bedürfnis nach Information ist gross»
0:47
Franz Fischlin wird 60:«Das Bedürfnis nach Information ist gross»

Ist Ihr Abgang ein kurzfristiger Entscheid oder hat sich das für Sie schon länger abgezeichnet?
Er ist sozusagen in mir gereift.

Sind Sie sich bewusst, dass dies für SRF nach dem Abgang von anderen bekannten Gesichtern ein weiterer herber Verlust für Nathalie Wappler ist?
Wie gesagt, Nathalie Wappler hat meinen Entscheid bedauert. Sie weiss, dass ich die Veränderungen innerhalb von SRF richtig und wichtig finde. Auch deshalb habe ich die Transformation z.B. mit dem Tiktok-Pilotprojekt aktiv mitgestaltet. Zudem: Das Reservoir an hervorragenden Journalistinnen und Journalisten bei SRF ist riesig. Und ich bin überzeugt davon, dass ein sehr guter Nachfolger, oder eine Nachfolgerin gefunden wird für mich und auch die inhaltliche Qualität einer «Tagesschau» genau gleich hoch bleibt.

Warum verlassen Sie SRF?
Ich hatte eine grossartige Zeit. Nun ist der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und zeitlicher Flexibilität grösser geworden.

Wenn eine so beliebte Person wie Sie einen solchen Job aufgibt, kommen sofort Spekulationen auf: Ein gesundheitliches oder ein familiäres Problem könnte vorliegen. Was sagen Sie dazu?
Weder noch. Mir und uns allen geht es zum Glück sehr gut. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Gerade darum bin ich mir auch bewusst, dass das Leben nicht unendlich ist. Oder wie es Büne Huber in seinem Song «Für immer uf Di» so wunderschön formuliert: «Uf au die Zyt, wo isch vrgange. Uf au die Zyt, wo mir no blibt». Diese Zeile hat mich gleich beim ersten Mal, als ich sie hörte, tief berührt. Und auch inspiriert.

Warum ziehen Sie sich nicht wie Katja Stauber vom Bildschirm zurück und bleiben SRF noch treu?
Das wäre nicht die Veränderung gewesen, die ich mir wünsche. Ich freue mich auf Neues und darauf, eigene kreative Ideen umzusetzen.

Was haben Sie nun konkret vor?
Ich widme mich Projekten, die in den letzten Jahren liegengeblieben sind, da mir Zeit und Musse fehlten. Und ich werde mich weiterhin an der Debatte um Medienqualität engagieren. So etwa im Verein «Qualität im Journalismus». Mit der Organisation des traditionellen Branchentreffens «JournalismusTag» oder auch Diskussionen rund ums Thema Medienqualität. Vielleicht kann ich mich da als jemand, der nun nicht mehr mit einem bestimmten Medienhaus identifiziert wird, noch als unabhängigere Stimme eingeben.

Verschiedene Privat-TV-Stationen würden Sie mit Handkuss nehmen. Können Sie uns versichern, dass Sie nicht doch zu einem privaten Anbieter wechseln?
Im Moment schon (lacht).

Stimmt es, dass Sie sich die Familienaufgaben noch mehr mit Susanne Wille aufteilen wollen?
Ja, meine Frau hat bei SRF als Kulturchefin und Mitglied der Geschäftsleitung eine äusserst verantwortungsvolle und auch anspruchsvolle Aufgabe. Wenn ich nun zeitlich flexibler werde, kann ich sie noch mehr unterstützen. Das ist mir sehr wichtig. Emanzipation ist schliesslich auch Männersache. Und es gibt leider zu wenig weibliche Führungskräfte. Hier will ich auch bewusst ein Zeichen setzen.

Was machen Sie künftig alles im Haushalt? Können Sie dies ein wenig beschreiben?
Das ganze Programm, wie ich es auch schon bisher machte. Einkaufen, Wäsche waschen, Putzen, Kochen. Mich um die Kinder kümmern undsoweiterundsofort.

Keine Angst, dass Ihnen ohne «Tagesschau» langweilig wird?
Nein, nein. Denn ich habe ein prall gefülltes Leben, Pläne und einen inspirierenden Freundeskreis. Und sollte ich Sehnsucht haben: Der Vorteil ist ja nun, dass ich mehr um 19.30 Uhr zu Hause bin und noch häufiger und in aller Ruhe die «Tagesschau» schauen kann (schmunzelt).

Wie lange werden wir Sie noch am Bildschirm sehen?
Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest. Zuerst muss die Nachfolge bestimmt werden. Aber im Sommer dürfte Schluss und Neuanfang sein.

News-Experte und Familienmensch

Der Berner Franz Fischlin (59) studierte nach einer Fotografenausbildung Journalistik an der Universität Freiburg und ging dann zum Lokalradio. Im Jahr 2000 startete er bei SRF als Redaktor, seit 2004 moderiert er die Hauptausgabe der «Tagesschau», zwischendurch auch den «Medienclub». Er ist mit Susanne Wille (47) liiert. Gemeinsam sind sie Eltern von drei Kindern. Aus einer früheren Ehe hat Fischlin zwei Töchter.

Der Berner Franz Fischlin (59) studierte nach einer Fotografenausbildung Journalistik an der Universität Freiburg und ging dann zum Lokalradio. Im Jahr 2000 startete er bei SRF als Redaktor, seit 2004 moderiert er die Hauptausgabe der «Tagesschau», zwischendurch auch den «Medienclub». Er ist mit Susanne Wille (47) liiert. Gemeinsam sind sie Eltern von drei Kindern. Aus einer früheren Ehe hat Fischlin zwei Töchter.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?