Warum nicht mal eine halbe Stunde chützele?
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Patti Baslers Homeschool-Tipps:Warum nicht mal eine halbe Stunde chützele?

Homeschooling-Tipps von Komikerin und Lehrerin Patti Basler
Warum nicht mal eine halbe Stunde chützele?

In Krisenzeiten braucht man den Rat von Experten: Satirikerin und Erziehungswissenschaftlerin Patti Basler greift den Schweizer Eltern unter die Arme und verrät ihre wichtigsten Tipps für den Schulunterricht zu Hause.
Publiziert: 02.04.2020 um 23:31 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 19:49 Uhr
Patricia Broder

Sämtliche Schweizer Schulen sind wegen des Coronavirus aktuell geschlossen. Die Kinder werden zu Hause unterrichtet. Kein einfaches Unterfangen: Viele Eltern und Sprösslinge geraten an ihre Belastungsgrenzen. Da kann nur Komikerin und Satirikerin Patti Basler (43) helfen. Denn die Aargauerin ist auch Lehrerin, Erziehungswissenschaftlerin und Soziologin. BLICK verrät sie exklusiv ihre acht besten Homeschooling-Tipps.

1. Rollenkonflikte lösen
Die ganze Quarantäne-Situation ist ein grosser Rollenkonflikt. Am meisten auf dem WC, dort fehlen die Rollen. Ernsthaft: Der grosse Rollenkonflikt der Quarantäne ist der: Bin ich jetzt Vater, Lehrer, Ehemann oder Homeofficer, bin ich Mutter, Arbeitgeberin oder Sozialpädagogin? Die Positionen und Aufgaben sind plötzlich räumlich und personell nicht mehr getrennt. Deshalb muss man nun die Rollen neu festlegen. Der Partner ist nun immer da. Die Kinder sind immer da. Da sitze ich als Chefin vor dem PC in der Videokonferenz und will möglichst souverän auftreten, plötzlich kommt mein weinendes Kind und möchte getröstet werden. Das macht mich als Vorgesetzte einerseits sympathisch, andererseits untergräbt es meine Autorität. Aber es macht mich vor allem eins: menschlich. Deshalb mein Tipp hier: Sich der verschiedenen Rollen bewusst sein und gelassen bleiben.

2. Mut zum Ausbrechen
Warum nicht mal mit den Kindern eine einfache Lektion in Physik und Chemie lernen? Zum Beispiel Mengenlehre: Mischverhältnis und chemische Wirkung von Gin und Tonic testen. Dann werden auch die Kinder lustiger. Ich möchte natürlich nicht zum Alkoholismus aufrufen, aber Schnaps desinfiziert ja bekanntlich auch. Jetzt hat man Zeit, zusammen Dinge zu tun, für die man sonst nicht Zeit hat. Eine halbe Stunde chützele zum Beispiel. Oder warum nicht mal kreative Reime machen, bei denen die Kids auch mal Wörter benutzen dürfen, die sie sonst nicht benutzen dürfen? Elaboriertes Fluchen nenn ich das.

Komikerin und Satirikerin Patti Basler gibt BLICK exklusiv ihre Homeschooling-Tipps. Denn die Aargauerin ist auch Lehrerin, Erziehungswissenschaftlerin und Soziologin.
Foto: zVg
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3. Schulort einrichten
Ich empfehle, in der Wohnung einen Platz einzurichten, an dem keine Spielsachen rumliegen und die Kinder in Ruhe arbeiten können. Ein Ort, der nur für die Schule reserviert ist und an dem klar ist: Hier wird gearbeitet. Da der Schulweg und das Schulhaus wegfallen, ist das für die Kinder sehr wichtig. Schule sollte örtlich gebunden sein. Dann lässt sich das Kind auch weniger ablenken als sonst. Am besten dort auch noch gleich einen kleinen Frustort einrichten, mit einem Boxsack für die Kinder und Gin Tonic für die Eltern.

4. Kein Super-Lehrer sein wollen
Schuster, bleib bei deinen Leisten: Um eine coole Lehrkraft zu werden, braucht es ein vierjähriges Studium. Das ist harte Arbeit, das kann nicht jeder – damit sollten die Eltern sich abfinden. Deshalb brauchen die Lehrer auch mindestens 12 Wochen Ferien. Man muss als Eltern auch nicht den Anspruch haben, dass man so gut ist wie das Lehrpersonal. Eltern dürfen Eltern bleiben. Es ist nicht so tragisch, wenn man das komplizierte Homeschooling-Tool nicht sofort checkt. Hinzu kommt: Viele merken jetzt auch, dass das eigene Kind gar nicht so hochbegabt ist wie vorher angenommen. Auch das ist okay.

5. Hauswirtschaftslektionen erteilen
Unbedingt die Kinder jetzt im Haushalt einbinden und ihnen Alltagsdinge wie Kochen, Nähen, Waschen beibringen. Das macht wirklich Sinn. Wir haben wohl nie mehr so viel Zeit und Möglichkeit, den Sprösslingen diese Sachen beizubringen, wie jetzt. Wenn ein Kind, das älter als neun Jahre alt ist, nach diesen drei Monaten Lockdown nicht einen Dreigänger zaubern oder die ganze Wohnung putzen kann, hat man als Eltern echt eine grosse Chance verpasst. Kinderarbeit konnte man noch nie so einfach rechtfertigen wie jetzt unter dem Deckmantel der Pädagogik.

6. Auf eigene Ressourcen zurückgreifen
Hat man eine Stadtwohnung, kann man sich die Natur aufs Fensterbrett oder den Balkon holen und eine Gemüsekiste einrichten. Wenn jemand einen grossen Garten hat, muss der jetzt eh gemacht werden. Auch Keller aufräumen lässt sich spielerisch mit einer Modeschau verbinden. So kann diese ungewöhnliche Zeit für die Kinder wie ein langes Ferienlager gestaltet werden. Es ist die grösste Krise, die wir je erlebt haben. Die Jungen werden daraus Fähigkeiten entwickeln, die unsere Generation nie gelernt hat. Sie müssen nun in den eigenen vier Wänden kreativ werden, da sie nicht immer rauskönnen, nicht immer alles konsumieren können. Sie lernen, mitzuhelfen im Haushalt, Rücksicht zu nehmen auf eine ältere Generation. Und ganz wichtig: Sie sehen die Eltern beim Arbeiten, sehen, dass die wirklich etwas tun und nicht bloss ins Büro fahren und wieder heimkommen. Das fördert gegenseitigen Respekt.

7. Prüfungsstress ade!
Man darf sich und seine Kinder nicht von bevorstehenden Prüfungen stressen lassen. Es ist unmöglich, dass man diese Prüfungen so gestaltet wie in den Jahren zuvor. Unsere Behörden werden da passende Lösungen finden. Und ob die Kinder ihre Hausaufgaben gemacht haben oder nicht, ist im Moment nicht unser grösstes Problem. Wenn wir als Gesellschaft den Höhepunkt der Corona-Krise überwunden haben, werden wir Lösungen finden. Wenn es dann heisst, dass Ferien gestrichen werden oder dass das Kind ein halbes Jahr repetieren muss, dann ist das nicht das Schlimmste. Ich habe da vollstes Vertrauen in die Expertinnen und Experten. Und die Resilienz der Kinder.

8. Grosseltern virtuell einbinden
Wenn man seine Homeschooling-Kinder nicht mehr ertragen kann, einfach das Telefon in die Hand nehmen und die Grosseltern anrufen. Dann darf man auch mal ihnen die Verantwortung übertragen. Die werden sich freuen, ihre Enkel wieder mal zu sehen. Oder einfach mal wieder ein Briefchen an die Grossmutter und den Grossvater schreiben. Unsere Senioren sind unglaublich wichtig als Seelentröster, Babysitter, Erziehungsinstanz, und das sehen wir nun auch. Die Grosseltern sind nicht nur Geldgeber und Erblasser, schon gar keine AHV-Belastung, die man loswerden möchte, sondern eine Stütze der Gesellschaft. Die Welt wird nach der Krise eine andere sein. Ich hoffe, eine bessere.
Man wird das Zwischenmenschliche, die Nähe zu den Menschen, die man im Moment nicht treffen kann, wieder viel mehr zu schätzen wissen.


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