Fredy Knie jr. über Kampf um Standplätze
«Die Städte geben uns immer weniger Raum»

Das Zirkuszelt wird wieder aufgebaut. Drohnen fliegen, Pferde galoppieren, und eine Frau unterhält alleine in der Manege. Der Nationalcircus Knie meistert den Spagat zwischen Tradition und Innovation.
Publiziert: 04.05.2018 um 14:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:10 Uhr
Fredy Knie jr. am Mittwoch auf dem Balkon des Zürcher Opernhauses mit Sicht auf den Zeltaufbau.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
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Interview: Flavia Schlittler, Fotos: Philippe Rossier

Morgen feiert der Nationalcircus Knie Premiere in Zürich. Bei einer Tasse Schwarztee mit Milch erzählt Zirkus-Direktor Fredy Knie jr. (71) offen und engagiert darüber, was abseits der Manege sein Gemüt erregt.

BLICK: Wie aufgeregt sind Sie vor der Zürich-Premiere?
Fredy Knie jr.: Wir freuen uns sehr und sind parat. Zwischen unserem Saisonstart Mitte März in Rapperswil und der Premiere in Zürich schleifen wir stark am Programm. Das Licht wird finalisiert, die Choreografien verfeinert. Für unsere Komikerin Helga Schneider ist es eine grosse Herausforderung, vor einem Publikum zu stehen, das nicht nur wegen ihr in den Zirkus kommt. Vor allem für die Nachmittagsvorstellungen mit Kindern war sie anfangs noch zu deftig. Nun kommt sie auch bei den Kleinen sehr gut an.

Ist sie Ihre Frauenquote?
Überhaupt nicht, das ist reiner Zufall. Wir schauen auf die Qualität der Nummern und nicht darauf, ob es eine Frau oder ein Mann ist. 

Der Zürcher Sechseläutenplatz soll nur noch 65 Tage im Jahr belegt werden. Was würde das für den Zirkus bedeuten?
Würde die Abstimmung am 10. Juni angenommen, die vorsieht, dass der Platz 300 Tage pro Jahr frei bliebe, würde dies für uns, das Weihnachtsdorf und das Zurich Film Festival Auswirkungen haben. Die 3000 Leute, welche die Initiative unterschrieben haben, wissen nicht, wofür sie ihre Unterschrift gegeben haben. Logisch, wenn dich jemand auf der Strasse fragt, willst du einen freien Platz, wer sagt da nicht ja. Doch die wenigsten wissen, was damit zusammenhängt. Ein Ja wäre eine Katastrophe.

Zürich verdient viel Geld am Circus Knie.
Ja, wir machen durchschnittlich 5 Millionen Umsatz, zehn Prozent gehen an die Stadt.

Was wäre die Alternative?
Wir haben keinen Plan B. Auf die Landiwiese, auf der wir 45 Jahre lang unsere Wohnwagen geparkt haben, können wir nicht mehr hin, die ist nun Grünzone. Dann gäbe es uns in Zürich nicht mehr. Weitergehen würde es für uns auf jeden Fall.

Für den Circus Knie ist die Zürcher Premiere ein besonderes Highlight.
Foto: PHILIPPE ROSSIER

Sie kämpfen auch nach wir vor gegen Ticket-Betrug.
Und zwar massiv. Auch nachdem alle Medien über die mafiösen Methoden von Viagogo geschrieben haben, fallen noch viele darauf rein. Die zahlen so viel Geld, dass sie bei Google an erster Stelle kommen und unsere Tickets anbieten. Sie drucken diese aus, verschicken sie und buchen in Währungen wie Rubel die Gebühren auch gleich noch ab. Letzhin kam eine Frau auf uns zu und berichtete, sie hätte da zwei 20-Franken-Tickets bestellt, abgebucht wurden ihr 360 Franken. Zudem geben sie an, dass unsere Vorstellungen ausverkauft sind, was nicht zutrifft. Es geht uns sehr nahe, wenn unser Publikum betrogen wird. Nur ist es schwer, die Betreiber zu fassen, doch wir bleiben dran. 

Dran bleiben Sie auch bei Innovationen, erstmals gibts eine Nummer mit Drohnen.
Ein traditioneller Zirkus ist kein verstaubter. Wir müssen mit dem Zeitgeist gehen und spüren, was das Publikum will.

Halten Sie an Tieren fest?
Auf jeden Fall. Menschen lieben Tiere in ihrer natürlichen Schönheit. Zum Glück hat sich vieles verändert. So will heute niemand mehr ein Äffchen im Kleid oder einen Hund mit Hut sehen, was ich sehr begrüsse. Glauben Sie mir, wenn unsere Tiere nicht gut gehalten würden, würde es das Publikum sofort merken. Wir haben keine Raubtiere mehr, auch wenn dies nicht verboten ist. Die Städte geben uns immer weniger Raum, deshalb verzichten wir auf sie.

Sie stehen das erste Mal nicht mehr vor Publikum in der Manege.
Stimmt, und es ist schön, wenn das jemandem auffällt. Nächstes Jahr feiern wir 100-Jahr-Jubiläum, das gibt viel Arbeit. Ich habe immer meine Tiere in den Mittelpunkt gestellt. Dann meine Tochter Géraldine, die artistische Leiterin ist, und nun meine Enkel. Mit ihnen stehe ich jeden Tag von halb neun bis Mittag in der Manege, gebe ihnen mein Wissen weiter. Dies ist mein Tages-Highlight. Ich muss mir nichts mehr beweisen, Applaus bekam ich genug in meinem Leben.

Nächstes Jahr gibt es das Knie-Musical. Was halten Sie davon?
Wir haben damit nichts zu tun, und ich will auch nichts davon wissen. Das schützt mich davor dreinzureden (lacht). Mein Bruder Rolf macht alles. 

Was ist die grösste Herausforderung, die auf den Zirkus zukommt?
Die Kosten im Griff zu haben. Die gehen punkto Personal, Standmieten, Versicherungen et cetera jährlich rauf, die Eintrittspreise können wir aber nicht entsprechend anpassen.

Sein Herz schlägt für die Pferde

Fredy Knie jr. ist quasi im Zirkus geboren. Seit Anbeginn reist er während acht Monaten pro Jahr mit seinem Wohnwagen durch die Schweiz. Knies Herz schlägt für Pferde, worüber er das Buch «Mein Leben – meine Pferde» geschrieben hat. Der Zirkusdirektor ist mit Marie-José verheiratet, ist Vater von Géraldine, der er die artistische Leitung übergeben hat, und hat drei Enkel.

Fredy Knie jr. ist quasi im Zirkus geboren. Seit Anbeginn reist er während acht Monaten pro Jahr mit seinem Wohnwagen durch die Schweiz. Knies Herz schlägt für Pferde, worüber er das Buch «Mein Leben – meine Pferde» geschrieben hat. Der Zirkusdirektor ist mit Marie-José verheiratet, ist Vater von Géraldine, der er die artistische Leitung übergeben hat, und hat drei Enkel.

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