Carlos Leal über seine Jugend mit Drogen
«Ich musste schon zu viele Freunde beerdigen»

Vom Rapper zum Bond-Gespielen und wieder zurück. Auf den Spuren von Carlos Leal.
Publiziert: 16.04.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:39 Uhr
Hat sich nach oben gekämpft: Künstler Carlos Leal.
Foto: Nicolas Righetti
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Interview: Cinzia Venafro (Text) und Nicolas Righetti (Fotos)

BLICK: Carlos Leal, wir treffen uns in Ihrem alten Quartier in Renens bei Lausanne. Sie haben gestern in der Wohnung Ihrer Eltern übernachtet. Wie war das?
Carlos Leal:
Papa und Mama wohnen noch immer im selben Block, in dem ich aufgewachsen bin. Sogar die Möbel sind fast die gleichen. Als ich in meinem alten Zimmer aufgewacht bin, spürte ich, wer ich bin. Ich liebe es, an diesen Ort zurückzukehren. Es hilft mir, auf dem Boden zu bleiben.

Fragt man Sie in Ihrer Wahlheimat Los Angeles nach Ihrer Herkunft?Nein. In den USA werde ich nicht gefragt, woher ich komme – sondern wohin ich will. Das unterscheidet die Amerikaner von den Europäern.

Was würde der 18-jährige Carlos zum Carlos von heute sagen?
«Holy Shit, man! Good Job!» Ich hätte mir niemals träumen lassen, eines Tages Teil der Filmindustrie in Hollywood zu sein.

Ihre Eltern haben sich früher Sorgen um Sie gemacht, auch weil Sie in einem berüchtigten Quartier aufwuchsen.
Renens war schlimm. Ich musste in meinem Leben schon zu viele Freunde beerdigen. In den 90er- Jahren waren die Drogen überall, alleine aus meinem Block leben heute vier Freunde nicht mehr. Sie sind an Heroin gestorben. Zum Glück habe ich mit Breakdance und Rap etwas gefunden, das mich ablenkte. So bin ich diesem Mist nicht verfallen, obwohl die Drogen die ganze Zeit da waren.

Haben Sie Drogen genommen?
Ich habe viel ausprobiert im Leben, das hört man meinen Songs an. Vielleicht habe ich Drogen genommen, vielleicht nicht.

Die Kunst hat Sie also vor einer Drogenkarriere bewahrt?
Die Musik und der Tanz, aber auch meine Erziehung und nicht zuletzt mein grosser Bruder. Er hat mich gestoppt, wenn ich falsche Entscheidungen treffen wollte.

Was erzählen Sie Ihrem achtjährigen Sohn von Ihrer Jugend?
Eines habe ich mir geschworen: Ich werde Elvis meine bescheidene Kindheit niemals vor die Nase halten und sagen: «Du hast so viel, schätze es! Dein Vater musste unten durch.» Es ist mein Problem, wenn ich es schwierig hatte. Ich habe ihm sein gut behütetes Leben erarbeitet und darum kein Recht, ihm das vorzuhalten. Wenn Elvis älter ist, werde ich ihm von meinen Wurzeln erzählen.

Wie wächst Elvis auf? Mit lauter Rich Kids als Freunden in Hollywood?Genau das haben wir verhindert. Wir haben ihn in einer speziellen Schule eingeschrieben. Deren Fokus ist die Freiheit, es ist eine Art Waldorfausbildung mit anthroposophischen Ansätzen, viel Kunst und Musik.

Gibt es Pläne für ein Geschwisterchen?
Ja, wir wünschen uns schon lange ein zweites Kind. Aber da spielen so viele Faktoren mit, der Wunsch alleine reicht nicht aus. Wenn es sein soll, dann wird es kommen.

Sie verdienen als Schauspieler genug, um Ihren Sohn auf eine Privatschule zu schicken. Wie hat die Arbeiterherkunft Ihr Verhältnis zu Geld beeinflusst?
Geld ist mir egal. Ich bin sehr grosszügig und horte meine Einnahmen überhaupt nicht.

Im Gegensatz zu Ihren Eltern.
Für sie war es als spanische Gastarbeiter extrem schwierig, an Geld zu kommen. Deshalb hatte es einen viel höheren Stellenwert. Ein Immigrant war damals kein Mensch, wenn er keine Arbeit hatte. Wer arbeitslos war, war ein Fremdkörper ohne Bestimmung. Diese Einstellung zur Arbeit habe ich von ihnen mitbekommen und bin darum ein Workaholic geworden.

Sie sind also kein Faulpelz?
Faul sein wäre für mich und meinen Vater das Schlimmste. Aber im Gegensatz zu ihm habe ich realisiert, dass Arbeit nicht automatisch Schmerz bedeuten muss. Und Geld nicht über Verletzungen zu verdienen ist.

Inwiefern?
Als Künstler will ich hart arbeiten, aber nicht auf schmerzvolle Weise. Schauspiel und Musik müssen Freude machen, sonst kommt nichts Gutes dabei raus.

Bei Ihren Eltern war das anders.
Genau. Sie schufteten in Schichten in der Nähfabrik. Ich musste zum Mittagessen zu ihnen in die Cafeteria. Ein Bild hat sich in mein Gedächtnis gebrannt: Mein Vater, der abends um fünf heimkommt, etwas isst, und dann um sieben das Haus für seinen zweiten Job verlässt. Im Gegensatz zu mir aber hatte er, wenn er endlich fertig war, tatsächlich Feierabend. Als Künstler habe ich das nie, die Pferde treiben mich innerlich immer an.

Nun haben Sie mit «Reflections» sogar ein Musik-Comeback gewagt. Was war Ihr Antrieb dazu?
Geliebt zu werden, war zu lange mein Motor. Nun wollte ich eine Platte machen, die nur für mich ist. Und wenn mir nun jemand sagt, «schade, da fehlt Sens Unik», dann entgegne ich ihm: «Hör hin, oder lass es sein.»

Das tönt kämpferisch.
Für mich war es ein wichtiger Prozess. Diese Selbstbestimmung durchzusetzen hat mich endgültig zum Mann gemacht. Ich fühle mich dank dieses Albums erstmals im Leben erwachsen und reif. Aber da ist glücklicherweise auch noch der junge Typ in mir, der immer neue Abenteuer erleben will.

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