Andrea Scherz führt das glamouröse Hotel in dritter Generation
«Sogar Michael Jackson wollte uns das Palace abkaufen»

Das Hotel Palace in Gstaad ist weltbekannt. In der gut 100-jährigen Geschichte sind die Schönen, Reichen und Prominenten im Märchenschloss hoch über dem Dorf abgestiegen. Und das Palace ist eines der letzten inhabergeführten Grand Hotels in Europa. BLICK hat Inhaber und Direktor Andrea Scherz (48) unmittelbar vor dem Saisonstart zum Interview getroffen.
Publiziert: 23.12.2017 um 20:50 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:54 Uhr
Das winterliche Hotel Palace in Gstaad bei Nacht (Drohnenaufnahme).
Foto: zVg
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Jean-Claude Galli

Erhaben thront das Hotel Palace über dem Dorf. Noch sind die Strassen leer, und im edlen Fünfsternehaus ist es ruhig, die Wintersaison beginnt am 22. Dezember. Auf die Frage des Fotografen, ob er später auch Drohnenaufnahmen machen dürfe, sagt Direktor Andrea Scherz (48): «Lieber nicht, die Fahne ist noch nicht montiert. Und das Palace ohne Fahne ist wie ein Ross ohne Schwanz.» Ein gelungenes Bild, das das Renommee dieser Adresse gut umschreibt.

BLICK: War von Beginn weg klar, dass Sie das Hotel einst übernehmen würden?
Andrea Scherz: Meine berufliche Zukunft war eine Art Tabuthema. Mein Vater wollte mich nie Richtung Hotellerie drängen. «Mach, was dich glücklich macht», sagte er. So hatte ich eigentlich freie Wahl. Aber bereits als Teenager merkte ich, dass ich an Gstaad hänge. Hier bin ich aufgewachsen und zu Hause. Schon als Kind war ich stark verbunden mit dem Hotel, es war der schönste Spielplatz für mich. Ich stibitzte den Eltern jeweils den Schlüssel und kam mit Freunden her, um Verstecken zu spielen. Wir fuhren mit Velos durch die Gänge. Und einmal schnappten wir uns einen ausrangierten Coiffeurstuhl und rollten damit durch den Saal. 

Wurden Sie in der Schule anders behandelt, weil Sie der Junge des Palace waren?
Von den Lehrern sicher nicht, von den Schulkollegen manchmal schon. Sie sahen halt einfach dieses Palace, und man sprach von den Gästen. Diese Leute waren reich und die meisten meiner Kameraden waren Bauernkinder. Das war für sie eine andere Welt hier oben. Nicht alle begriffen, dass ich gar nicht in diese Welt gehörte. Dass wir Büezer waren, übertrieben gesagt eine Arbeiterfamilie. Sie meinten, wir seien so reich wie unsere Gäste. Was nicht stimmte – ausser, wir hätten das Hotel verkauft.

Ein gutes Stichwort: Es gibt diese Geschichte, dass Michael Jackson das Hotel kaufen wollte. Ist die gut erfunden oder hat sie wirklich stattgefunden?
Das ist eine absolut wahre Geschichte. Michael war befreundet mit Liz Taylor, die hatte am Oberbort das Chalet Ariel. Irgendwann sagte sie ihm: Du kannst mein Chalet benützen. Sie war auch mit uns befreundet und rief an: Michael Jackson kommt, könnt ihr euch um ihn kümmern? Dann haben wir einen Koch gestellt, Zimmermädchen und Sicherheitspersonal, wir haben geschaut, dass es ihm wohl ist. Er verliebte sich in das Saanenland, wie viele unserer Gäste. Um die Jahrtausendwende verlangte er ein Rendez-vous mit meinem Vater. Er kam zu uns heim, wir tranken einen Aperitif, und er sagte: Ich möchte das Hotel kaufen. Und wir sagten: Sorry, es ist unverkäuflich. Aber die noch bessere Anekdote ist eigentlich diese hier: Michael schrieb sich die Nummer meines Vaters auf. Eines morgens um sechs rief er an, wohl, weil er nicht an die Zeitverschiebung dachte. Und mein Vater meinte, ich erlaube mir einen Spass, fluchte zünftig ins Telefon und legte auf. Zum Glück verstand er kein Schweizerdeutsch.

Kommen solche Kaufanfragen regelmässig vor?
Gerüchte, das Hotel sei zu verkaufen, gibt es etwa alle 12 Monate, wenn sich jemand an einer Dinnerparty interessant machen will und sagt: Hast du gehört, das Palace steht zum Verkauf. Angebote haben wir etwa alle drei Jahre. Und alle fünf bis acht Jahre kommt jemand ernsthaft auf uns zu. Aber wir kommunizieren stets klar: Das Palace steht nicht zum Verkauf. Das ist auch weiterhin so. Mit dem Generationenwechsel müssen wir dann schauen, ob es meine Kinder weiterführen, ob das noch machbar ist. Aber solange die Sterne so stehen, dass eines der Kinder nachkommt, ist es nicht zu verkaufen. Und es ist ein Traumjob hier: Wir dürfen uns fühlen wie Könige, die ganze Welt kommt zu uns.

Was macht die viel beschworene Faszination von Gstaad eigentlich aus?
Werfen Sie ganz einfach einen Blick nach draussen. Da ist eine schöne, liebliche Berglandschaft. Und Gstaad ist unter der Baumgrenze, überall sind Bäume. Dazu kommen die Chalets mit dem markanten Stil, das ergibt eine einzigartige Dramaturgie. Man ist in zehn Minuten in der Natur draussen. Man ist sicher hier. Und man findet immer einen Parkplatz, ausser vielleicht in der Hochsaison. Die Lebensqualität ist genial.

Man spricht oft von den wilden Zeiten von früher. Sind Ihre Gäste ruhiger geworden?
Das ist so. Dafür verantwortlich sind zwei Faktoren. Erstens haben wir alle TV-Kanäle dieser Welt, wir haben Internet und Youtube. Alles Verrückte und Lustige, das auf der Welt passiert, haben wir auf unserem Smartphone. Andererseits arbeiten wir mehr. Wir werden ausgepresst wie Zitronen. Wir müssen mehr leisten, wegen der Mails, wegen dieser Schnelllebigkeit. Früher mussten sich die Leute noch selber unterhalten, das war ein Spektakel. Die Gäste banden Türen mit Schnur zusammen oder vertauschten in der Nacht alle Schuhe. Um Gäste zu amüsieren, verkleidete sich mein Grossvater jeweils noch. Manchmal machte er das so gut, dass ihn nicht einmal meine Grossmutter erkannte. In meinem Büro habe ich ein Foto: Das zeigt, wie mein Vater mit seinen Geschwistern für die Gäste Zirkus spielte unter dem Kommando meines Grossvaters. Mein Vater steckte sich als Zirkusnummer eine Nadel durch die Wange.

Von Marlene Dietrich bis Quentin Tarantino

Ernst Scherz, der Grossvater des heutigen Direktors, begründete anfangs der 1960er-Jahre den Ruf des Palace als Treffpunkt berühmter Namen, indem er Grössen wie Ella Fitzgerald, Maurice Chevalier, Petula Clark oder Louis Armstrong als Showacts engagierte und damit auch prominente Gäste anlockte. Eine diesbezügliche Sternstunde war der 15. Februar 1964 mit dem Auftritt von Marlene Dietrich. 1975 wurden das Palace und Gstaad zum Schauplatz des Spielfilms «The Return of the Pink Panther» mit Peter Sellers in der Hauptrolle. Regie führte Blake Edwards (†2010), seit 1969 verheiratet mit Julie Andrews. Die Mary-Poppins-Darstellerin lebt noch heute vor Ort und ist seit 2014 Ehrenbürgerin der Gemeinde Saanen. Der Ruf des Palace als Glamour-Heimstätte hält bis heute. Letztes Jahre grüsste unter anderen Starregisseur Quentin Tarantino. Über die aktuellen Namen wird jeweils Stillschweigen bewahrt. Diskretion gehört zum Erfolgsmodell.  

Ernst Scherz, der Grossvater des heutigen Direktors, begründete anfangs der 1960er-Jahre den Ruf des Palace als Treffpunkt berühmter Namen, indem er Grössen wie Ella Fitzgerald, Maurice Chevalier, Petula Clark oder Louis Armstrong als Showacts engagierte und damit auch prominente Gäste anlockte. Eine diesbezügliche Sternstunde war der 15. Februar 1964 mit dem Auftritt von Marlene Dietrich. 1975 wurden das Palace und Gstaad zum Schauplatz des Spielfilms «The Return of the Pink Panther» mit Peter Sellers in der Hauptrolle. Regie führte Blake Edwards (†2010), seit 1969 verheiratet mit Julie Andrews. Die Mary-Poppins-Darstellerin lebt noch heute vor Ort und ist seit 2014 Ehrenbürgerin der Gemeinde Saanen. Der Ruf des Palace als Glamour-Heimstätte hält bis heute. Letztes Jahre grüsste unter anderen Starregisseur Quentin Tarantino. Über die aktuellen Namen wird jeweils Stillschweigen bewahrt. Diskretion gehört zum Erfolgsmodell.  

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