Michael van Orsouw (57), Experte für Blaues Blut, über die Faszination der Monarchie
«Ich glaube nicht, dass sie die Schweiz ins Herz geschlossen hatte»

Michael van Orsouw (57) hat schon mehrere Bücher über die Beziehung von Königshäusern zur Schweiz geschrieben, unter anderen «Blaues Blut – Royale Geschichten aus der Schweiz».
Publiziert: 10.09.2022 um 21:13 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2022 um 07:20 Uhr
Nach dem Tod von Königin Elizabeth II. standen auch in Bundesbern die Fahnen auf halbmast.
Foto: keystone-sda.ch
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Interview: Daniel Arnet

Blick: Herr van Orsouw, wo waren Sie, als Sie vom Tod der Queen erfuhren?
Michael van Orsouw: Interessanterweise war ich gerade auf einem Schloss. Ich hatte eine Lesung aus meinem neuen Habsburgerbuch «Luise und Leopold» auf Schloss Jegenstorf bei Bern. Eine royale Lesung in einem royalen Umfeld – und dann diese Nachricht. Das war schon seltsam.

Was ging Ihnen als Erstes durch den Kopf?
Jesses Gott! Der zweite Gedanke war: Jetzt ist sie bei ihrem Philip. Der dritte Gedanke: Wahnsinn, 70 Jahre lang war diese Frau Königin. In unserer schnelllebigen Welt hat sonst nichts mehr so lange Bestand.

Als Sie dort mit den Menschen über den Tod sprachen – wie war ihre Reaktion?
Beim anschliessenden Apéro machte die Nachricht die Runde. Nun würde ich gerne sagen, dass alle heulten. Das stimmt aber nicht.

Experte für royale Geschichten

Michael van Orsouw (56) ist promovierter Historiker und Schriftsteller. Zusammen mit Judith Stadlin war er zeitweilig Kolumnist im Blick: Die beiden Sprachakrobaten verwendeten ausschliesslich real existierende Ortsnamen als Wörter. Van Orsouw schreibt regelmässig über historische Themen.

Thomas Meier

Michael van Orsouw (56) ist promovierter Historiker und Schriftsteller. Zusammen mit Judith Stadlin war er zeitweilig Kolumnist im Blick: Die beiden Sprachakrobaten verwendeten ausschliesslich real existierende Ortsnamen als Wörter. Van Orsouw schreibt regelmässig über historische Themen.

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Und trotzdem haben selbst wir in der Schweiz eine emotionale Bindung zur Queen. Weshalb?
Sie ist zu einer Institution geworden. Sie war länger im Amt, als manche Menschen alt werden – das ist verrückt! Mehrere Generationen sind mit dieser Frau gross geworden.

Aber sie war ja nie sehr nahbar.
Sie hat ihre Funktion immer sehr vorbildlich und tugendhaft erfüllt. Und all das Unglück, das über das Haus Windsor hereinbrach, ertrug sie stets mit stoischer Ruhe. Gleichzeitig war sie aber nie selber in die Skandale verwickelt.

Macht sie dies zu einem normalen Menschen?
Sie war überhaupt keine normale Person, aber sie hatte die normalen Probleme wie wir. Das macht es tröstlich. Beim Royalen gibt es Prunk und Pracht, aber daneben auch Abgründe. Das macht die Beschäftigung damit so faszinierend. Es ist wie eine TV-Soap, die echt ist: Man sieht, wenn die Queen auf die Jagd geht, wenn sie Probleme mit ihren Kindern hat …

Bei ihrem Besuch in der Schweiz im Jahr 1980 zeigte sich die Queen aber wieder unnahbarer.
Damals waren in der Schweiz Jugendunruhen, und gleichzeitig verübte die IRA viele Attentate in Nordirland und England. Deshalb schottete man die Königin ab. Dass sie deshalb zusammen mit ihrem zurückhaltenden Charakter ein distanziertes Bild von sich gab, ist nicht verwunderlich.

Von der Reise gibt es noch das Queen-Stübli auf dem Vierwaldstättersee-Dampfschiff «Stadt Luzern». Wird es nun zur Pilgerstätte für Schweizer Queen-Fans?
Das weiss ich nicht. Aber vom Sisi-Denkmal in Montreux dachte man zuerst auch, dass es zu einer Pilgerstätte würde, wo ständig Blumensträusse hingelegt werden. Doch dem ist nicht so. Und so wird vermutlich auch der Queen-Salon nicht zu einem besonderen Ort – dafür hätte die Beziehung enger sein müssen.

Wie meinen Sie das?
Die Beziehung der Queen zur Schweiz war nicht sehr eng. Sie war einmal da, und damit fertig. Ich glaube auch nicht, dass sie die Schweiz ins Herz geschlossen hatte – im Gegensatz zu ihrem Mann Philip, der häufiger in der Schweiz war: Er war Präsident des WWF und Präsident des Dachverbandes für den Reitsport. Beide hatten ihren Sitz in der Schweiz.

Der neue König Charles III. kam regelmässig nach Klosters in die Skiferien. Macht ihn das für uns fassbarer?
Das erleichtert den Zugang zu ihm bestimmt. Beim Lawinenunglück von 1977 kam er ja beinahe ums Leben. Und trotzdem kam er immer wieder hierher – erstaunlich!

Werden wir König Charles III. ebenfalls ins Herz schliessen?
Er hat einen entscheidenden Nachteil: Er wird nicht 70 Jahre lang König sein.

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