«Im Dreck wachsen die Blumen»
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Bligg über Corona-Krise:«Im Dreck wachsen die Blumen»

Corona verändert auch das Leben von Bligg
«Im Dreck wachsen die Blumen»

Die Corona-Krise bringt auch das Leben von Bligg durcheinander. Im Februar kam seine Tochter zur Welt, bis heute hat sie ihre Grosseltern noch nicht kennengelernt.
Publiziert: 25.04.2020 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2020 um 08:35 Uhr
Interview: Michel Imhof

15 Jahre ist es her, dass Bligg (43) das letzte Mal Hip-Hop machte. Nun kehrt der «Rosalie»-Sänger mit «Okey Dokey II» zu seinen Wurzeln zurück. Auf dem Album ist auch sein Sohn Lio (4) zu hören. Noch vor der Fertigstellung des neuen Albums ist Bligg zum zweiten Mal Vater geworden. Im Interview mit SonntagsBlick erzählt Bligg von der Geburt von Töchterchen Vivienne (zwei Monate), seine Corona-Isolation und was er noch alles lernen muss.

SonntagsBlick: Darf man Sie wieder Mundart-Rapper nennen? Eine Zeit lang fanden Sie diese Bezeichnung nicht so prickelnd
Bligg:
Bezeichnen Sie mich so, wie Sie möchten (lacht). 15 Jahre lang war meine Musik überhaupt nicht vom Hip-Hop geprägt. Darum gefiel mir die Bezeichnung Musiker besser. Auf dem neuen Album rappe ich aber wieder, darum passt das schon.

Wieso machen Sie wieder Hip-Hop?
«Okey Dokey» aus dem Jahr 2005 ist zu einem Lieblingsalbum meiner Fans geworden. Es ist ein Mixalbum, darauf habe ich mit der Musik herumexperimentiert und mir keine Grenzen gesetzt, ein musikalischer Spielplatz also. Um die Jahrtausendwende haben Hip-Hop-Musiker ihre selbst gebrannten Mixtapes unter der Hand auf der Strasse verkauft. Dieses Erlebnis wollte ich im Studio wieder aufleben lassen.

Auch Bligg isoliert sich während der Corona-Krise. Diese Abschottung kenne er allerdings aus Zeiten von Albumproduktionen.
Foto: Adrian Bretscher
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Sogar Ihr vierjähriger Sohn Lio hat es auf die Platte geschafft.
Genau, bei «Was jetzt!» ist er im Refrain dabei. Beim Vorgängeralbum kam die Kinderstimme von meinem Göttimeitli Naomi, welches damals drei Jahre alt war. Sie beide geben den Mixtapes diese kindliche Unbeschwertheit, die ich so mag.

Wie hat sich Lio im Studio geschlagen?
Natürlich wie ein Vollprofi. Es liegt ihm ja im Blut (lacht). Und logisch: Wenn ich zu Hause ständig im Studio sitze, darf er mir auch mal über die Schultern schauen.

Durch die Corona-Krise sitzt fast die ganze Schweiz zu Hause. Wie erleben Sie diese Zeit?
Sie ist auch für mich nicht einfach, aber ich versuche, das Ganze sehr objektiv zu sehen. Klar werde auch ich einen enormen finanziellen Schaden davontragen. Aber ich will mich nicht beschweren, es gibt Menschen, die wirklich harte Schicksalsschläge verkraften müssen. Mich trifft so was jetzt zum ersten Mal, und in der Schnittrechnung komme ich gut weg.

Welche Sorgen plagen Sie?
Natürlich sorge ich mich um mein Umfeld, insbesondere meine Grosseltern. Mein Sohn Lio ist im ersten Kindergartenjahr und wurde dort nun rausgerissen. Meine Tochter Vivienne kam im Februar – direkt vor dem Schweizer Corona-Ausbruch – zur Welt. Da ihre Mutter und ich uns an die BAG-Vorgaben halten und uns isolieren, haben ihre Grosseltern Vivienne noch nie gesehen. Da frage ich mich schon, was das für die kindliche Entwicklung bedeutet.

Schon die Geburt Ihrer Tochter war turbulent.
Genau, ich war mit «Art on Ice» auf Schweizer Tournee, als sie zur Welt kam. Vivienne kam um einiges früher als geplant, ihr Geduldsfaden ist anscheinend ähnlich lang wie meiner (lacht). Aber immerhin kam sie an meinem spielfreien Tag zur Welt. Schwierig war für mich die darauffolgende Woche: Ich war in Lausanne, Basel und Davos und war von Vivienne getrennt. Dabei wollte ich genau in diesen Tagen bei ihr sein.

Wie waren die ersten Wochen mit ihr?
Sicher ist: Ich werde noch einiges dazulernen. Bisher hatte ich ja einen Sohn, eine Tochter ist nochmals etwas ganz Neues. Noch kann ich nicht viel sagen, ausser: Sie ist noch sehr klein, ein paar Wochen alt, und ich freue mich auf das Abenteuer mit ihr. Sie ist zuckersüss.

Was sind Sie für ein Vater?
Ich denke, ich bin ein witziger Vater, der für viel Seich zu haben ist, aber auch – sofern angebracht – streng ist. Die Familie steht für mich über allem. Bevor ich jobbedingt mehrere Tage abwesend sein müsste und meine Kinder nie sehen würde, ginge ich lieber wieder auf den Bau. Hauptsache, ich kann bei meiner Familie sein.

Vom Rapper zum Familienmensch

Bligg wurde am 30. September 1976 als Marco Bliggensdorfer geboren und wuchs in Zürich-Schwamendingen auf. Gestartet in den Neunzigern als Rapper, machte er sich Mitte der Nuller-Jahre mit seinem Musik-Mix aus volkstümlichen Klängen, mit Mundart-Rap und -Pop einen Namen. Zu seinen grössten Hits zählen die Songs «Rosalie», «Manhattan» und «Legendä und Heldä». Sieben Swiss Music Awards gewann er bis heute. Neben der Bühne ist Bligg Familienvater, im Februar bekam Sohn Lio (4) mit Vivienne (2 Monate) eine kleine Schwester.

Bligg ist ein Familienmensch: Sohn Lio (4) und Tochter Vivienne (2 Monate) sieht er so oft wie möglich.

Bligg wurde am 30. September 1976 als Marco Bliggensdorfer geboren und wuchs in Zürich-Schwamendingen auf. Gestartet in den Neunzigern als Rapper, machte er sich Mitte der Nuller-Jahre mit seinem Musik-Mix aus volkstümlichen Klängen, mit Mundart-Rap und -Pop einen Namen. Zu seinen grössten Hits zählen die Songs «Rosalie», «Manhattan» und «Legendä und Heldä». Sieben Swiss Music Awards gewann er bis heute. Neben der Bühne ist Bligg Familienvater, im Februar bekam Sohn Lio (4) mit Vivienne (2 Monate) eine kleine Schwester.

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Wie verbringen Sie die Tage in Quarantäne?
Ich kenne solche Zeiten sehr gut. Wenn ich an neuer Musik arbeite, verbarrikadiere ich mich monatelang zu Hause im Studio und gehe nur höchst selten auf die Strasse. Darum bereitet mir die Isolierung keine Schwierigkeiten. Die Frage, die ich mir nun aber stellen musste, war: Will ich dieses Album wirklich genau jetzt rausbringen?

Was spricht dagegen?
Entweder geht es im ganzen Corona-Wirbel unter, oder es versinkt danach in der Entertainment-Flut, die auf uns zukommen wird. Viele Musiker behalten ja derzeit Musik zurück und arbeiten momentan an neuem Material. Ich habe mich für die schnelle Veröffentlichung entschieden, selbst wenn es dadurch wahrscheinlich einen Verlust geben wird. «Okey Dokey II» ist ein Herzensprojekt und ein langes Versprechen an meine Fans, welche durch die Krise jetzt schon ein Jahr auf Live-Auftritte von mir verzichten müssen. Mit dem Album kann ich ihnen in dieser Zeit trotzdem was geben.

Der Titel «Sorry Mama» mit Marc Sway könnte aktueller nicht sein.
Er dreht sich um die Misshandlung von Mutter Erde. Jetzt, mitten in der Corona-Krise, wirkt es fast so, als hätten wir das Ganze geplant – für mich und Marc ein unglaublich krasses Gefühl. Geschrieben und aufgenommen haben wir den Titel ja im letzten Sommer.

Es ist nach «Us Mänsch» das zweite Lied mit Marc Sway. Was schätzen Sie an ihm?
Wir sind sehr gute Freunde und kennen uns seit ewig. Er hat einen unglaublichen Humor, ein sehr liebes Herz, einen guten Sinn für Timing, der ihm sagt, wann man wo welchen Spruch platziert. Wir necken uns immer. Er sei eher der Ess-Typ, ich eher der Trefftyp.

Was nehmen Sie aus der Corona-Zeit mit?
Im Dreck wachsen die Blumen. Die Corona-Krise wird noch eine Weile dauern, die Welt verändern und wirtschaftlich vieles auf den Kopf stellen. Ich versuche aber, das Positive zu sehen: Das Bewusstsein füreinander wird grösser, die Wertschätzung nimmt zu. Menschen, die alle Relation zum Sinn verloren haben, werden nun eines Besseren belehrt. Und am spannendsten finde ich den technischen Fortschritt. Plötzlich sind Konferenzen, Meetings und Interviews per Videotelefon möglich. Jetzt werden wir effizienter und bewusster. Das ist das Gute.

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