Melanie Hughes über die grosse Frage zwischen 30 und 40
«Will ich ein Kind?»

Karriere, Unabhängigkeit und glückliche Paarbeziehung gegen ein Familienleben eintauschen? Dieser Frage stellt sich Melanie Hughes in ihrem Buch «Will ich ein Kind? Ja – Nein – Vielleicht».
Publiziert: 08.02.2020 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2020 um 11:55 Uhr
Franziska Pahle

Sie ist 39 Jahre alt. Laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik hat sie den Zenit ihres Lebens noch nicht einmal erreicht. Biologisch gesehen ist Melanie Hughes eine alte Frau – zumindest wenn es um das Thema Schwangerschaft geht. Ab 35 Jahren gilt eine Frau in der Schweiz als Risikoschwangere. 2001 war eine Schweizer Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes 28,9 Jahre alt, 2018 bereits 32. Tendenz steigend. Melanie Hughes, wohnhaft in Frankfurt am Main (D) und Geschäftsführerin und Mitgründerin eines Datenvermarkters im Onlinemarketing, war sich auch Ende 30 noch nicht sicher, ob sie Karriere gegen Kind eintauschen möchte. In ihrem Buch «Will ich ein Kind?» beleuchtet sie die Vor- und Nachteile eines Leben mit Baby und nimmt sich und unsere Gesellschaft humorvoll-selbstironisch unter die Lupe. Das Buch zu schreiben, half ihr, sich zu entscheiden. Heute ist Hughes Mutter einer kleinen Tochter.

BLICK: Wann wurden Sie zum ersten Mal gefragt, ob Sie Kinder haben möchten?
Melanie Hughes:
Ich war Anfang zwanzig und sass mit ein paar Studienkollegen bei einem Bier zusammen. Wir diskutierten darüber, wie sich unsere beruflichen Ambitionen und privaten Zukunftspläne vereinen liessen. Es war offensichtlich, dass sich nur die weiblichen Studierenden darum sorgten.

Sie haben Karriere gemacht, sind heute Geschäftsführerin. Waren Kinder nie ein Thema?
Ich habe die Entscheidung lange aufgeschoben. Frauen in unseren Breitengraden haben heutzutage gute Chancen über achtzig Jahre alt zu werden, aber das fruchtbare Zeitfenster bleibt kurz. Und Kinder sind die einzig wirklich irreversible Entscheidung, die man im Leben treffen muss. Bei mir tickte keine biologische Uhr. Mein Herz war nicht in der Lage, die Antwort klar zu formulieren. Zu viele Ängste, zu viel Kopf, und zu wenig Bauchgefühl vernebelten meinen Blick auf das, was ich wirklich wollte.

Melanie Hughes stellt sich in ihrem Buch der Frage, ob sie Kinder haben möchte – oder nicht.
Foto: Patrick Lipke
1/10

In Ihrem Buch sprechen Sie offen über Ihre Sorgen und Ängste: Wenn eine Frau ein Kind bekommt, gibt sie ihre Karriere und ihre Unabhängigkeit auf. Die eigenen Eltern machen Druck, man tauscht romantische Verabredungen mit dem Partner gegen schlaflose Nächte ...
... und die Ehrlichkeit in meinem Buch soll nicht provozieren, sie soll meinen Leserinnen guttun. Abgesehen davon: Lachen ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht!

Fühlen sich Frauen von unserer Gesellschaft unter Druck gesetzt?
Ja, das tun sie! Ich kenne keine kinderlose Frau, die in ihren Dreissigern nicht mit der Frage nach Kindern konfrontiert wurde. Gleichzeitig ist es eine sehr private Angelegenheit. Sollten gesundheitliche Gründe einen Kinderwunsch nicht erfüllen, würde ich das ehrlich kommunizieren. Vielleicht merkt das Gegenüber dann, dass seine Frage in diesem Fall eine Grenze überschritten hat.

Was muss sich in unserer Gesellschaft ändern, um die Frage nach einem Kind zu erleichtern?
Ich erwarte eine Umverteilung und fordere Politik, Arbeitgeber und die Partner auf, Mütter besserzustellen und zu entlasten. Dazu gehört eine verlässliche und flexible Kinderbetreuung, ebenso wie Karrieremöglichkeiten in Teilzeit und Männer, die sich für die häuslichen Pflichten gleich verantwortlich fühlen. Wenn alle nicht nur akzeptieren, sondern davon überzeugt sind, dass ein krankes Kind zu Hause wichtiger ist als Deadlines und Kostencontrolling, dann sind wir ein ganzes Stück näher an der Welt, wie ich sie mir wünsche.

Ihre Tochter kam im vergangenen Sommer zur Welt. Was hat sich für Sie verändert?
Ich habe eine grosse Liebe in mein Leben gelassen, bin im Gegenzug aber auch verletzlicher geworden.

Wie haben Sie sich für ein Kind entschieden?
Ich habe nun den für mich einzigen Punkt auf der Pro-Kinder-Liste kennengelernt, den ich als Nicht-Mutter finden konnte und von dem ich keine Vorstellung hatte, wie mächtig er ist: Mutterliebe.

Sind Ihre Horror-Vorstellungen wahr geworden?
Ja, natürlich! Auch ich werde in der Teilzeitfalle hängen bleiben, sehe meine Rentenbezüge abschmelzen, streite mit meinem Mann über Haushaltsthemen und kämpfe mit den Schwangerschaftspfunden. Aber als Mutter bin ich nun hormonell korrumpiert und finde alles gar nicht mehr so schlimm.

Was raten Sie Frauen, die nun immer noch nicht wissen, ob sie ein Kind möchten?
Bitte beschäftigen Sie sich mit der Frage und horchen Sie tief in sich hinein. Sprechen Sie mit Ihrem Partner, Ihren Freunden und Ihrer Familie. Treffen Sie aktiv eine Entscheidung und warten Sie nicht, bis die Biologie Ihnen die Entscheidung abnimmt.

Melanie Hughes' Buch «Will ich ein Kind? Ja – Nein – Vielleicht» ist ab dem 7. Februar im Handel erhältlich.

Das denken prominente Schweizer Frauen über Kinder und Karriere


Foto: Getty Images

Xenia Tchoumi (32), Influencerin und Model
«Ich denke, dass auf Frauen ein enormer sozialer Druck lastet, Kinder zu bekommen. Es ist schon fast wie eine moralische und soziale unausgesprochene Verpflichtung für eine Frau sich fortzupflanzen. Aber wissen Sie was? Eine Frau kann tun, was immer sie will. Genau wie ein Mann.»



Foto: Daniel Kellenberger

Nadine Vinzenz (36), Ex-Miss-Schweiz
«Schon als ich jung war, hatte ich noch nie den Wunsch, Kinder zu haben. Von wo das genau herkommt, weiss ich nicht. Ein grosser Teil davon ist aber sicher meiner Arbeit geschuldet. Ich liebe meinen Job, und da ist es nun einmal schwierig, Kinder zu haben. Für ein Kind trägt man eine enorm grosse Verantwortung, der ich mich nicht gewachsen fühle. Plus bin ich Single, womit ich noch weniger Verlangen nach Kindern habe. Darum: Hut ab vor allen alleinerziehenden Müttern. Ich könnte das nicht.»

Foto: ZVG


Frieda Hodel (37), Ex-Bachelorette
«Ich habe mir schon sehr, sehr lange ein Kind gewünscht. Ich hatte eine schwierige Kindheit und wollte bei meinem eigenen Baby alles anders machen und ihm einfach die Liebe geben, die ich in jungen Jahren vermisst habe. Zuria bereichert mein Leben und dieses Gefühl kann man mit Worten nicht beschreiben. Aber es ist ein Vollzeitjob. Zu 100 Prozent anderweitig ohne Hilfe zu arbeiten, ist nicht mehr möglich. Man ist auf eine Nanny, die Kita oder den Partner angewiesen.»


Foto: Thomas Meier


Morena Diaz (27), Lehrerin und Bloggerin
«Ich als Lehrerin liebe Kinder und empfinde sie als Bereicherung in jeder Hinsicht. Selber hätte ich sehr gerne mal ein bis zwei Kinder, jedoch finde ich, dass man absolut bereit dafür sein muss, vor allem zeitlich. Ich würde nur ein Kind in die Welt setzen, wenn ich wüsste, dass ich auch wirklich Zeit für mein Kind hätte und es grösstenteils mit mir als Mutter aufwachsen könnte. Wenn man sehr ambitioniert ist, wie ich jetzt, könnte ich diese für mich wichtige Voraussetzung nicht erfüllen.»


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