Sängerin Tanja Dankner ist jetzt Musiklehrerin
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Seit der Coronakrise:Sängerin Tanja Dankner ist jetzt Musiklehrerin

Kulturschaffende satteln um
«Nach der Pandemie braucht es uns»

Sie leben für die Bühne und vom Applaus des Publikums. Da dieser nun weitgehend fehlt und das Geld knapp wird, gehen Schweizer Kulturschaffende neue Wege. BLICK erzählen sie, was sie über Wasser hält.
Publiziert: 02.12.2020 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2021 um 15:41 Uhr
Flavia Schlittler, Dominik Hug und Patricia Broder

Die Gesänge und Pointen auf den grossen Bühnen sind verstummt, die Clubs sind geschlossen oder halb leer, gemischt wird nicht mehr am DJ-Pult, sondern für Pizzateig. Die kreative Leidenschaft und der eigentliche Broterwerb von Schweizer Prominenten liegt brach, die Corona-Krise hat auch sie in die Knie gezwungen. Doch sie geben nicht auf und haben sich neu erfunden.

Musical-Darstellerin Isabelle Flachsmann arbeitet als Übersetzerin (47): «Ich lebe von Gelegenheitsjobs als Englisch-Übersetzerin und schreibe im Auftrag eines deutschen Verlags ein Musical. Ich bin zuversichtlich, dass ich auch bald wieder auf der Bühne mit meiner Comedy-Truppe, den Exfreundinnen, stehen kann. Unser neues Programm ‹SEKT(e)› musste direkt nach der Premiere Ende Oktober die Notbremse ziehen. Mit weniger als fünfzig Besuchern war die Show leider nicht durchführbar. Die Spieldaten wurden ins 2021 verschoben. Ich bin froh, dass die Anliegen der Kulturbetriebe beim Bundesrat auf offene Ohren gestossen sind. So können wir hoffen, dass die vielen Theater und Veranstalter, mit denen wir auf unseren Tourneen zusammenarbeiten, die Krise überleben. Ich liebe meine Arbeit als Autorin, aber ich freue mich sehr aufs Wiedersehen mit einem Live-Publikum. Es gibt nichts Besseres als ein herzhaftes Lachen aus dem Zuschauerraum. Wir lassen uns nicht kleinkriegen. Denn nach der Pandemie braucht es uns.»

«Halte mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser»
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Isabelle Flachsmann:«Halte mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser»

Sängerin Tanja Dankner (46) unterrichtet Musik: «Nun sind acht Monate Corona-Zeit hinter mir, ich habe mich in diversen Stufen bewegt. Zwischen Schock, Umstellung, Angst, Homeschooling der Kinder, Job weg, in ein Loch fallen, wieder aufstehen. Im Spital Zollikerberg habe ich mit meiner 15-jährigen Tochter angefangen, Kinder von Ärzten und Pflegern zu betreuen, die sonst niemanden dafür hatten. Als es klar wurde, dass wir nicht mehr auftreten können und das Geld der SVA und vom Kanton so lange nicht kam, erlebte ich eine Zeit der extremen Existenzangst. Ich bin alleinerziehend, habe mir meine Karriere in den letzten 26 Jahren so aufgebaut, dass ich immer davon leben konnte. Meine Tour mit ‹Das Zelt› als Musical Director, Sängerin und Komponistin war auf einen Schlag vorbei, wie auch die mit meiner Band. Das hiess: null Einkommen. Die Berechnung der SVA war so tief, dass ich niemals damit leben konnte. Ich habe zum Glück Anfang August einen Job als Musiklehrerin an der Lipschule Zürich für Kindergarten, Primar- und Sekundarklassen gefunden, dafür bin ich zutiefst dankbar. Ohne finanzielle Unterstützung des Bundes ist der Weg für selbständigerwerbende Kulturschaffende nicht machbar. Wir sind alle froh, dass die Unterstützung des Bundes weiterläuft – danke allen, die so drangeblieben sind.»

Sängerin und Vocal-Coach Tanja Dankner lebt für die Bühne.
Foto: Tabea Hüberli
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DJane Carol Fernandez (34) ist neuerdings Pizzaiolo: «Normalerweise lege ich an exklusiven Partys in St. Moritz, Ibiza oder Tel Aviv auf oder führe mit meinem Love Mobile wie letztes Jahr die Street Parade an. Doch aufgrund der aktuellen Corona-Situation wurden meine Auftritte – ausser wenigen Ausnahmen im Sommer – alle abgesagt. Mein Mischpult und meine Kopfhörer haben Pause. Obwohl mein DJane-Herz blutet, ist das für mich kein Grund, Trübsal zu blasen. Man muss positiv bleiben. Ich hatte dieses Jahr bereits diverse Nebenjobs, habe im Büro gearbeitet und bei meinem Kollegen, Ex-Bachelor Patric Haziri, am Brezelstand am Zürcher Bellevue ausgeholfen. Ich genoss dabei den direkten Kontakt zu den Kunden. Aus diesem Grund freue ich mich auch sehr über meine neue Herausforderung: Ich arbeite neu im Restaurant Ritù in Zürich, einem Pizza- und Panini-Restaurant, und habe dafür sogar extra den Job als Pizzaiolo gelernt. Ich finde es toll, meine Gäste mit feinem italienischem Essen bewirten zu können. Und hoffe natürlich, wenn sich nächstes Jahr die Corona-Lage hoffentlich verbessert, im Ritù eine grosse Party – auch als DJane – feiern zu können.»

Komiker Peter Pfändler (59) arbeitet jetzt als Profiler: «Auftritte als Komiker wurden fast alle abgesagt. Also nahm ich meinen alten Job als Profiler und Kommunikationsexperte an, weil ich meine Familie ansonsten nicht durchbringen könnte. Es ist wissenschaftlich nachweisbar: Die Physiognomie, also die äussere Erscheinung, beeinflusst das Verhalten der Menschen. Es verdeutlicht Talente, Charaktereigenschaften und Verhaltensmuster. Ich werde beispielsweise von Firmen engagiert, wenn es am Arbeitsplatz Probleme zwischen Mitarbeitern gibt. Ich bin sehr gut darin, Menschen zu lesen, ihre Verhaltensweise zu deuten, ihre Körpersprache zu analysieren. Ist jemand belastbar, dafür eher verschlossen? Oder ist jemand hyperaktiv, dafür nicht besonders zuverlässig? Die richtige Mischung der Menschen ist entscheidend für ein gutes Arbeitsklima. Es braucht oft nicht viel, um Konfliktsituationen zu bereinigen. Meine Arbeit macht mir sehr viel Freude. Nichtsdestotrotz bin ich super froh, wenn ich eines Tages wieder als Komiker auf einer Bühne stehen kann. Die Menschen zum Lachen zu bringen, macht mir noch viel mehr Freude, als sie nur zu lesen.»

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