Die Urner Architektin Michèle Brand überrascht in «Drii Winter»
Laiendarstellerin auf dem grossen Sprung

«Drii Winter» ist der erste Schweizer Mundartfilm seit über 30 Jahren, der es in den Hauptwettbewerb der Berlinale geschafft hat. Nun vertritt er unser Land auch beim Oscar-Rennen. Seinen Reiz bezieht der Film auch aus dem Laien-Ensemble, angeführt von Michèle Brand.
Publiziert: 24.09.2022 um 10:10 Uhr
Jean-Claude Galli

Die Kritiker jubeln schon. «Michael Koch erfindet das Kino neu», schreibt die «Frankfurter Rundschau» über das eben angelaufene Drama «Drii Winter» des Luzerner Regisseurs. Und von «einer Schönheit an sich» schwärmt das Hollywood-Portal «Deadline». An der Berlinale wurde «Drii Winter» bereits ausgezeichnet und geht nun als offizieller Schweizer Beitrag ins Oscar-Rennen.

Aus dem Laien-Ensemble sticht Hauptdarstellerin Michèle Brand (31) heraus, die bis 2019 noch als Architektin gearbeitet hat und durch einen Artikel im «Urner Wochenblatt» auf den Film aufmerksam geworden ist. «Als ich den Artikel gelesen habe, bin ich gleich auf eine gute Art nervös geworden. Mir war gar nicht bewusst, dass ich mich für die Hauptrolle bewerbe», erzählt Brand. Sie habe sich jeden Tag auf den Dreh gefreut. «Wenn ich vor etwas Respekt hatte, waren es die emotionalen Szenen. Aber Michael hat uns so viel Druck genommen, indem er uns auch Freiheiten gab», sagt sie über den Regisseur.

Dank dem Film kann sie heute auch besser Auto fahren

Brand spielt die Ehefrau eines Bergbauern (dargestellt von Simon Wisler), der an einem Hirntumor erkrankt. Extrem schwierig seien Szenen mit alltäglichen Bewegungen gewesen. «Sobald eine Kamera da ist, ist man sich seiner Bewegungen und seiner Sprache plötzlich seltsam bewusst.» Überraschend leicht fiel ihr hingegen das Autofahren. «Dank dem Film habe ich meine Rückwärtsfahrtechnik stark verbessert.» Selbst intime Szenen seien ihr leichter gefallen als anfangs gedacht: «Die Kamera war wie ein Schutz. Sobald gedreht wurde, war es halt Anna, die Marco küsst, und nicht mehr Michèle, die Simon küsst.»

Michèle Brand im Februar 2022 anlässlich der Premiere von «Drii Winter» an der Berlinale. Der Film lief im Hauptwettbewerb und erhielt eine «lobende Erwähnung» der Jury.
Foto: EPA
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Trotz vieler Gegensätze zu ihrer früheren Tätigkeit als Architektin fielen Brand auch Parallelen auf: «Das Geduldhaben am Set, das Warten. Auch das Verständnis dafür, dass bei so einem Projekt sehr viele Leute an einem Strang ziehen müssen. Und beim Film kam noch das Wetter dazu.» Regen, Wind und Schnee sind die stummen Handlungsträger in «Drii Winter»: «Die Menschen sind ein Teil der Natur. Wir vergessen es manchmal, aber wir müssen uns immer wieder den Naturgewalten beugen. Im Guten wie im Schlechten. Man hat nicht alles unter Kontrolle, sondern ist ein kleiner Teil dieser gewaltigen Kraft. Das hat auch etwas Schönes und Befreiendes.»

«Vor Aufregung beinahe geplatzt»

Nach ihrem Debüt könnte sich Brand gut weitere Filmprojekte vorstellen. «Doch mein jetziger Beruf gefällt mir ebenso.» Dass «Drii Winter» für die Oscars vornominiert wurde, freut Brand sehr: «Ich finde es wunderschön, dass das Bundesamt für Kultur den Film ausgewählt hat und dadurch vor allem Michaels Arbeit so sehr würdigt. Das hat er definitiv verdient.»

Bei der Berlinale durfte sie die grosse Filmwelt erstmals miterleben: «Es war überwältigend. Trotzdem konnte ich es geniessen, bin vor Aufregung aber beinahe geplatzt. Am Abend nach der Premiere war ich wegen all der Emotionen fix und fertig. Meine Schwester hat nämlich auch noch ziemlich zur gleichen Zeit meinen Neffen zur Welt gebracht. Ein schöner, schon fast filmreifer Zufall.»

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