Der finale Trailer zu: «Joker»
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Joaquin Phoenix als Joker:Der finale Trailer zu: «Joker»

Das steckt hinter dem «Joker» mit Joaquin Phoenix
Irrwitzig und besessen – und doch nur ein Mensch

Er ist seit 80 Jahren Batmans Erzfeind und wurde immer wieder neu erfunden. Im neuen Film von Todd Phillips bekommt der Joker nun seine eigene Geschichte. Wir erklären das Phänomen des irren Narren in sechs Punkten.
Publiziert: 28.09.2019 um 13:33 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2019 um 13:48 Uhr
Valentin Rubin

Der Ursprung

1940 hat der lachende Clown seinen ersten Auftritt. Als Bösewicht im Comic «Batman». Ursprünglich hätte er den ersten Band gar nicht überleben sollen. Doch Whitney Ellsworth, der legendäre Redaktor des noch legendäreren Verlags DC-Comics, wehrt sich – und rettet Joker so im letzten Moment. Die Batman-Zeichner positionieren ihn in der Anfangszeit als grossen Gegenspieler des Superhelden. Doch weil er Batmans Unbesiegbarkeit in Frage stellt, wird er bald zur Nebenfigur degradiert. Für fast 25 Jahre. Erst 1973 feiert er als Comicfigur eine Rückkehr, 1975 erhält er als «Clownprinz des Verbrechens» gar eine eigene Comic-Reihe. 

Heute ist der Irre mit dem Narrengesicht aus der Batman-Geschichte nicht mehr wegzudenken. «Denkt man an Batman, denkt man immer auch an den Joker», sagt Experte Kai Mader von der Comic Convention Fantasy Basel. 

Mehr noch: Aus dem Joker ist eine Kultfigur geworden. Mit eigener Geschichte, eigener Dynamik – und eigenen Problemen. Der neue Film «Joker» von Todd Phillips widmet sich nun dessen Lebensgeschichte. Und Batman hat darin nicht mal eine Nebenrolle. 

Joaquin Phoenix spielt den neuen Joker. Im Film geht es aber nicht wie bis anhin um die Feindschaft zwischen ihm und Batman, sondern um die Entwicklung der Figur des Jokers.
Foto: Niko Tavernise
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Der Durchbruch

Richtig bekannt wird der Joker nicht auf Papier, sondern durch Hollywood: Jack Nicholson (82) stellte ihn 1989 in Tim Burtons «Batman» als ulkigen Irren mit absurden Zügen dar. Die Performance wird Kult. 2008 macht ihn ein anderer Schauspieler dann gar unsterblich: In «The Dark Knight» spielt der früh verstorbene Ausnahmeschauspieler Heath Ledger (1979–2008) einen schnalzenden, schmatzenden Joker mit verschmierter weiss-roter Schminke im Gesicht. Es ist eine der legendärsten Schauspielleistungen der letzten Jahre. Ledger erhält dafür posthum den Oscar für die beste Nebenrolle. Etwas weniger umjubelt ist der Auftritt von Jared Leto (47) 2016, seinerseits ebenfalls Oscar-Preisträger: In «Suicide Squat» spielt er – ganz nach altem Sujet – den psychisch durchtriebenen und unheimlichen Clown. Doch die exzessive Gewaltdarstellung sorgt für harsche Kritik. Nicht zum letzten Mal.

Der Schauspieler

Im aktuellen «Joker» bekommt die Figur nun eine Vergangenheit und einen zivilen Namen: Arthur Fleck. Gespielt wird er von Joaquin Phoenix (44), der als rachesüchtiger Kaiser Commodus in Ridley Scotts Antiken-Epos «Gladiator» (2000) berühmt wurde. Joaquin Phoenix nahm die Vorbereitung auf seine Rolle als Joker ernst: Über 20 Kilo hat er dafür abgenommen. Heath Ledger ging in seiner Vorbereitung auf die Rolle noch einen Schritt weiter: Wochenlang soll er sich in einem Hotelzimmer eingesperrt haben, um selbst den Wahnsinn der Einsamkeit, mit dem der Joker zu kämpfen hat, zu erfahren.

Mit Wahnsinn kennt sich auch Phoenix aus. Die Öffentlichkeit hielt ihn für geisteskrank, als er 2008 überraschend seinen Rücktritt aus dem Filmbusiness bekannt gab und eine Musikkarriere startete. Er schockte die Öffentlichkeit mit absurden Auftritten in Talkshows und Konzerten. Am Ende löste sich alles auf: Phoenix hatte seine exzentrischen Auftritte nur gespielt – sein Rückzug als Schauspieler war Teil eines humoristischen Dokumentarfilms. 

Heute gilt Phoenix als einer der ganz grossen Charakterdarsteller. Drei Mal war der 44-Jährige bereits im Gespräch für die Oscars: 2001, 2006 und 2013. Noch wartet er auf die Auszeichnung. Die Zeichen, dass er als Joker abräumt, stehen gut. Filmkritiker handeln ihn als Anwärter auf die begehrte Statue.

Die Kontroverse

Arthur Fleck alias Joker hat eine neurologische Störung. Sobald er starken Gefühlen ausgesetzt ist, entfährt ihm ein unkontrolliertes Lachen. Ein grausiges Lachen, das Angst erzeugt und gleichzeitig Mitleid verursacht. Mit seiner schauspielerischen Extraklasse zeichnet Phoenix so einen unheimlichen Psychopathen mit menschlichen Zügen.

Denn das ist der Joker im neuen Film: ein Mensch, dem das Schicksal übel mitgespielt hat. Und der dann eine Mordserie beginnt, die Nachahmer findet. Regisseur Phillips interessiert dabei die Frage: Wie wird ein Mensch zum Psychopathen? Woher kommt die Lust am Bösen? 

In den USA interessiert mittlerweile eine ganz andere Frage: Darf man einem Psychopathen zum Helden stilisieren? Der Hintergrund: 2012 massakrierte ein Einzeltäter in einem Kino im US-Bundesstaat Colorado bei einer Vorführung des Batman-Films «The Dark Knight Rises» zwölf Menschen. Hinterbliebene der Bluttat forderten diese Woche in einem ans Filmstudio Warner Bros. gerichteten Brief zu mehr Verantwortung bei der Darstellung von Waffengewalt auf. Das Studio erwiderte: Es sei nicht das Ziel des Films, den Charakter als Helden darzustellen. Vielmehr solle der Film schwierige Diskussionen zu einem komplexen Thema anstossen. Verstanden wird das nicht von allen. Das Kino in Colorado, in dem die Tat stattfand, hat beschlossen, den Film nicht zu zeigen.

Das Vorbild

Neu ist Figur des Jokers nicht. Sie reicht weit zurück, bis ins Mittelalter: Der Hofnarr genoss in den Adelshäusern Narrenfreiheit. Auffällig gekleidet, machte er sich über alles und jeden lustig und durfte sich über gängige Konventionen hinwegsetzen. Doch die Figur neigte schon immer zum Wahnsinn. Das hat vor «Joker» schon andere zeitgenössische Künstler inspiriert. Der deutsche Erfolgsautor Daniel Kehlmann (44) veröffentlichte 2017 den Roman «Tyll», eine Geschichte über einen an Till Eulenspiegel angelehnten Hofnarr, der zu Grausamkeiten und Wahnsinn neigt und damit zum Spiegel der Gesellschaft wird.

Genau das tut Joaquin Phoenix als Joker ebenfalls: Er hält der Öffentlichkeit den Spiegel vor. In Rage, kurz vor dem kompletten Wahnsinn, konfrontiert er die verkommene Oberschicht mit der Frage: «Habt ihr jemals gesehen, wie es da draussen im Leben zu- und hergeht?»

Das Risiko

Abgesehen von der Diskussion um Gewalt und Vorbildsfunktion geht «Joker» ein grosses künstlerisches Risiko ein. Der Reiz des Jokers ging lange vom Unbekannten aus. Dem Killerclown nun eine Biografie zu geben, ist gefährlich. Verliert die Figur seine Anziehungskraft, wenn das Rätsel um sie gelöst wird? Nein, denn Todd Phillips vermag ein Erklärstück zu konstruieren, das in fast jeder Hinsicht Sinn ergibt. Der Joker bekommt ein menschliches Gesicht. Das macht ihn nicht weniger furchteinflössend. Im Gegenteil.

«Joker» feiert morgen, 30. September am Zurich Film Festival Schweizer Premiere. Am 10. Oktober kommt der Film in die Kinos.

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