Katja Riemann lernte für «Der Verdingbub» Berndeutsch
«Mein Hals war wie ausgelaugt»

«Der Verdingbub» gehört zu den prägnantesten und erfolgreichsten Schweizer Filmen der letzten zehn Jahre – auch dank der schauspielerischen Leistungen. Besonders eindrücklich verkörpert Katja Riemann die Pflegemutter. Im BLICK schaut sie auf die Dreharbeiten zurück.
Publiziert: 10.07.2020 um 22:27 Uhr
Jean-Claude Galli

Morgen Abend gibt es auf SRF 1 ein Wiedersehen mit dem «Verdingbub» (ab 20.05 Uhr). Der Film von Markus Imboden (64) war ein Kassenschlager und lockte 2011 über eine viertel Million Zuschauer in die Schweizer Kinos. Hauptverantwortlich dafür war die exzellente Besetzung, angeführt vom deutschen Star Katja Riemann (56), welche die böse Pflegemutter von Verdingbub-Darsteller Max Hubacher (27) spielt.

Riemann erinnert sich noch genau an die Aufnahmen, welche in der Gegend von Trub BE stattfanden. «Ich habe diese Dreharbeiten geliebt. Die Welt entschleunigte sich, ich kam aus der Grossstadt Berlin aufs Land, vom Flachen in die Berge, und es gab extrem kohlenhydratreiche Nahrung.»

Den ganzen Tag Berndeutsch in den Ohren

Riemann lernte für ihre Rolle in der deutsch-schweizerischen Co-Produktion sogar Berndeutsch. Zuerst übte sie zusammen mit ihrer Tochter. «Aber sie bekam Halsschmerzen, wenn ich mit ihr Text machte. Ich habe dann die Produktion darum gebeten, dass mir eine Frau, deren Muttersprache Berndeutsch ist und die bitte keine Schauspielerin sein möge, alle meine Sätze aufnimmt. Das war super, ich hatte es Tag und Nacht in den Ohren. Die Sprache war wichtig für die Figurfindung. Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich nicht herausgefunden, wie sie sich bewegt.»

Katja Riemann als Bäuerin Bösiger, die böse Pflegemutter von Verdingbub Max, gespielt von Max Hubacher. «Leider wurde der Film in Deutschland in der synchronisierten Fassung gezeigt, was mir völlig unverständlich war.»
Foto: ASCOT ELITE
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Doch bei aller Vorbereitung war der Tag, an dem sie erstmals vor der ganzen Crew sprechen musste, besonders schwierig. «Ich hatte solche Angst, mein Hals war wie ausgelaugt. Angst wovor? Dass man mich auslacht, die Augen verdreht? Ich hätte es sogar verstanden. Aber dem war dann gar nicht so, und mein bezaubernder Maskenbildner war immer an meiner Seite und hat mich motiviert. Und vor allem mein Regisseur.»

Riemann ist noch heute stolz auf den Film

Riemann war von Beginn weg bewusst, dass der Film keine Heile-Welt-Geschichte erzählt, sondern ein dunkles Kapitel Schweizer Geschichte aufrollt. «Es gab etwas Vergleichbares in Deutschland, die Schwabenkinder. Aber es gab nicht so viel Literatur darüber. Markus hat mir weiteres Material gegeben, auch sein Vater war ja ein Verdingbub. Und dass beim Filmstart parallel eine Ausstellung durch die Schweiz tourte, war sicherlich sinnstiftend und hat vielen betroffenen älteren Damen und Herren Mut gemacht, sich selber als Verdingkinder zu erkennen zu geben. Dass sich sogar der Bundesrat entschuldigt hat, fand ich grossartig. Wir haben damit gesellschaftlich etwas bewegen können.»


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