Xenia Tchoumi, Kylie Jenner und Anna Wintour machen es vor
So hat Corona die Mode verändert

Eine Jogginghose mit Glitzertop oder eine handbemalte Jeans, um auf Bäume zu klettern: Mode wird in Zeiten von Corona entspannter. Die Lust auf Schönes bleibt jedoch.
Publiziert: 03.05.2020 um 10:34 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2020 um 08:02 Uhr
Katja Richard

Ob sich Karl Lagerfeld (1933–2019) gerade im Grab umdreht? «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren», so lautete eines der Bonmots des Modezaren. Und jetzt das: Anna Wintour (70) in Elastan! Die «Vogue»-Chefin trägt statt gestrengem Gürtel ­einen Gummizug um die Taille. Spätestens jetzt ist klar: Die Modewelt wird nach Corona wohl nie wieder die gleiche sein wie ­zuvor.

Wer jetzt daheim am Arbeiten ist, setzt sich ganz bestimmt nicht in Bügelfalten­hosen an den Laptop. Für die Videokonferenz zieht man kurz Hemd oder Bluse an, aber untenrum bleibt man im bequemen Homeoffice-Tenue.

Bequem und praktisch

Bequemer und praktischer, das ist unsere Kleidung schon länger geworden. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass Birkenstock-Sandalen und Jogginghosen plötzlich chic sind?

«Vogue»-Chefin Anna Wintour trägt statt Gürtel ­einen Gummizug um die Taille.
Foto: Zvg
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«Die Freiheiten sind grösser ­geworden. Es geht weniger darum, was modisch ist, sondern darum, einen eigenen Stil zu entwickeln. Damit drückt man auch eine Haltung aus», so Laurence Antiglio (46).

Weniger, dafür Sinnvolles

Auch in Antiglios Store Vestibule wartet die Frühlingskollektion auf Kundschaft. So hart die Krise sie und die ganze Branche trifft (siehe Artikel rechts), Antiglio sieht ­darin auch die Chance für einen Neustart. «Die Menschen wollen weniger Kleider, dafür ­Wertiges und Sinnvolles. Also Stücke, die man länger behält und in der nächsten Saison neu kombinieren kann.» Sie kauft bei Labels ein, die stilvoll und nachhaltig sind: «Das eine schliesst das andere nicht aus.»

Vielleicht geht die modische Kontrolle in Jogginghosen tatsächlich verloren, und das ist gut so. Denn es befreit und macht kreativ. Das Daheim, der Park und sogar der Supermarkt werden zum neuen Laufsteg: Wie das aussehen kann, zeigt der Blick auf Models und Influencer.

Ausverkauf der Modebranche

Eine ganze Frühlingskollektion wartet in den Geschäften seit Wochen vergeblich auf Kundschaft. Wettmachen kann das auch Onlineverkauf nicht: Zwar ächzen die Pöstler derzeit unter den vielen Paketen, aber sogar der erfolgreiche Onlinehändler Zalando hat ein riesiges Sparprogramm angekündigt, bei H&M ist im März der Umsatz fast um die Hälfte eingebrochen. Der Basler Billig-Modekette Tally Weijl droht wegen fehlenden Krediten das Aus.

Verluste, die nicht mehr wettzumachen sind, laut Milo Goldener (58), Präsident des Dachverbands des schweizerischen Textildetailhandels, geht es ums Überleben. «Die Sommermode darf erst Ende August in den Ausverkauf kommen, dazu fordern wir KMU auch die grossen internationalen Modeketten auf.» Rabattschlachten sind dennoch zu befürchten, wenn am 11. Mai die Geschäfte öffnen, insbesondere in der Fastfashion, wo eine Kollektion die nächste jagt.

Weg von Wegwerf-Mode

Zur Entschleunigung des sich immer schneller drehenden Modekarussells ruft auch der grosse italienische Modemacher Giorgio Armani (85) auf. Er will seine Sommerkollektion bis September verlängern. Die Überproduktion von Kleidung und den Rhythmus der Modesaisons nennt er «kriminell» und «absurd». Die Corona-Krise sei eine «einzigartige Gelegenheit, das zu korrigieren, was verzerrt ist». Es sei an der Zeit, endlich mit Wegwerf-Mode aufzuhören.

Am schlimmsten trifft die Krise die Näherinnen in asiatischen Billiglohnländern wie Myanmar, Kambodscha und Bangladesch, allein dort stehen zwei Millionen Textilarbeiterinnen auf der Strasse. Zuvor miserabel bezahlt, stehen sie jetzt vor dem Nichts. Wegen des Lockdowns haben die Modegiganten ihre Aufträge storniert. Und es drohen Tonnen von Jeans, Röcken und Schuhen auf dem Müll zu landen, nicht nur in den Produktionsländern – auch bei uns. Ein Szenario, das die meisten der hiesigen Geschäfte vermeiden wollen.

Wenn immer möglich, sollen Teile der Frühlingskollektion gelagert und nächstes Jahr in den Verkauf kommen, ansonsten in Outlet-Stores oder in karitative Kanäle gehen. Katja Richard

Eine ganze Frühlingskollektion wartet in den Geschäften seit Wochen vergeblich auf Kundschaft. Wettmachen kann das auch Onlineverkauf nicht: Zwar ächzen die Pöstler derzeit unter den vielen Paketen, aber sogar der erfolgreiche Onlinehändler Zalando hat ein riesiges Sparprogramm angekündigt, bei H&M ist im März der Umsatz fast um die Hälfte eingebrochen. Der Basler Billig-Modekette Tally Weijl droht wegen fehlenden Krediten das Aus.

Verluste, die nicht mehr wettzumachen sind, laut Milo Goldener (58), Präsident des Dachverbands des schweizerischen Textildetailhandels, geht es ums Überleben. «Die Sommermode darf erst Ende August in den Ausverkauf kommen, dazu fordern wir KMU auch die grossen internationalen Modeketten auf.» Rabattschlachten sind dennoch zu befürchten, wenn am 11. Mai die Geschäfte öffnen, insbesondere in der Fastfashion, wo eine Kollektion die nächste jagt.

Weg von Wegwerf-Mode

Zur Entschleunigung des sich immer schneller drehenden Modekarussells ruft auch der grosse italienische Modemacher Giorgio Armani (85) auf. Er will seine Sommerkollektion bis September verlängern. Die Überproduktion von Kleidung und den Rhythmus der Modesaisons nennt er «kriminell» und «absurd». Die Corona-Krise sei eine «einzigartige Gelegenheit, das zu korrigieren, was verzerrt ist». Es sei an der Zeit, endlich mit Wegwerf-Mode aufzuhören.

Am schlimmsten trifft die Krise die Näherinnen in asiatischen Billiglohnländern wie Myanmar, Kambodscha und Bangladesch, allein dort stehen zwei Millionen Textilarbeiterinnen auf der Strasse. Zuvor miserabel bezahlt, stehen sie jetzt vor dem Nichts. Wegen des Lockdowns haben die Modegiganten ihre Aufträge storniert. Und es drohen Tonnen von Jeans, Röcken und Schuhen auf dem Müll zu landen, nicht nur in den Produktionsländern – auch bei uns. Ein Szenario, das die meisten der hiesigen Geschäfte vermeiden wollen.

Wenn immer möglich, sollen Teile der Frühlingskollektion gelagert und nächstes Jahr in den Verkauf kommen, ansonsten in Outlet-Stores oder in karitative Kanäle gehen. Katja Richard

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