Soul-Diva Gladys Knight (75) über ihre schlimmste Sucht
«Auf einen Schlag verspielte ich 60'000 Dollar»

Sie hat eine der grossartigsten Stimmen überhaupt: Gladys Knight (75) erinnert sich an die schönen Momente ihrer Karriere, aber auch an die Tiefpunkte. Und sie sagt unverblümt, was sie von US-Präsident Donald Trump hält.
Publiziert: 11.07.2019 um 22:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2019 um 08:15 Uhr
Dominik Hug

Sie sang für Präsidenten und für James Bond – und bald wird sie auch in der Schweiz auftreten: Weltstar Gladys Knight (75) ist beim Telefon-Interview mit BLICK bestens gelaunt, lässt immer wieder ihr kehliges Lachen ertönen. Selbst wenn sie von den schlimmen Momenten ihres Lebens erzählt.

BLICK: Wie läuft Ihre Europa-Tournee, Miss Knight?
Gladys Knight: Ganz wunderbar. Ich liebe es, hier Konzerte zu geben. Die Menschen sind in jedem Land anders – aber überall voller Energie.

Machen Konzerte mit 75 noch genauso viel Spass wie mit 25?
Und wie! Ich nächtige in schönen Hotels, darf mich jeden Abend hübsch anziehen, vor Menschen meine Lieder singen und mich dafür feiern lassen. Welcher Lady würde ein solches Leben nicht gefallen? In meinen Anfangstagen war das noch ganz anders.

Gladys Knight gehört zu den berühmtesten Soul-Stimmen der Welt.
Foto: Derek Blanks
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Wie war es?
Damals reisten wir in einem klapprigen Bus durchs Land. Der Fahrer feierte mit uns jeweils die halbe Nacht durch. Dann ging es weiter in die nächste Stadt. Himmel, wir sind einige Male im Strassengraben gelandet.

Was vermissen Sie von früher?
Die Kameradschaft. Es gab null Konkurrenz zwischen uns Künstlern. Wir hockten alle im gleichen Boot – ich, Dionne Warwick, Sam Cooke, Jackie Wilson. Wir wussten, dass wir Teil desselben Spiels waren, und unterstützten uns. Wir schwarzen Sänger verdienten damals nicht viel Geld, wir wurden überall abgezockt. Aber wir liebten unseren Job.

Wollten Sie schon als Kind Sängerin werden?
Oh ja. Ich war vier, als ich im Kirchenchor anfing. Meine Eltern haben mich gefördert, ohne mich zu drängen. 1952 trat ich erstmals im TV auf, da war ich sieben und wurde über Nacht bekannt. Kurz darauf gründete ich eine Band und begann Konzerte zu geben.

Sie durften nicht überall auftreten. Damals herrschte in den USA Rassentrennung.
Richtig. Ich habe es noch miterlebt, dass wir uns nicht auf dieselben Stühle setzen durften wie die Weissen. Wir traten in Löchern auf, die teilweise nicht mal eine Garderobe hatten, also zogen wir uns im Auto um. Spiegel hatten wir keine, wir benutzten Scherben, um uns zu schminken. Manchmal wurden wir auch aus der Stadt gejagt. Die Zustände waren übel, aber jene Zeit stärkte meinen Charakter.

Inwiefern?
Ich habe sehr früh gelernt, die Nase besser nicht zu weit in den Himmel zu strecken. Die Rassentrennung liegt noch nicht lange zurück. Dennoch nähern wir uns gesellschaftlich wieder jener Zeit an. Von oben her wird uns vorgelebt, dass gewisse Leute besser sind als andere.

Sie sprechen von Präsident Trump.
Genau. Alles, was er tut, ist Zwietracht säen. Ich kenne ihn ja noch von früher, bin oft in seinen Casinos aufgetreten. Er war nie ein netter Kerl. Ich war echt schockiert, als er vor drei Jahren ins höchste Amt gewählt wurde.

Sie kennen auch seine Vorgänger.
Oh ja. Ich trat für Bill Clinton im Weissen Haus auf, später sang ich für Obama. Meine Eltern waren Bürgerrechtler, sie waren eng befreundet mit Martin Luther King. Ich wuchs damit auf, mich zur Wehr zu setzen und für unsere Rechte einzustehen. So habe ich auch die eigenen Kinder erzogen. Ich brachte ihnen bei, sich niemals besser zu fühlen als andere.

Heute haben Sie 16 Enkelkinder.
Dazu noch ein paar Grossenkel! Bei uns ist immer Betrieb. Ich spiele mit ihnen, koche für sie. Ich will nicht prahlen, aber in der Küche macht mir niemand was vor. Die Kleinen halten mich jung.

Haben Sie Mühe mit dem Älterwerden?
Überhaupt nicht. Ich habe kürzlich mit Jane Fonda – eine enge Freundin – darüber gesprochen. Sie arbeitet dauernd mit jungen Menschen, die würden sie aktiv halten, meinte sie. Bei mir ist es genauso. Die Enkel, meine Musiker: Ich bin umgeben von jungen Leuten! Und die wiederum sind froh darüber, dass ihnen ein Oldtimer wie ich mit Rat zur Seite stehe (lacht).

Wie lange wollen Sie noch auftreten?
Ich denke nicht daran kürzerzutreten. Ich vertraue dem lieben Gott. Er wird es mich schon wissen lassen, wenn es Zeit für mich ist zu gehen.

Bedauern Sie etwas?
Ich war zu lange spielsüchtig. Ich liebe Gambling und bin in der Regel auch sehr gut darin.

Aber?
Ich hatte zu jener Zeit keinen Mann, dafür zwei Kinder im College. Ich musste mich auch um meine kranke Mutter kümmern. Wie gesagt, früher kam nicht so viel Geld rein. Also fing ich an, in den Casinos Baccara zu spielen. Solange man gewinnt, ist es schwierig aufzuhören. Mit dem gewonnenen Geld brachte ich meine Kinder durchs College. Heute leitet meine Tochter die gesamte Schule des Staates Nevada. Wir reissen noch heute Witze darüber, dass sie es nie so weit geschafft hätte, wenn ich nicht die Casinos ausgenommen hätte.

Was passierte dann?
Irgendwann geht jede Glückssträhne zu Ende. Eines Abends verspielte ich über 60’000 Dollar. Sie waren einfach weg. Ich hätte mich am liebsten übergeben. Da wusste ich, dass ich jetzt dringend aufhören muss. Ich verliess das Casino und rief sogleich die Suchthilfe an. Die nahmen mich gleich rein. Seither sage ich immer wieder: Wenn du Hilfe brauchst – egal, wegen was –, hole sie dir. Warte nicht damit, bis du am Boden liegst.

Was bedauern Sie sonst noch?
Ich habe lange Zeit geraucht. Das war dumm. Eines Abends stand ich auf der Bühne und hatte plötzlich Mühe mit den hohen Tönen. Ich mogelte mich durch bis zum Ende des Konzerts. Auf der Heimfahrt schmiss ich alle Zigaretten aus dem Auto. Das wars! Als ich mit der Qualmerei aufhörte, begann ich leider zu essen.

Sie waren zeitweise ziemlich rund.
Das können Sie laut sagen. Ich wog fast 150 Kilo. Eines Tages konnte ich meinen eigenen Anblick nicht mehr ertragen. Ich engagierte einen Fitness-Trainer, strampelte mir die Pfunde sieben Tage die Woche wieder weg. Das dauerte Monate. Aber hey: Zu leben bedeutet zu lernen. Ich brauchte verdammt viele Lektionen in meinem Leben.

Wie pflegen Sie heute Ihre Stimme?
Mit heissem Tee und Honig. Davon trinke ich vor jedem Konzert ein paar Tassen. Manche meinen, ein Gläschen Wein sei ebenfalls gut. Aber davon habe ich immer die Finger gelassen. Die Glücksspielsucht reichte mir, ich will nicht auch noch Alkoholikerin werden.

Den Soul geprägt

Ihr grösster Hit «Midnight Train to Georgia» gilt als einer der schönsten Soul-Klassiker aller Zeiten: Gladys Knight kam 1944 im US-Bundesstaat Georgia zur Welt. Bereits mit sieben hatte sie ihren ersten Auftritt. 1989 sang sie die Titelmelodie des Bond-Films «Licence To Kill», 1996 eröffnete sie die Olympischen Spiele in Atlanta, vor wenigen Monaten trat sie vor einem Hundertmillionen-Publikum beim Super Bowl auf. Knight war viermal verheiratet und hat drei Kinder. Am Montag, 15. Juli, wird sie im Theater 11 in Zürich ihre schönsten Lieder singen.

Ihr grösster Hit «Midnight Train to Georgia» gilt als einer der schönsten Soul-Klassiker aller Zeiten: Gladys Knight kam 1944 im US-Bundesstaat Georgia zur Welt. Bereits mit sieben hatte sie ihren ersten Auftritt. 1989 sang sie die Titelmelodie des Bond-Films «Licence To Kill», 1996 eröffnete sie die Olympischen Spiele in Atlanta, vor wenigen Monaten trat sie vor einem Hundertmillionen-Publikum beim Super Bowl auf. Knight war viermal verheiratet und hat drei Kinder. Am Montag, 15. Juli, wird sie im Theater 11 in Zürich ihre schönsten Lieder singen.

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