«Ich bin sprachlos»
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«Ich bin sprachlos»:Gil Ofarim behauptet in Video, wegen Davidstern abgewiesen worden zu sein

Neue Erkenntnisse im Davidstern-Drama
Das Protokoll von Gil Ofarims Lügen-Nacht

Sänger Gil Ofarim gab nach sechs Tagen Verhandlung und zwei Jahren nach der Anklage zu, den antisemitischen Angriff eines Hotelmitarbeiters nur erfunden zu haben. Nun gibt es eine detaillierte Übersicht der Geschehnisse.
Publiziert: 30.11.2023 um 19:54 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2023 um 16:06 Uhr

Mit hochrotem, aber gesenktem Kopf gestand der jüdische Sänger Gil Ofarim (42) am Dienstag seine Lüge. Er gab zu, den Antisemitismus-Vorfall im Leipziger Hotel The Westin nur erfunden zu haben: Auf einem Instagram-Video hatte der Musiker behauptet, wegen einer Kette mit Davidstern-Anhänger von einem Mitarbeiter des Hotels verwiesen worden zu sein. Die Gründe für seine Lüge sind nach wie vor unklar. Schaut man sich aber an, wie der Abend abgelaufen sein soll, wird klar, dass Ofarim mehr als genug Zeit hatte, sich der Tragweite seiner Tat bewusst zu werden. Basierend auf Recherchen der deutschen «Bild» ist ein Protokoll der Nacht rund um die Davidstern-Lüge entstanden.

Am 4. Oktober 2021 wollte Gil Ofarim nach Dreharbeiten im The Westin einchecken und reihte sich in eine lange Schlange vor der Rezeption ein. Nach einiger Wartezeit baten zwei Stammgäste den Frontdesk-Mitarbeiter Markus W., ihre Zimmerkarten direkt beziehen zu dürfen, da diese schon bereitlagen. Ein Wunsch, dem W. entgegenkam. Aufgrund eines technischen Problems konnte der Angestellte die anderen wartenden Gäste, inklusive Gil Ofarim, nicht einchecken. Dieser Moment, so wird ein vor Gericht anwesender Journalist später bekannt geben, sei der Trigger für Ofarim gewesen. Er begann einen Streit mit dem Rezeptionisten und drohte, das Hotel auf Instagram zu verunglimpfen.

Das Protokoll der Lügen-Nacht

19.45 Uhr: Nach der Auseinandersetzung mit Markus W. verlässt Gil Ofarim das Hotel, er setzt sich vor das Gebäude und nimmt das später bekannte Video auf. Nur ein Ausfall von Instagram kann verhindern, dass er ein Livevideo startet. Dann ruft seine Managerin Yvonne Probst (45) an, die ihm, nach eigener Aussage, davon abrät, das Video überhaupt zu posten. Anschliessend lässt er sich in das Hotel Steigenberger nur wenige Minuten entfernt fahren. Hier trifft Ofarim auf seine Kollegen Gregor Meyle (45) und Jeanette Biedermann (43) mit denen er zuvor die MDR-Show «Playlist of my Life» gedreht hat.

Gil Ofarim ist jüdischer Musiker und warf einem Hotelangestellten vor, ihn antisemitisch beleidigt zu haben.
Foto: keystone-sda.ch
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An der Bar berichtet der jüdische Musiker von den angeblichen antisemitischen Beleidigungen. Andere Gäste werden später aussagen, dass Ofarim aufgebracht gewesen und Alkohol geflossen sei.

21.30 Uhr: Das Hotel «The Westin» bekommt einen Anruf, vermutlich von jemandem aus der Aufnahmeleitung der MDR-Show. Dieser konfrontiert die Mitarbeiterin Sophie G. mit den Anschuldigungen gegen ihren Kollegen Markus W. Sie wird später folgendes vor Gericht aussagen: «Er berichtete, Herr Ofarim unterhalte sich im Steigenberger mit anderen darüber, dass es antisemitische Beleidigungen bei uns gegeben haben soll. Das überraschte mich und ich sagte ihm, dass das nicht der Fall war.»

Thomas Meyer erklärt Antisemitismus

Antisemitismus hat viele Formen. Es gibt den kirchlichen Judenhass, den muslimischen Judenhass, den rassistischen Judenhass, den rechtsextremen Judenhass und den Judenhass der Linken, die ihn hinter einer anti-israelischen Haltung verstecken. Und dann gibt es den ideologiefreien Alltags-Antisemitismus, der glaubt, dass Juden geizig, reich und listig sind, im Hintergrund die Fäden ziehen, grosse Nasen haben und die Finanzwelt beherrschen. Die Ressentiments sind teils hochaggressiv, teils subtil. Aber wer glaubt, etwas über alle Juden zu wissen, steht bereits im Sumpf des Antisemitismus.

Siggi Bucher

Antisemitismus hat viele Formen. Es gibt den kirchlichen Judenhass, den muslimischen Judenhass, den rassistischen Judenhass, den rechtsextremen Judenhass und den Judenhass der Linken, die ihn hinter einer anti-israelischen Haltung verstecken. Und dann gibt es den ideologiefreien Alltags-Antisemitismus, der glaubt, dass Juden geizig, reich und listig sind, im Hintergrund die Fäden ziehen, grosse Nasen haben und die Finanzwelt beherrschen. Die Ressentiments sind teils hochaggressiv, teils subtil. Aber wer glaubt, etwas über alle Juden zu wissen, steht bereits im Sumpf des Antisemitismus.

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22 Uhr: Gil Ofarim und der Anrufer tauchen im Hotel The Westin auf. Der Musiker hält sich im Hintergrund. Das Duo soll aber eine Kamera dabei gehabt und sich nach der Position und dem vollen Namen von Markus W. erkundigt haben, so berichtet Sophie G. weiter. Der Begleiter habe dann gesagt, dass er sich die Anschuldigungen nicht vorstellen könne, aber habe nachfragen müssen. Danach sei es zurück ins Hotel Steigenberger gegangen.

7 Uhr: Gil Ofarim wacht auf und setzt seinen Plan, das am Abend zuvor entstandene Video auf Instagram hochzuladen, um. Die technischen Probleme der Plattform sind behoben und der Clip wurde rund vier Millionen Mal aufgerufen. Mittlerweile hat der Sänger sein ganzes Profil gelöscht. (grb)

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