Gotthard 2016
Wenn die Staatsoberhäupter gemeinsam Zug fahren

Zu Fuss spazieren die Mächtigen Europas im sonnigen Rynächt UR zum Zug, sie plaudern und lachen. Doch ihr Zeitplan ist alles andere als entspannt: Eng getaktet haben Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels miterlebt.
Publiziert: 01.06.2016 um 18:19 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:41 Uhr

Die Eröffnungsrede und die künstlerische Inszenierung verpassten sie ganz. Danach ging es jedoch Schlag auf Schlag - auch für Johann Schneider-Ammann, der als Bundespräsident die Staatschefs empfangen durfte. Nach seiner Eröffnungsrede und der künstlerischen Inszenierung hatte er nur eine kurze Verschnaufpause - Zeit für ein Glas Wasser und ein Häppchen vom Buffet.

Dann kamen sie, die «grossen Drei»: die deutsche Kanzlerin Merkel, der italienische Premier Renzi und der französische Präsident Hollande. Einer nach dem anderen wurde in Konvois von mehreren dunklen Autos auf dem Festplatz in Rynächt direkt vor das VIP-Zelt gefahren. Als ersten konnte Schneider-Ammann Renzi begrüssen.

Zeit für ein Gespräch blieb ihnen jedoch nicht; es reichte nur für ein kurzes Fotoshooting vom obligaten Handshake mit Schneider-Ammann. Denn nur Minuten später stand bereits Merkel in einem blauen Blazer auf dem kurzen roten Teppich, der vor dem Zelt für die Staatsgäste ausgerollt war. Schneider-Ammann eilte rechtzeitig zurück, um auch sie zu empfangen - alles andere wäre ein diplomatischer Fauxpas gewesen.

Doch alles klappte wie am Schnürchen. Auch Hollande kam gerade noch rechtzeitig an, um den längsten Bahntunnel der Welt zu durchfahren. Der Zug fahre pünktlich, auch wenn sich ein prominenter Gast verspäte, hatte es im Vorfeld geheissen. Doch dazu kam es nicht. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern und Liechtensteins Regierungschef Adrian Hasler waren bereits vor der Eröffnungsfeier angereist.

Gemeinsam mit Bundesräten, Stände- und Nationalräten und weiterer Prominenz aus Politik und Wirtschaft fuhren die Staats- und Regierungschefs anschliessend in einem Zug durch den längsten Bahntunnel der Welt. Selbstverständlich durften sie 1. Klasse reisen. Im Schweizer Radio und Fernsehen SRF war zu sehen, wie sich Bundespräsident Schneider-Ammann angeregt mit Merkel unterhielt. Im gleichen Abteil diskutierten Renzi und Hollande miteinander.

Mit Ausnahme der «Gottardo 2016»-Lokomotive reisten die Prominenten in einem normalen Zug. Sogar die Lautsprecherdurchsage schepperte im unverwechselbaren SBB-Ton. Der Tunnel war für die Staatsoberhäupter innen aber ausnahmsweise beleuchtet. Viel zu sehen gab es angesichts der Geschwindigkeit und der nahen Tunnelwände allerdings nicht.

Dafür hatten die Staatschefs im Zug rund eine halbe Stunde Zeit für Gespräche.

Ob sie politisch brisante Fragen wie die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative diskutierten oder doch nur den Tunnel bestaunten, blieb jedoch ihr Geheimnis. Weder Merkel noch Hollande oder Renzi traten vor die Medien.

Dafür zeigten sie sich unkompliziert. Angeführt von Trommlern spazierten sie in Pollegio im Kanton Tessin - umgeben von Dutzenden Bodyguards und rege diskutierend - durch eine Unterführung zum Festplatz. Merkel stach mit ihrem blauen Blazer aus der Menge der dunkel gekleideten Herren hervor.

Viel Zeit zum Feiern blieb ihnen auch in Pollegio nicht, insbesondere für Italiens Premier Renzi hiess es bald «Arrivederci». Er reiste nach dem obligaten «Familienfoto» bereits wieder ab und überliess es seinem Verkehrsminister, die Grussbotschaft zu überbringen.

Merkel, Hollande, Kern und Hasler hingegen hielten ihre Reden selbst und wurden dafür mit warmem Applaus - insbesondere für ihre lobenden Worte für die Schweiz - und einem Apéro belohnt. Merkel, Hollande, Schneider-Ammann, Justizministerin Simonetta Sommaruga und Innenminister Alain Berset nahmen sich trotz engem Zeitplan einige Minuten Zeit für ein kurzes Gespräch bei Käse- und Fleischplättchen.

Auch die Flugshow bestaunten die Staatschefs noch kurz - insbesondere Merkel zeigte sich beeindruckt. Anschliessend hiess es für sie zum zweiten Mal an diesem Tag: 57 Kilometer durch den Tunnel fahren, diesmal zurück in den Norden.

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