Gewalt, Sexismus, Homophobie
MeToo im Deutschrap – und was es für die Schweiz bedeutet

Missbrauchsworwürfe an Rapper Samra haben die Deutschrap-Szene aufgerüttelt. Dass Sexismus und Gewalt ein Teil dieser Branche ist, lässt sich nicht leugnen. Doch wie gross ist das Problem in der Schweiz?
Publiziert: 25.07.2021 um 19:55 Uhr
Anna Uebelhart

Sex, Gewalt und Drogen sind ein Teil der Hip-Hop-Szene. Die Vorwürfe, dass Texte, besonders aus der deutschen Rap-Szene, gewaltverherrlichend, frauenverachtend und homophob seien, sind nicht neu. Doch Anfang Juni hat die deutsche Influencerin Nika Irani die Debatte neu angestossen. Mit Missbrauchsvorwürfen gegen Rapper Samra.

Auf Instagram veröffentlichte Nika Irani ein Video, in dem sie den Rapper beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Weiter wirft sie mehreren Mitgliedern der Rap-Truppe Strassenbande 187, einer Hip-Hop-Gruppe aus Hamburg, sexuell übergriffiges Verhalten vor. Mehrere junge Frauen wandten sich daraufhin an die Influencerin und schilderten ähnliche Erfahrungen innerhalb der Szene. In einem Interview mit dem «Spiegel» sagte Irani, sie wolle, dass die Menschen erfahren, was im Deutschrap hinter den Kulissen abgeht. ​​«Groupies sind für viele Rapper Objekte. Etwas, das ihnen zusteht», so die 22-Jährige. Die Anschuldigungen gegen ihn bestreitet Samra. Er hat angekündigt, den Sachverhalt juristisch prüfen zu lassen.

Instagram-Account sammelt Geschichten von Betroffenen

Nika Iranis Post ist mittlerweile gelöscht, doch die Diskussion geht weiter. Unter dem Hashtag #deutschrapmetoo und auf dem gleichnamigen Instagram-Account, erstellt von anonymen Aktivistinnen, werden Geschichten von Frauen gesammelt, die innerhalb der deutschen Rap-Szene sexualisierte Gewalt erfahren haben. Der Account hat mittlerweile über 28 000 Follower und über 30 Beiträge, darunter Erlebnisse von Betroffenen oder Infoposts für Betroffene sexualisierter Gewalt in der Deutschrap-Branche.

Anfang Juni sah sich Rapper Samra mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert.
Foto: Instagram
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Aber nicht nur in Deutschland ist Sexismus in der Rap-Szene keine Seltenheit. In der Schweiz stellten 2014 die Rapper des Kollektivs Chaostruppe den Song «Natalie Rikkli» ins Internet, in dem sie die damalige SVP-Nationalrätin und heutige Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli in gewaltpornografischer Sprache beschimpften. Und Moderatorin Helen Fares kehrte 2017 dem Hip-Hop-Journalismus den Rücken, nachdem sie am Openair Frauenfeld auf sexistische Art und Weise beleidigt wurde.

Rap reflektiert die gesellschaftliche Realität

Ganz vergleichen kann man die Schweizer Szene mit der in Deutschland aber nicht. Für Pablo Vögtli, Co-Host der Hip-Hop-Sendung «Bounce» von SRF, ist klar: Zwischen der deutschen und der Schweizer Hip-Hop-Branche gebe es zwar musikalisch viele Überschneidungspunkte, bei Wirkungsgrad und Reichweite seien aber Welten dazwischen. Dass auch bei vielen Schweizer Rappern Sex, Gewalt und Drogen zum Standardvokabular gehören, ist für Vögtli eine Reflexion unserer Gesellschaft: «Sex, Gewalt und Drogen sind ein Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Ganz klar werden sie in der Musik und in der Kunst folglich thematisiert», sagt der SRF-Moderator.

Um als Rapper erfolgreich zu sein, braucht es die brutalen Lyrics aber nicht – weder in der Schweiz noch in Deutschland. Beispiele dafür sind der Sänger Lo von Lo & Leduc und der deutsche Rapper Materia. Lo habe schon etliche grosse Freestyle-Battles gewonnen, ohne sexistisch oder homophob zu rappen, sagt Vögtli. Und auch die Musik von Materia, einem der bekanntesten Rapper Deutschlands, kommt ohne Gewalt und Sexismus aus. Ob Debatten wie #deutschrapmetoo tatsächlich einen Wandel in der Branche bewirken, wird sich noch zeigen. Hip-Hop-Experte Pablo Vögtli hofft stark auf ein flächendeckendes Umdenken: «Vereinzelt konnte ich dies bereits feststellen.»

Die Folgen für Rapper Samra und die Deutschrap-Szene

Samra ist gegen die Vorwürfe von Nika Irani gerichtlich vorgegangen und konnte einen vorläufigen Sieg verzeichnen. Das Landgericht Köln hat eine einstweilige Verfügung gegen Nika Irani erlassen. Bis zu deren Aufhebung ist es der Influencerin verboten, Samra der Vergewaltigung zu bezichtigen, weil sie den Vorwurf der Vergewaltigung vor Gericht nicht ausreichend glaubhaft machen konnte. Der Beschluss ist aktuell nicht rechtskräftig. Daher hat sie die Möglichkeit, rechtlich gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen.

Samra ist nicht der erste deutsche Rapper, der mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert wird, doch zum ersten Mal scheint ein Vorfall in der Deutschrap-Szene grössere Wellen zu schlagen. Für Samra haben die Vorwürfe Konsequenzen: Seine Plattenfirma Universal Music hat sich öffentlich von ihm distanziert und lässt die Zusammenarbeit ruhen. Die Rapperin Shirin David hatte ihn in einem neuen Song in «einem positiven Zusammenhang» erwähnt, sich aber nun entschieden, die entsprechenden Zeilen zu entfernen. Kurz nach dem Bekanntwerden von Nika Iranis Vorwürfen an Samra veröffentlichte der Rapper Nimo den Song «Komm mit», in dem er vom gewaltsamen, sexuellen Umgang mit Frauen rappt. Das Label Universal und der Künstler haben den Song inzwischen von allen Streaming-Plattformen entfernt und sich öffentlich entschuldigt.

Samra ist gegen die Vorwürfe von Nika Irani gerichtlich vorgegangen und konnte einen vorläufigen Sieg verzeichnen. Das Landgericht Köln hat eine einstweilige Verfügung gegen Nika Irani erlassen. Bis zu deren Aufhebung ist es der Influencerin verboten, Samra der Vergewaltigung zu bezichtigen, weil sie den Vorwurf der Vergewaltigung vor Gericht nicht ausreichend glaubhaft machen konnte. Der Beschluss ist aktuell nicht rechtskräftig. Daher hat sie die Möglichkeit, rechtlich gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen.

Samra ist nicht der erste deutsche Rapper, der mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert wird, doch zum ersten Mal scheint ein Vorfall in der Deutschrap-Szene grössere Wellen zu schlagen. Für Samra haben die Vorwürfe Konsequenzen: Seine Plattenfirma Universal Music hat sich öffentlich von ihm distanziert und lässt die Zusammenarbeit ruhen. Die Rapperin Shirin David hatte ihn in einem neuen Song in «einem positiven Zusammenhang» erwähnt, sich aber nun entschieden, die entsprechenden Zeilen zu entfernen. Kurz nach dem Bekanntwerden von Nika Iranis Vorwürfen an Samra veröffentlichte der Rapper Nimo den Song «Komm mit», in dem er vom gewaltsamen, sexuellen Umgang mit Frauen rappt. Das Label Universal und der Künstler haben den Song inzwischen von allen Streaming-Plattformen entfernt und sich öffentlich entschuldigt.

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