«Natürlich war auch ich überrascht»
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Mitte-Nationalrat Candidas:«Natürlich war auch ich überrascht»

Blick zeigt die Rotstift-Bereiche
Sogar SRG-Freunde wundern sich über Sparflop

Nach den Befürwortern der Halbierungs-Initiative melden sich nun auch deren Gegner zu Wort. Derweil ist der Sparprozess bei der SRG am Laufen. Doch er kommt schleppend voran. Spielraum ist neben den Personalkosten bei den Betriebsflächen und Investitionen vorhanden.
Publiziert: 23.04.2022 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2022 um 11:14 Uhr
Lea Hartmann und Jean-Claude Galli

Die SRG will sparen – und gibt stattdessen erst mal mehr Geld aus. Die jüngsten Zahlen des Unternehmens hinter dem Schweizer Radio und Fernsehen sind Wasser auf die Mühlen der SRG-Kritiker, die ihr mit einer Initiative die Gebühren zusammenstreichen wollen.

50 Millionen Franken mehr hat die SRG 2021 im Vergleich zum Vorjahr ausgegeben, wie Blick am Freitag berichtete. Die Personalkosten sanken gerade einmal um 1,6 Prozent, rechnete die «Weltwoche» aus – trotz des Sparpakets, das man 2020 beschlossen hat. Dessen Ziel: 250 Vollzeitstellen streichen und die Ausgaben bis 2024 um 50 Millionen senken.

Doch nicht nur von denjenigen, die ihre Messer gegenüber der SRG eh schon gewetzt haben, sind angesichts dieser Zahlen kritische Worte zu hören. «Fakt ist: Die SRG hat sich das Sparziel selbst auferlegt. Dann erwarte ich, dass man das auch erfüllt», sagt der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas (41). Die SRG müsse der Politik beweisen, dass sie kostenbewusst unterwegs sei – und sei darum «sehr gut beraten, das Kostensenkungspaket umzusetzen».

Konkretes Sparpotenzial sieht SRG-Direktor Gilles Marchand etwa bei Samstagabend-Unterhaltungssendungen auf SRF 1. So lief Viola Tamis (gelbes Kleid) Schlagershow «Hello Again!» Ende März letztmals.
Foto: SRF/Mirco Rederlechner
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Candinas betont aber: «Für mich ist massgebend, wie die Zahlen nächstes Jahr aussehen, und dann vor allem 2024.»

«Politik muss genau hinschauen»

Die Halbierungs-Initiative, die die Serafe-Gebühren auf 200 Franken deckeln will, setzt die SRG unter Druck, den Worten auch wirklich Taten folgen zu lassen. Auf der anderen Seite fordern die Initiativgegner im Bundeshaus die SRG aber auch dazu auf, nicht zu viel vorauseilenden Gehorsam zu zeigen. «Natürlich muss sie sich hinterfragen, wo sie mit ihrem Angebot über den Service-public-Auftrag hinausgeht», sagt der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli (65). Die Politik müsse da auch genau hinschauen. «Aber die Halbierungs-Initiative ist völlig fehl am Platz.»

Sein Parteikollege, der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri (66), ist überzeugt: «Die SRG tut das Möglichste, um zu sparen.» Sie habe auch an Orten gespart, wo man aus seiner Sicht nicht sparen sollte, «beispielsweise bei der Kultur».

Und die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf Litscher (58) gibt zu bedenken: «Die höheren Ausgaben haben auch zu höheren kommerziellen Erträgen geführt!» Am Schluss habe die SRG vergangenes Jahr mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen.

Das Programmangebot soll möglichst verschont werden

Grösseren Sparspielraum hat die SRG bei ihren Betriebsflächen: Vor einem Jahr hat sie entschieden, die rund 300'000 Quadratmeter bis 2030 um 25 Prozent zu verringern. Ausserdem sollen Liegenschaften untervermietet werden. Seit der Pandemie ist Homeoffice auch bei der SRG salonfähiger, was weiteres Potenzial freimacht. Zudem hat die trimediale Produktion zur Folge, dass sich die Arbeitsprozesse und Technik-Anforderungen ändern. Bei der Modernisierung der Produktionsstandorte in Lausanne VD, Genf und am RSI-Standort Comano TI könnte dies weitere Reduktionen ermöglichen.

Mehrere von Blick angefragte TV-Experten sagen, dass vor allem dann kräftig gespart werden könnte, wenn man ganze Kanäle schliessen und Formate streichen würde. SRG-Direktor Gilles Marchand (60) wiederholt jedoch stets, das Programmangebot müsse möglichst verschont werden, weil Reduktionen dort am augenfälligsten wären. «Einigen Spielraum haben wir dagegen bei der Infrastruktur, bei Verwaltungs- und IT-Kosten sowie bei Produktionsprozessen», so Marchand.

Bereits bei der Ankündigung des Sparpakets Ende 2020 kündigte der SRG-Chef gegenüber Blick an, es werde in Zukunft «weniger klassische TV-Shows wie die grossen Samstagabend-Produktionen geben. Und wir werden in der Fiktion mehr mit privaten Produzenten zusammenarbeiten.» Im linearen Programm ist gerade SRF angewiesen worden, die Mittel noch stärker auf die Hauptsendezeiten zu konzentrieren. Ausserdem sind im Sommer- und Feiertagsprogramm weniger Neuproduktionen und weniger Übertragungen externer Veranstaltungen geplant.

Als ausserordentlichen Kostentreiber im Vergleich von 2020 und 2021 führt die SRG die verschobenen Sport-Grossereignisse Fussball-EM und Olympische Spiele an. Tatsächlich kommen mit der Addition der beiden Gesamtbudgets zwei happige Posten zusammen: 16 Millionen Franken für die EM sowie 16,6 Millionen für die Spiele in Tokio.

Zudem wird ins Feld geführt, die coronabedingten Einschränkungen hätten 2020 zu ausserordentlichen Minderkosten geführt, weil der Livesport während mehreren Monaten weggefallen sei. Das ist ein gutes Stichwort für die Zukunft: Im Bereich Spitzenhockey wird sich bereits in der nächsten Saison eine millionenschwere Einsparung ergeben, weil die SRG im Bieterkampf gegen TV24 unterlag. Was aber gleichzeitig die Attraktivität ihres Angebots mindert. Dies beweist: Sparen ohne jeden Verzicht ist ein Ding der Unmöglichkeit.

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