Abfallsammeln und Eimersaufen
«Millennials in Paradise» zeigt, wie die Generation Y wirklich ist

Sie gelten als selbstverliebt und oberflächlich. Ein neues Reality-Format begleitet acht junge Menschen nach Mallorca und zeigt sie von einer ganz neuen Seite. Die Macher sind selbst Millennials.
Publiziert: 06.10.2019 um 17:56 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2019 um 11:47 Uhr
Das siebenteilige Reality-Format «Millennials in Paradise» ist ab 7. Oktober exklusiv auf Blick.ch zu sehen.
Foto: PD
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Livia Fischer

Ein gemütlicher Fondueabend in Chur. Sieben Freunde sitzen an einem Tisch, nippen an einem Glas Weisswein, diskutieren über Gott und die Welt – und schauen sich auf ihren Smartphones Videos an. Videos von sich selbst, in denen sie lustige Situationen aus dem Alltag auf Kamera festgehalten haben. Dann der Gedankenblitz: Wie wäre es, eine Reality-TV-Show mit etwa gleichaltrigen Protagonisten zu produzieren? Eine Schnapsidee, denken die meisten. Ausser Lorena Wahrenberger (22) und Michel Kessler (21).

Die beiden Multimedia-Production-Studenten der Fachhochschule Graubünden machen Ernst, holen ihre Mitstudenten Demian Spescha (28) und Nicola Spescha (26) für den technischen Teil dazu. Jetzt, zehn Monate später, ist die Sendung im Kasten. Die Blick-Gruppe unterstützt das Projekt der Studierenden als Medienpartnerin. «Millennials in Paradise» heisst das Format, das sich von anderem Trash-TV abheben will. Im Vergleich zum «Bachelor», «Promi Big Brother» oder dem «Dschungelcamp» geht es weder darum, die grosse Liebe zu finden, noch wird am Ende ein Gewinner erkoren, dem eine horrende Geldsumme winkt.

Die sinnsuchende Generation

Stattdessen leben acht junge Erwachsene im Alter von 18 und 25 Jahren eine Woche lang in Mallorca unter einem Dach. Sie haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe und verfolgen Lebensstile, die verschiedener nicht sein könnten. Was sie auf den ersten Blick gemeinsam haben: Sie gehören der gleichen Generation an.

Millennials werden sie genannt. In der Forschung auch Generation Y (ausgesprochen: Why). Zu Deutsch: Generation Warum. Das Wörtchen, das sie wohl am besten beschreibt. Sie sind die Sinnsuchenden. Die, die alles kritisch hinterfragen. Gleichzeitig werden sie in der Gesellschaft als wenig selbstkritisch und mit einem Drang zur Selbstinszenierung wahrgenommen.

Dass sich viele im Netz gerne zur Schau stellen, ist Realität. Das beweisen etwa die «Millennials in Paradise»-Kandidaten Younes Saggara (18) und Katiuschka Müller (20), genannt Kati. Er ist bereits als Influencer bekannt; sie strebt eine Karriere à la Kylie Jenner (22) an. Die US-amerikanische Reality-Bekanntheit erreicht mit ihren Posts auf Instagram knapp 150 Millionen Fans. 

Die unentschuldigte Generation

Millennials neigen dazu, sich auf Social Media von ihrer besten Seite zu zeigen. Mit Selbstverliebtheit hat das aber meist nichts zu tun. Vielmehr streben sie nach der virtuellen Bestätigung in Form von Followern, Likes und netten Kommentaren. Sie leiden unter einem sozialen Druck.

Entwicklungspsychologin und Generationenforscherin Pasqualina Perrig-Chiello spricht von einem regelrechten Konkurrenzkampf. «Es ist wie ein ständiger Wettbewerb, in dem es darum geht, wer am erfolgreichsten und am schönsten ist», sagt die 66-Jährige. Wer in der Masse nicht untergehen will, muss auffallen. Originalität und Individualität sind gefragt.

Das Problem: Wer zu sehr aus der Reihe tanzt, eckt an. Vor allem bei älteren Generationen. «Sie sehen nicht genau hin, sondern machen sich innerhalb weniger Sekunden ein Bild von jungen Erwachsenen», kritisiert Lorena Wahrenberger. Die Gesellschaft bringe der Lebensweise der Millennials wenig Toleranz entgegen. Und die junge Generation sei es satt, sich für ihre Werte und Taten rechtfertigen zu müssen. 

Die psychisch labile Generation

Das neue Reality-Format soll dies jetzt ändern. Die Macher wollen die Leute dazu ermutigen, ein zweites Mal hinzuschauen, und den Millennials Gehör verschaffen. «Nur weil jemand aussieht wie ein Paradiesvogel, zählt seine Meinung nicht weniger», bringt Michel Kessler vor.

Auch innerhalb der eigenen Generation fehlt häufig das Verständnis fürs Anderssein. Izabel «Rubi» Baur (21) und Dean Mackay (25) von «Millennials in Paradise» kleiden sich gerne extravagant. Sie haben den Mut aufgebracht, vollkommen sie selbst zu sein – sowohl was den Stil betrifft als auch das Verhalten. Die Reaktion: jahrelanges Mobbing.

Die psychische Gesundheit ist ein heiss diskutiertes Thema in der «Millennials in Paradise»-Villa. Immer mehr junge Erwachsene haben mit Depressionen oder Panikattacken zu kämpfen und werden von Einsamkeit geplagt. Perrig-Chiello erklärt: «Millennials sind nicht mehr so gut in soziale Strukturen eingebunden.» Das hat zwei Gründe: In der heutigen Zeit steht das Individuum im Vordergrund; jeder schaut zuerst auf sich selbst. Zudem weichen persönlicher Austausch und körperliche Nähe Whatsapp und Co.

Die orientierungslose Generation 

Um gesellschaftlichen Standards gerecht zu werden, müssen sich Junge immer wieder neu erfinden. Das erfordert viel Kraft und Energie. Ein Problem, mit dem frühere Generationen kaum konfrontiert wurden. Hinzu kommt: «Aufgrund der etlichen Optionen besteht für viele Angehörige der Generation Y die Gefahr der Orientierungslosigkeit», weiss Perrig-Chiello. Ihnen steht im Prinzip die Welt offen. Ob im Beruf oder der Partnerschaft – alles scheint möglich.

Kandidatin Kati ist ein Beispiel dafür, wie sich diese Überforderung äussern kann. Sie bezeichnet sich selbst als «verlorenes Küken». Einen konkreten Zukunftsplan hat sie nicht. Mehr Klarheit haben die «Millennials in Paradise»-Teilnehmer Sina Schmid (18) und Luca Meier (20). Die beiden wissen genau, was sie wollen: sie Diplomatin werden, er als Fotograf durchstarten.

Auf Mallorca prallen die unterschiedlichen Charaktere aufeinander. Die Generation Y wird in all ihren Facetten repräsentiert – vom Influencer, der täglich mehrere Selfies schiesst, bis hin zur politisch engagierten Klassenchefin. «Der Millennial» existiert nämlich nicht. Es gibt keinen Prototypen einer ganzen Generation. Labels wie «Millennials» oder «Babyboomers» zeigen aber Trends auf. Sie sind Ordnungsversuche und helfen, die komplexe Gesellschaft vereinfacht darzustellen. Die Annahme, alle Gleichaltrigen ticken gleich, ist demnach falsch.

Die Generationen im Überblick

Generation Silent
Sie wurde durch den Zweiten Weltkrieg und viele Unsicherheiten geprägt. Seine Gedanken behielt man für sich.

Babyboomer
So werden alle genannt, die direkt nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. In ihre Zeit fällt die Friedensbewegung.

Generation X
Sie sind die geburtenschwache Generation nach den Baby-Boomern und die erste ohne Kriegseinwirkung.

Generation Y
Die Millennials werden auch als Digital Natives bezeichnet. Sie sind die Ersten, die schon als Kinder Kontakt zur digitalen Welt hatten.

Generation Z
Sie sind nach dem Jahrtausendwechsel geboren und streben nach Stabilität und Sicherheit. Typischerweise zeigen sie grosses Interesse an Politik und Umwelt.

Generation Silent
Sie wurde durch den Zweiten Weltkrieg und viele Unsicherheiten geprägt. Seine Gedanken behielt man für sich.

Babyboomer
So werden alle genannt, die direkt nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. In ihre Zeit fällt die Friedensbewegung.

Generation X
Sie sind die geburtenschwache Generation nach den Baby-Boomern und die erste ohne Kriegseinwirkung.

Generation Y
Die Millennials werden auch als Digital Natives bezeichnet. Sie sind die Ersten, die schon als Kinder Kontakt zur digitalen Welt hatten.

Generation Z
Sie sind nach dem Jahrtausendwechsel geboren und streben nach Stabilität und Sicherheit. Typischerweise zeigen sie grosses Interesse an Politik und Umwelt.

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 Die verständnisvolle Generation

Statt in heftige Streitereien sind die «Millennials in Paradise»-Kandidaten in tiefgründige Gespräche verwickelt. Sie trotzen dem Vorwurf der Oberflächlichkeit und offenbaren: Alles, was sie suchen, ist Akzeptanz in der Gesellschaft – angefangen bei der eigenen Familie und im engsten Freundeskreis. Wahrenberger und Kessler sind vom grossen Verständnis, das die Teilnehmer füreinander aufbringen, beeindruckt. 

Tagsüber sammeln die Kandidaten Abfall am Strand, springen für den Adrenalinkick von Klippen oder entspannen sich mit Yoga. Abends lassen sie die Korken knallen – schliesslich gehören Feiern und Alkohol zu Malle wie Popcorn zu Kino. Gleich zu Beginn der Woche eskaliert die Party – fast muss die Polizei ausrücken. Kurz darauf wird die gesamte Planung auf den Kopf gestellt, die Projektleiter müssen ihr Improvisationstalent unter Beweis stellen.

«Wir hatten echt viele Stolpersteine», gesteht Kessler. Einen Vorwurf machen sich die beiden Macher aber nicht. Sie hätten zuvor ja noch nie ein Projekt in diesem Rahmen produziert, erklärt Wahrenberger. Und im Endeffekt könnten sie nicht glücklicher sein. Ihr Fazit: «Nach der Reise sind wir aus dem Flugzeug gestiegen, haben die frische Luft eingeatmet und realisiert: All die Strapazen haben sich tausendmal gelohnt.»

Das siebenteilige Reality-Format ist ab 7. Oktober exklusiv auf Blick.ch zu sehen.

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