Zuwanderung
Zuwanderung führt laut Seco nicht zu Lohndumping

Die Personenfreizügigkeit mit der EU hat bisher weder zu einer Verdrängung der Ansässigen vom Arbeitsmarkt noch zu Lohndumping geführt. Zu diesem Schluss kommt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auch in seinem 15. Observatoriumsbericht.
Publiziert: 01.07.2019 um 13:16 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2019 um 13:18 Uhr

Zwar gibt es zwischen Zugewanderten und Ansässigen je nach Herkunftsregion teilweise grosse Lohnunterschiede. Diese liessen sich aber mehrheitlich durch allgemein lohnrelevante Faktoren wie Bildung, Berufserfahrung, Branche oder berufliche Stellung erklären, sagte Boris Zürcher, Leiter der Direktion Arbeit im Seco, am Montag vor den Medien in Bern.

Zwischen 2010 und 2018 verdienten Zuwanderer aus der EU durchschnittlich 0,8 Prozent mehr als Ansässige. Trägt man allen relevanten Faktoren Rechnung, wendet sich der leichte Vorteil in einen leichten Nachteil: Die Zuwanderer verdienten 0,4 Prozent weniger.

Dieser Unterschied zur ansässigen Bevölkerung sei als sehr gering einzustufen, heisst es im Bericht. Man könne praktisch von einer Gleichbehandlung sprechen - mit einer Einschränkung: Osteuropäer verdienten 9,8 Prozent weniger, bei Berücksichtigung aller relevanten Faktoren immer noch 5,9 Prozent. Eine mögliche Erklärung liegt gemäss dem Bericht in mangelnden Sprachkenntnissen.

Bei Grenzgängern und Zuwanderern aus Südeuropa liegt der unerklärte Lohnunterschied bei minus 4,5 Prozent beziehungsweise minus 4,3 Prozent. Zuwanderer aus Nord- und Westeuropa dagegen verdienten 13,5 Prozent mehr, bei Berücksichtigung aller Faktoren indes nur 2 Prozent. Die grössten nicht erklärbaren Lohnunterschiede zeigen sich im Kanton Tessin. Grenzgängerinnen und Grenzgänger verdienten dort 8 Prozent weniger als Schweizer oder niedergelassene Ausländer.

Lohndumping droht aus Sicht der Gewerkschaften vor allem bei der Temporärarbeit und den Entsendungen. Das Personal von Entsendefirmen ist im Herkunftsland angestellt - zu wesentlich tieferen Löhnen als in der Schweiz. Im Letzten Jahr hätten die Kontrolleure bei einem Fünftel der Betriebe zu tiefe Löhne festgestellt, sagte Daniel Lampart, Chef-Ökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB).

Heute arbeiten jährlich rund 120'000 ausländische Dienstleistungserbringer in der Schweiz, Entsandte und Selbständige. Das Seco relativiert die Zahl: Dies entspreche einem Arbeitsvolumen von 0,7 Prozent, sagte Zürcher. Lampart wies seinerseits darauf hin, dass der Anteil in einigen Branchen 10 Prozent oder mehr betrage. Ohne die flankierenden Massnahmen (Flam) würde sich die Situation stark zuspitzen.

Dass die Flam eine wichtige Rolle spielen, betonen auch das Seco und die Arbeitgeber. Sie hätten sich bewährt und seien weiterhin notwendig, sagte Seco-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch. Diese Ansicht teilt Roland Müller, der Direktor des Arbeitgeberverbandes.

Die Arbeitgeber glauben indes, dass das Schutzniveau auch beibehalten werden könnte, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Kompetenz zur Beurteilung der Lohnschutzmassnahmen hätte, wie es das institutionelle Rahmenabkommen vorsieht. Die Gewerkschaften zweifeln weiterhin daran: Der eigenständige Lohnschutz müsse gewährleistet sein, sagte Lampart.

Einig sind sich das Seco, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften beim Nein zur Begrenzungsinitiative, mit welcher die SVP die Personenfreizügigkeit beenden will. Sie betonen, dass sich die Zuwanderung nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richte - und sich seit dem Rekordjahr 2013 halbiert habe.

2018 lag die Nettozuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum bei 31'200 Personen und blieb damit gegenüber dem Vorjahr praktisch konstant. Der Rückgang der Jahre 2013 bis 2017 setzte sich auf Grund der etwas stärkeren Arbeitskräftenachfrage im letzten Jahr jedoch nicht mehr weiter fort.

Dem Seco sei bewusst, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich vom Freizügigkeitsabkommen profitiert hätten, sagte Ineichen-Fleisch. Für das Seco sei aber unbestritten, dass das Abkommen ein ansehnliches wirtschaftliches Wachstum und Wohlstandszuwachs für die Schweizer Bevölkerung gebracht habe.

Auf die Frage, ob das auch ihr Chef - SVP-Bundesrat Guy Parmelin - so sehe, sagte Ineichen-Fleisch, alle seien sich einig, dass die Schweiz Fachkräfte benötige. Unterschiede gebe es in der Frage, nach welchem System diese rekrutiert werden sollten.

Gemäss dem Bericht ist die Rekrutierung von Arbeitskräften in der EU heute wegen der besseren Wirtschaftslage dort tendenziell schwieriger als noch vor fünf Jahren. Da in den nächsten Jahren der Anteil der jüngeren Personen in allen Regionen der EU schrumpfen wird, dürfte sie laut dem Seco noch schwieriger werden.

(SDA)

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