Spesen und Zulagen nicht abgerechnet
Postauto schuldet seinen Chauffeuren Millionen!

Weil sich Postauto nicht ans Arbeitsgesetz hielt, entgingen den Chauffeuren der gelben Busse Zulagen und Spesen in Höhe von zwei Millionen Franken. Nun kämpfen die Angestellten dafür, korrekt entschädigt zu werden.
Publiziert: 17.09.2018 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 15:57 Uhr
Sven Zaugg

Egal, wo man hingeht, egal, wen man fragt: Der Subventions-Bschiss hat bei den Postauto-Chauffeuren, die jährlich über 150 Millionen Fahrgäste sicher an ihr Ziel bringen, tiefe Spuren hinterlassen. BLICK hat mit fast einem Dutzend Postauto-Angestellten gesprochen. Sie lassen kein gutes Haar am einst so stolzen Transportbetrieb.

Das Vertrauen in die Firma sei weg, sagen die Chauffeure unisono. Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Denn es herrsche ein Klima der Angst, sagt ein Innerschweizer. «Wenn wir aufmucken, verlieren wir unsere Jobs», fürchtet ein Aargauer. Ein Bündner gibt frustriert zu Protokoll: «Die Firma ist ruiniert.» Und ein Romand glaubt: «Der Bschiss geht weiter.» Und dafür hat er handfeste Gründe.

BLICK-Recherchen zeigen: Postauto hat das Arbeitsgesetz missachtet. Den Chauffeuren entgingen so Zulagen und Spesen in Höhe von mindestens zwei Millionen Franken. Noch ist das ganze Ausmass nicht bekannt. Allein an einem Standort in der Romandie soll Postauto laut Gewerkschaft Syndicom Zulagen und Spesen in Höhe von einer Million Franken unterschlagen haben. 

BLICK-Recherchen zeigen: Postauto hat das Arbeitsgesetz missachtet. Den Chauffeuren entgingen so Zulagen und Spesen in Höhe von mindestens zwei Millionen Franken.
Foto: Keystone / URS FLUEELER
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Nur ein Bruchteil der Spesen wurde bezahlt

Das lief so: Muss ein Fahrer seine Pause an einem anderen Ort verbringen als an seinem vertraglich festgelegten Dienstort, so hat er Anspruch auf eine zusätzliche Arbeitszeitanrechnung sowie auf eine Verpflegungskosten-Entschädigung. 

Pro Fahrer macht dies in manchen Fällen bis zu 2500 Franken pro Jahr aus. Bei einem durchschnittlichen Jahressalär von netto 55'000 Franken ist das keine Kleinigkeit. Laut Syndicom weigerte sich Postauto bislang, transparent abzurechnen, das Geld fliesse nur tröpfchenweise an die Chauffeure zurück.

Syndicom-Sprecher Christian Capacoel erklärt, dass in einigen Fällen zwar Rückzahlungen geleistet wurden. «Anhand dieser Rückzahlungen stellten die Chauffeure jedoch fest, dass nur ein Bruchteil der ihnen zustehenden Zulagen und Spesen vergütet wurde.»

Postauto: Fehler werden korrigiert

Das Problem: Im internen System von Postauto wurden die Spesen falsch oder gar nicht abgerechnet – und das seit Jahren. Chauffeure aus der ganzen Schweiz entdeckten die Unregelmässigkeiten und gelangten an die Gewerkschaft Syndicom. Sie soll nun helfen, den vollen Anspruch der Angestellten bei Postauto geltend zu machen.

Bei Postauto ist das Problem bekannt: Laut Sprecher Urs Bloch wurden die Postauto-Verantwortlichen von Angestellten darauf hingewiesen, dass ihre Definition des Einsatzgebietes des Fahrpersonals, wie es im GAV beschrieben ist, nicht in allen Punkten den gesetzlichen Grundlagen des Arbeitszeitgesetzes entspricht. Vor allem bei Auswärtspausen.

Chauffeure verlangen korrekte Abrechnung

Weit über 1300 Postauto-Chauffeure fordern, was bei Bundesbetrieben eine Selbstverständlichkeit sein müsste: eine korrekte Arbeitszeitabrechnung (BLICK berichtete). Die Bus-Chauffeure des Unternehmens wehren sich dagegen, systematisch Gratisarbeit leisten zu müssen. Ihre Einsätze sind so eng geplant, dass sie in ihrer Arbeitszeit fast nur fahren können. Chauffeure berichten davon, dass sie in der regulären Arbeitszeit nicht dazu kommen, das Geld der Fahrgäste für die Tickets einzuzahlen. Oder: Um sicher ans Ziel zu kommen, müssen die Postauto-Chauffeure vor den Fahrten einen Sicherheitscheck durchführen – für diesen Check räumt ihnen Postauto gerade mal vier Minuten Arbeitszeit ein. «Viel zu wenig», sagt ein früherer Postauto-Mitarbeiter zu BLICK. Sven Zaugg, Pascal Tischhauser

Weit über 1300 Postauto-Chauffeure fordern, was bei Bundesbetrieben eine Selbstverständlichkeit sein müsste: eine korrekte Arbeitszeitabrechnung (BLICK berichtete). Die Bus-Chauffeure des Unternehmens wehren sich dagegen, systematisch Gratisarbeit leisten zu müssen. Ihre Einsätze sind so eng geplant, dass sie in ihrer Arbeitszeit fast nur fahren können. Chauffeure berichten davon, dass sie in der regulären Arbeitszeit nicht dazu kommen, das Geld der Fahrgäste für die Tickets einzuzahlen. Oder: Um sicher ans Ziel zu kommen, müssen die Postauto-Chauffeure vor den Fahrten einen Sicherheitscheck durchführen – für diesen Check räumt ihnen Postauto gerade mal vier Minuten Arbeitszeit ein. «Viel zu wenig», sagt ein früherer Postauto-Mitarbeiter zu BLICK. Sven Zaugg, Pascal Tischhauser

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Postauto habe den «Fehler in den internen Systemen» bereits im Dezember 2017 korrigiert, sagt Bloch. «Die Rückzahlung von Spesen und die Gutschrift erfolgen bis September 2018 mit der normalen Salärzahlung – rückwirkend bis 2016.» Es handle sich um insgesamt zwei Millionen Franken, bestätigt Bloch die BLICK-Recherchen.

Mehr als zwei Millionen unterschlagen?

Wie viel das Transportunternehmen mit den gelben Bussen, das zu 100 Prozent den Schweizer Bürgern gehört, den Chauffeuren aber wirklich schuldet, ist unklar. Syndicom geht von weit mehr als zwei Millionen Franken aus.

Denn laut Gesetz können Zulagen und Spesen rückwirkend auf fünf Jahre zurückgefordert werden. Also nicht nur bis 2016. «Wir haben die Rückvergütungen gemäss den uns vorliegenden Angaben seriös berechnet. Die Kritik, dass zu wenig Zulagen vergütet wurden, hören wir zum ersten Mal», entgegnet Bloch.

Die Chauffeure sind frustriert. Ein Angestellter, der seit Jahren Postautos in der Deutschschweiz pilotiert, sagt zu BLICK: «Als ich meine Chefs darauf hinwies, zeigten sie mir die kalte Schulter: ‹Du kriegst genug – entweder du lebst damit, oder du gehst.›» Er wolle aber nur gerecht behandelt werden.

Im Februar kam der Postauto-Bschiss ans Licht

Im Februar trat die damalige Post-CEO Susanne Ruoff (60) vor die Medien und sagte: «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen.» Mittels gesetzeswidriger Buchhaltungstricks hatte die Postauto-Spitze mindestens zwischen 2007 und 2015 über 100 Millionen Franken Subventionen erschlichen. Direkt nach Bekanntwerden des Bschisses musste Postauto-Chef Daniel Landolf (58) den Hut nehmen. Nach einer internen Untersuchung wurde auch der Rest seiner Geschäftsleitungskollegen freigestellt.

Im Juni trat Ruoff als CEO zurück, beteuert jedoch, nichts vom Bschiss gewusst zu haben. «Wie in jedem Unternehmen habe ich mich als CEO auf die internen und externen Kontrollsysteme verlassen», sagte sie. Als oberste Chefin übernehme sie aber die Verantwortung. Aktuell führt Ulrich Hurni (59) den Postkonzern interimistisch.

Im Februar trat die damalige Post-CEO Susanne Ruoff (60) vor die Medien und sagte: «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen.» Mittels gesetzeswidriger Buchhaltungstricks hatte die Postauto-Spitze mindestens zwischen 2007 und 2015 über 100 Millionen Franken Subventionen erschlichen. Direkt nach Bekanntwerden des Bschisses musste Postauto-Chef Daniel Landolf (58) den Hut nehmen. Nach einer internen Untersuchung wurde auch der Rest seiner Geschäftsleitungskollegen freigestellt.

Im Juni trat Ruoff als CEO zurück, beteuert jedoch, nichts vom Bschiss gewusst zu haben. «Wie in jedem Unternehmen habe ich mich als CEO auf die internen und externen Kontrollsysteme verlassen», sagte sie. Als oberste Chefin übernehme sie aber die Verantwortung. Aktuell führt Ulrich Hurni (59) den Postkonzern interimistisch.

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