Schuften für einen Hungerlohn
«Das ist moderne Sklaverei!»

Jari V.* erhebt massive Vorwürfe gegen die Chefs dreier Filialen der Sandwichkette Subway. Diese locken Osteuropäer in die Schweiz – und nutzen ihre Angestellten dann schamlos aus. Sie arbeiten über zehn Stunden täglich – für nicht einmal 1000 Franken im Monat!
Publiziert: 15.05.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2022 um 14:47 Uhr
Moritz Kaufmann, Ulrich Rotzinger

Subway ist die grösste Fastfood-Kette der Welt, hat mehr Filialen als McDonald’s. Letzte Woche wurde die 40. in der Schweiz eingeweiht. Der Sandwich-Gigant bewirbt seine Produkte als gesunden Fastfood. Doch was sich in den Subway-Filialen Dietikon ZH, Langenthal BE und Interlaken BE auftut, ist nur noch unappetitlich.

Jari V.* (37) war von Oktober bis Mai Manager dieser drei Restaurants. Sie haben alle den gleichen Besitzer, aber mit den restlichen 37 Subway-Filialen nichts zu tun. Der Schweizer mit ägyptischen Wurzeln erzählt: «Ich freute mich auf meine Arbeit und fragte nicht nach jedem Detail.» Doch dann sah er, zu welchen Konditionen die Angestellten schuften: «Sie werden mit den unterschiedlichsten Methoden beschissen.» V. legt SonntagsBlick einen Stapel Dokumente vor – Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Stundenerfassungen.

Entweder werden die – zumeist – Osteuropäer zu 100 Prozent angestellt. Auf ihren Lohnabrechnungen steht dann aber, dass sie nur 60 Prozent arbeiten. Der Lohn ist entsprechend tiefer. Oder umgekehrt: Die Angestellten werden zu 50 oder 60 Prozent angestellt. Arbeiten müssen sie aber in der Regel 50 bis 60 Stunden pro Woche. Damit ihr enormes Pensum mit dem tiefen Lohn übereinstimmt, werden die Stunden falsch notiert (siehe Bildergallerie). «Sie werden gezwungen, falsche Stundenabrechnungen zu unterschreiben. Wenn nicht, gibts keinen Lohn», sagt V.

Beispiel eines Arbeitsvertrags...
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Weniger als 1000 Franken auf dem Konto

Einigen Angestellten werden bis zu 950 Franken für Kost und Logis vom Lohn abgezogen – obwohl dies im Arbeitsvertrag nirgends festgehalten ist. Unter dem Strich bleiben den Angestellten nicht mal 1000 Franken auf dem Konto!

SonntagsBlick kann mit mehreren Betroffenen reden. Sie sehen dank der ­Recherche zum ersten Mal ihren eigenen Lohnausweis. Und sie bestätigen V.s Aussagen. Die Betroffenen sind oft erst wenige Monate in der Schweiz. Sie sprechen gebrochen Deutsch. Von ihren Rechten haben sie keine Ahnung.

Vs Chef ist der Schweiz-Inder Naveen S.* – einer von 23 Franchisen-Partner, die in der Schweiz Subway-Filialen betreiben. Er sagt: «Die Arbeitsverträge sind ebenso korrekt wie die ausbezahlten Löhne. Die Zeiterfassungen wurden nachweislich von V. manipuliert.» Dieser habe ihm 13'500 Franken gestohlen und ihn erpresst. V. und sein Anwalt bestreiten dies.

«Hätte nie gedacht, dass das in der Schweiz möglich ist»

S. ist aber nur ein Strohmann – er verbringt die meiste Zeit in Indien. Der echte Boss – das bestätigen mehrere Betroffene – ist Ranjit Masuta. «Er gibt die Befehle», sagt V. Masuta ist einschlägig bekannt. Ihm gehört das Hotel Langenthal, in dem eine Filiale integriert ist. «Manche werden mit dem Versprechen gelockt, im Hotel zu arbeiten. Es heisst, sie müssten ab und zu im Subway aushelfen. Dann arbeiten sie dort aber 50 Stunden und mehr», sagt V. Bankdokumente zeigen: Masuta und S. schieben – getarnt von einem Firmengeflecht – grosse Summen Geld hin und her.

Als sich das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (AWA) anmeldet, soll V. alles vorbereiten. Und zwar so, dass es die Behörden zufrieden stellt. Doch er will nicht lügen, sucht das Gespräch. Die Chefs weisen ihn zurecht. Im Gang an die Öffentlichkeit sieht V. den letzten Ausweg. Zudem übergibt er das Dossier dem AWA und der Staatsanwaltschaft. Daraufhin erhält er die fristlose Kündigung. Subway Schweiz hält fest: «Im Subway-System kommt den Mitarbeitern eine hohe Bedeutung zu. Jeder Franchisepartner ist aber ein eigenständiger Unternehmer und daher für die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorgaben zuständig.» Ein schwacher Trost für V. «Für mich ist das moderne Sklaverei. Das so etwas in der Schweiz möglich ist, hätte ich nie gedacht.»

Mit seinem Anwalt fordert er von Naveen S. 60'000 Franken – unter anderem wegen 921 geleisteten Überstunden, ausstehenden Löhnen und nicht gedeckten AHV-Beiträgen.

* Name der Redaktion bekannt

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