Nicolas G. Hayek:
«Wir werden eine grosse Revolution erleben»

Uhrenkönig Nicolas G. Hayek macht auch mit 81 Jahren noch richtig Tempo. Der Urvater des Smart will die Welt in eine saubere Zukunft führen. Mit abgasfreien Autos und «grüner» Energie für alle.
Publiziert: 04.09.2009 um 16:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:39 Uhr
Interview: Hannes Britschgi und Urs Bärtschi

Das Chefbüro am Hauptsitz der Swatch Group in Biel BE verströmt den Charme der 70er-Jahre und wird vom Patron liebevoll Künstlerstudio genannt. Besucher nehmen nicht etwa am grossen Konferenztisch Platz, sondern auf zwei Polsterstühlen direkt vor Hayeks riesigem, schon etwas angejahrtem Holzpult. Hier sassen schon viele Prominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft, und alle haben das Gleiche gesehen: Nicolas G. Hayek, ohne Jackett, die Hemdsärmel hochgekrempelt, an jedem Handgelenk mindestens zwei Uhren.

Hinter ihm eine Wand voller Bilder, Karikaturen und Fotos, die Hayek mit Berühmtheiten wie Cindy Crawford oder George Clooney zeigen. Das Pult ist so platziert, dass Besucher nur Hayek und seine Trophäenwand sehen. Er hingegen hat den gesamten Raum im Blick. Auf dem Pult kreatives Chaos.

SonntagsBlick Magazin: Sie wollen mit 81 noch den Energiebereich revolutionieren – weg von fossilen Brennstoffen und Atomkraft, hin zu Strom aus Sonnenenergie und Brennstoffzellen. Was treibt Sie an?
Nicolas G. Hayek:
Ich betrachte mich als Passagier des Raumschiffs Erde, das sich im unendlich grossen Weltall bewegt. Dem müssen wir Sorge tragen. Wenn wir weiterfahren wie bis anhin, machen wir unser kleines Raumschiff irgendwann kaputt. Jeder Passagier an Bord ist verpflichtet, gemäss seinen Möglichkeiten und Ressourcen zu helfen.

Es ist Ihre Mission, die Erde zu retten?
Nein, ich habe keine Mission. Ich bin auch kein Pfarrer. Ich bin ein glücklicher Mann, habe etwas Erfolg und seit vielen Jahren keine persönlichen finanziellen Sorgen. Das gibt mir grosse Freiheiten. Ich kenne viele Leute und bin akzeptiert. Mein Ruf ist gut, man hört manchmal auf mich. Das benutze ich jetzt im Interesse aller.

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie die Energierevolution mitgestalten müssen?
Mitte der 80er-Jahre. Mit der Hayek Engineering haben wir damals für praktisch alle Autohersteller gearbeitet. Da wurde mir klar, dass es eine Änderung braucht. In Biel haben wir zum Glück die Ingenieurschule. Zusammen mit ihr entwickelten wir das Solarfahrzeug «Spirit of Biel» mit dem wir 1990 die « World Solar Challenge» in Australien gewannen, mit 3000 Kilometern das härteste Solarrennen der Welt.

1994 stellten Sie zusammen mit Mercedes das Konzept für den Smart vor. 1997 feierte Ihr Projekt Weltpremiere, Ende 1998 stiegen Sie wieder aus. Weshalb?
Ich wollte immer das umweltfreundlichste Auto bauen. Ein Auto wie die Swatch, also mit hoher Qualität, tiefem Preis, provokativ und mit Spass am Leben. Ohne starken Partner aus der Autoindustrie hätten wir aber nur eine Seifenkiste gebaut. Wir setzten damals von Anfang an auf Elektro- und Hybridantrieb. Die ersten Prototypen liefen wunderbar. Mit unserem Partner Mercedes hatten wir abgemacht, zwei Autotypen zu bauen: ein Auto mit einem traditionellen, aber sparsamen Antrieb mittels Dieselmotor, und eines mit Hybridantrieb. Aber später änderte Mercedes diesen Plan und wollte den Hybrid nicht mehr bauen. Wir waren unserer Zeit wohl voraus. Später haben die Japaner die Hybrididee zum Erfolg geführt.

Jetzt soll der Elektro-Smart doch noch kommen. Verspüren Sie Genugtuung?
Nein. Es wäre mir lieber, wir hätten den Hybrid selbst gebaut. Ich bin kein Besserwisser. Ich sage nicht: Ich hatte recht. Das nützt niemandem.

Und heute setzen Sie auf die Kraft der Sonne.
Natürlich; aber wir haben schon immer auf die Sonne gesetzt – ich erinnere an Australien. Jeden Tag liefert uns die Sonne Energie, die dem Zehnfachen des Gesamtbedarfs der Erde entspricht. Zudem hat sich der Stand der Technik seither verbessert. Das grösste Problem aber ist die Umwandlung dieser Energie in elektrischen Strom und dessen Lagerung. Batterien wären das Logischste. Wir haben leistungsfähige in unseren Swatchuhren und kennen die Lithium-Ionen-Technik genau. Ein einigermassen alltagstaugliches Auto braucht aber nach dem heutigem Stand der Technik eine mindestens 200 Kilogramm schwere Batterie. Die allein kostet zurzeit noch rund 30 000 bis 40 000 Franken, reicht für 150 Kilometer Fahrt und muss 5,5 Stunden lang aufgeladen werden. Das komplette Auto würde damit etwa 100 000 Franken kosten. Ich weiss nicht, wer so etwas kaufen würde.

Wie sieht Ihre Lösung aus?
Das Ziel ist die Umwandlung von Sonnenenergie in Strom – der für jedermann bezahlbar ist. Unser Unternehmen Belenos arbeitet auf verschiedenen Gebieten. Zuerst wollen wir den Wirkungsgrad von Photovoltaikzellen von heute zwischen 12 bis 15 auf gut 20 Prozent oder vielleicht noch mehr verbessern. Die Nasa besitzt bereits solche Systeme, doch die sind viel zu teuer. Wir wollen das gleiche Resultat mit normalen Materialien erzielen. Gleichzeitig arbeiten wir an einer Verbesserung der Lagerungsmöglichkeit dieser Elektroenergie.

Wann werden Sie die liefern?
Mehr darf ich Ihnen nicht erzählen, sonst verrate ich zu viel. Schliesslich wollen wir unseren Vorsprung behalten. Aber drei bis vier Jahre brauchen wir schon, bis es so weit sein wird.

Was macht Sie schneller als die anderen?
Wir sind gar nicht schneller als die anderen, aber auch nicht langsamer. Wir arbeiten mit guten Wissenschaftlern zusammen.

Weshalb sitzt der Schauspieler George Clooney im Verwaltungsrat der Belenos. Ist er nur ein Aushängeschild?
Clooney engagiert sich sehr stark für die Umwelt. In den USA fährt er bereits ein Elektromobil und hat sich immer öffentlich gegen die Politik von George W. Bush aufgelehnt. Clooney hat gute Kontakte zur heutigen US-Regierung. Und hat uns zum Beispiel auch mit Al Gore zusammengebracht.

Sie arbeiten auch an der Brennstoffzelle.
Die ganze Welt arbeitet daran – wir zusammen mit dem Paul Scherrer Institut. Das Hauptproblem sind die Membranen, die müssen hohe Temperaturen aushalten und gehen daher alle paar Monate kaputt. Wir haben den Vorteil, dass wir in der Uhrenindustrie häufig mit kleinen Stanzteilen arbeiten. Wir haben hier viel Erfahrung, aber die Technik für die kostengünstige Grossserie ist noch nicht so weit.

Die umweltfreundliche Produktion von Wasserstoff scheint auch noch nicht gelöst?
Einige Firmen wollten doch tatsächlich Anlagen bauen, in denen sie Wasserstoff mit Kohlekraftwerken produzieren. Da geht doch der ganze Vorteil der schadstofffreien Energie verloren. Wir arbeiten mit Elektrolyse. Die verwenden wir seit Jahren in der Uhrenindustrie zum Beispiel auch für die Produktion unserer kratzfesten Saphirgläser. Wir wollen die Produktion von Wasserstoff zentral in der Stadt, aber auch direkt – dezentral – in die Wohnhäuser bringen. So kann sie fürs Haus und fürs Auto benutzt werden.

Wenn Sie das umweltfreundlichste Auto bauen wollen, sind Sie wieder auf die Autoindustrie angewiesen. Das hat schon bei Smart nicht geklappt.
Jetzt sind wir in einer ganz anderen Situation. Wir wollen gar nicht das komplette Auto bauen. Jetzt sind wir keine Bittsteller, wir entwickeln selbst. Wenn wir mit unserem System Erfolg haben, rennen die uns die Bude ein. Einige Autohersteller haben bereits ihr Interesse für eine Zusammenarbeit angemeldet.

Auch Bob Lutz, der mit 77 Jahren als Entwicklungschef bei General Motors unsere Mobilität mitbestimmt, ist Schweizer. Was halten Sie von ihm?
Er ist zwar noch etwas jünger als ich, vertritt aber die überholte Meinung einer alten Auto-Manager-Generation. Er glaubt, dass alle Menschen so sind wie er, dass sie gerne dicke Schlitten fahren oder am Wochenende Kampfjets fliegen. Er ist vermutlich mitverantwortlich dafür, dass GM seit Jahren und auch heute noch keine kundengerechten Autos produziert. General Motors hat das Problem, das viel mehr Finanzspezialisten in der Chefetage sitzen als Ingenieure. Deshalb holten sie den Techniker Lutz. Er ist bis jetzt nicht der Innovativste gewesen , aber offensichtlich haben sie keinen Besseren.

Energie scheint noch immer im Überfluss vorhanden zu sein. Ist sie zu billig?
Viele unserer Energiepolitiker denken, dass sie zu billig ist. Sie haben keine grosse Ahnung und kein klares Konzept für Energiefragen. Die Energie einfach künstlich zu verteuern ist genauso falsch wie der Austausch von CO2-Zertifikaten. Wenn wir auf Kosten von Afrika mehr Kohlendioxid ausstossen dürfen, nutzt das der Welt wenig. Wir müssen in der Schweiz unseren ausgeprägten technischen Verstand einsetzen und nach innovativen Alternativen suchen.

Sie selbst fahren immer noch Auto?
Jeden Tag über zwei Stunden zur Arbeit. In meinem Alter muss ich einmal im Jahr zum medizinischen Fahrtüchtigkeitsest antreten. Das ist aber kein Problem, denn als Tennisspieler besitze ich noch immer eine gute Reaktion. Zu bestimmten Anlässen fährt mich der Chauffeur. Wenn er aber lange auf mich warten muss, ist das nicht schön für ihn. Und das stört mich.

Wie wird die Mobilität in 20 Jahren aussehen?
Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach individueller Mobilität. Das lässt er sich nicht wegnehmen. In den nächsten 15 Jahren werden wir eine grosse Revolution im Energiebereich erleben. In Zukunft werden sicher rund 90 Prozent der Fahrzeuge elektrisch betrieben sein. E-Mobile für zwei, maximal vier Personen mit einer grossen Reichweite, ähnlich wie jene unserer heutigen Autos.

Der Tausendsassa
Nicolas G. Hayek wurde am 19. Februar 1928 in Beirut, Libanon geboren. Sein Vater war Amerikaner, seine Mutter christliche Libanesin. 1957 gründete er eine erfolgreiche Unternehmensberatung, die er 1963 als Hayek Engineering im Handelsregister eintragen liess. Sein revolutionäres Distributions- und Lancierungskonzept der Swatchuhr machte Hayek zu Beginn der 80er-Jahre zum Retter der Schweizer Uhrenindustrie. Heute sind unter dem Dach der 1983 gegründeten Swatch Group 19 Uhrenmarken sowie Produktions- und Zulieferbetriebe vereint.

Hayek ist Hauptaktionär, Präsident und Delegierter des Verwaltungsrates. Er ist seit 58 Jahren mit Marianne verheiratet. Sohn Nick und Tochter Nayla arbeiten in führender Position im Unternehmen. 2007 wurde Nicolas Hayek für sein Lebenswerk mit dem Lifetime-Award des SwissAward ausgezeichnet.
Nicolas G. Hayek wurde am 19. Februar 1928 in Beirut, Libanon geboren. Sein Vater war Amerikaner, seine Mutter christliche Libanesin. 1957 gründete er eine erfolgreiche Unternehmensberatung, die er 1963 als Hayek Engineering im Handelsregister eintragen liess. Sein revolutionäres Distributions- und Lancierungskonzept der Swatchuhr machte Hayek zu Beginn der 80er-Jahre zum Retter der Schweizer Uhrenindustrie. Heute sind unter dem Dach der 1983 gegründeten Swatch Group 19 Uhrenmarken sowie Produktions- und Zulieferbetriebe vereint.

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Joe Ackermann und George Clooney im Verwaltungsrat
Die Belenos Clean Power Holding AG, ist eine von Swatch Group und Hayek Engineering gegründete Unternehmung mit Partnern wie der ETH Zürich, der Deutschen Bank, der Groupe E und der Ammann-Gruppe. Im Verwaltungsrat sitzen unter anderem Joe Ackermann oder George Clooney. Belenos strebt die Beteiligung an in- und ausländischen Unternehmen an, insbesondere in den Bereichen Energie, Antriebssysteme und Ökologie.

Zusammen mit dem PSI (Paul Scherrer Institut) entwickelt die Gesellschaft ein Gesamtsystem für alternative Fahrzeugantriebe. Eine neuartige Brennstoffzelle soll die Probleme von niedrigen Wirkungsgraden, hohen Herstellungskosten sowie Verteilung und Lagerung des Wasserstoffs durch ein dezentrales Erzeugungssystem und eine neuartige Brennstoffzelle lösen.
Die Belenos Clean Power Holding AG, ist eine von Swatch Group und Hayek Engineering gegründete Unternehmung mit Partnern wie der ETH Zürich, der Deutschen Bank, der Groupe E und der Ammann-Gruppe. Im Verwaltungsrat sitzen unter anderem Joe Ackermann oder George Clooney. Belenos strebt die Beteiligung an in- und ausländischen Unternehmen an, insbesondere in den Bereichen Energie, Antriebssysteme und Ökologie.

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