Aufstand der Gewerbler
31:04
Das Gewerbe wehrt sich:Aufstand der Gewerbler

Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler stinksauer
Aufstand der Gewerbler

Grossverteiler wie Migros, Coop, Landi haben gestern auch im Corona-Regime das gesamte Sortiment angeboten – von Kleidern über Blumen bis Papeterieartikel. Kleine Detaillisten dagegen mussten komplett dichtmachen. Jetzt regt sich Widerstand beim Gewerbe.
Publiziert: 18.03.2020 um 23:44 Uhr
|
Aktualisiert: 20.03.2020 um 18:10 Uhr
Patrik Berger und Anja Müggler

Eigentlich ist die Sache ganz einfach. Seit Montag müssen schweizweit alle Läden geschlossen bleiben. Nur noch Apotheken, Drogerien, Lebensmittelläden und Gesundheits-Geschäfte wie Optiker, die den täglichen Bedarf abdecken, dürfen geöffnet haben. Und doch entbrennt darüber nun ein heftiger Streit.

So verkaufen die Grossverteiler noch Blumen, während rund 1000 Blumenläden in der Schweiz geschlossen bleiben müssen. Papeterieartikel gibt es bei Migros, Coop oder der Post, sämtliche Papeterien des Landes sind aber zu. BLICK sind Fälle bekannt, bei denen Gewerbler die Polizei aufgeboten haben, um Detailhändler an die Regeln zu erinnern.

Es kam zu absurden Situationen. So durfte Blumenhändler Urs Remund aus Wallisellen ZH seinen Laden nicht öffnen. Der Coop direkt unter ihm hat aber Blumen verkauft. «Das ist ärgerlich», sagt er zu Blick TV. «Es kann nicht sein, dass man das Coronavirus zu seinen Gunsten ausnutzt.» Auch Gorana Topalovic, Inhaberin einer Wäscherei in Dübendorf ZH, ist verzweifelt. «Ich habe heute den ganzen Tag telefoniert, niemand konnte mir weiterhelfen.» Die Migros hat währenddessen ihren Wäscheservice weiter angeboten.

Die kleinen Modeläden in St. Gallen, wie dieses Calida-Geschäft, mussten schliessen.
Foto: keystone-sda.ch
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Erst gestern Abend gaben Migros und Coop bekannt, alle Abteilungen und Gestelle mit nicht lebenswichtigen Artikeln abzusperren. Die beiden Detailhändler führen organisatorische Gründe an, dass dies bisher nicht geschehen sei.

«Das ist unsolidarisch!»

Hans-Ulrich Bigler (61), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, fordert gleich lange Spiesse für alle. «Da muss man ohne Wenn und Aber durchgreifen. Es kann nicht sein, dass man bei den KMU die Regulierungen brutal durchsetzt und die Grossen einfach laufen lässt. Das ist unsolidarisch!» Die Grossverteiler hätten wohl einfach gedacht, besonders schlau zu sein. «Sie haben einfach weitergemacht und geschaut, was passiert.»

Die Situation sei dramatisch für KMU. «Ein Gartencenter muss schliessen, während die Landi nebenan alles verkaufen darf? Das geht nicht», erklärt Bigler. Das Gartencenter mache in den nächsten Wochen 80 Prozent des Jahresumsatzes. «Die Waren sind schon eingekauft. Nun haben sie aber fünf Wochen keine Einnahmen. Konkurse sind unvermeidlich, wenn es so weitergeht.»

Man dürfe die Wirtschaft trotz den Vorkehrungen gegen das Coronavirus nicht komplett abwürgen. «Es braucht zusätzliche Massnahmen. Die KMU sind genauso systemrelevant wie eine UBS, die man damals gerettet hat. Da muss der Staat eingreifen.» Er müsse dringend die Liquidität der KMU sicherstellen. Die vom Bundesrat gesprochenen 10 Milliarden Franken würden da nicht reichen.

Tankstellen dürfen, Papeterien nicht

Ähnlich tönt es beim Verband Schweizer Papeterien (VSP). «Das ist Wettbewerbsverzerrung», sagt Präsident Thomas Köhler. Gerade jetzt, wo alle Schüler schweizweit zu Hause lernen müssen und entsprechendes Material brauchen, ist das Verkaufsverbot besonders ärgerlich. Einige Papeterien beliefern wenigstens noch ihre Geschäftskunden. Davon leben können sie aber nicht.

«Wenn wir nicht öffnen dürfen, sollte es auch Grossisten, Tankstellen und Kiosken nicht erlaubt sein, Papeterieartikel zu verkaufen», fordert Köhler. Es könne nicht sein, dass man auf eigene Kosten Fachpersonen ausbilde. Dann aber plötzlich nur noch andere verkaufen dürfen.

«Angst, diese Phase nicht zu überleben»

Auch Urs Meier, Geschäftsleiter vom Schweizer Floristenverband, ist alarmiert. «Viele Mitglieder haben grosse Angst, dass sie diese Phase der Ladenschliessung nicht überleben», sagt er. Viele der über 1000 Blumenläden in der Schweiz haben in der Regel drei bis fünf Angestellte, die oft in Teilzeit arbeiten – und kaum finanzielle Reserven. Er rät seinen Mitgliedern, ihre Waren auch online zu verkaufen und einen Hauslieferservice anbieten.

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Massnahmen gegen Coronavirus

Der Bundesrat stuft am 16. März die Situation in der Schweiz neu als ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz ein. Sie erlaubt dem Bundesrat, in allen Kantonen einheitliche Massnahmen anzuordnen. Zuvor hat er die Kantone über diesen Schritt informiert. Ab dem 17. März um Mitternacht gelten folgende Regeln:

  • Öffentliche und private Veranstaltungen sind verboten.
  • Alle Läden, Restaurants und Bars werden bis mindestens am 26. April 2020 geschlossen.
  • Dasselbe gilt für Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wie Museen, Bibliotheken, Kinos, Konzert- und Theaterhäuser, Sportzentren, Schwimmbäder und Skigebiete werden geschlossen. Ebenso werden Betriebe geschlossen, in denen das
    Abstand halten nicht eingehalten werden kann, wie Coiffeursalons oder Kosmetikstudios.
  • Ausgenommen sind unter anderem Lebensmittelläden und die Gesundheitseinrichtungen.
  • Die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Waren des täglichen Gebrauchs ist sichergestellt: Es sind genügend Vorräte angelegt.
  • Lebensmittelläden, Take-aways, Betriebskantinen, Lieferdienste für Mahlzeiten und Apotheken bleiben geöffnet, ebenso Tankstellen, Bahnhöfe, Banken, Poststellen, Hotels, die öffentliche Verwaltung und soziale Einrichtungen.
  • Auch Werkstätten für Transportmittel können geöffnet bleiben.
  • Die Einreise in die Schweiz wird drastisch eingeschränkt, dazu werden Grenzkontrollen eingeführt.
  • Zur Unterstützung der Kantone in den Spitälern, bei der Logistik und im Sicherheitsbereich hat der Bundesrat den Einsatz von bis zu 8000 Armeeangehörigen bewilligt. Auch der Zivilschutz wird aufgeboten.
  • Bundesrat appelliert weiterhin an alle Bürger: «Abstand halten kann Leben retten!»
  • Der Bundesrat verzichtet vorerst auf eine allgemeine Ausgangssperre. Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat er aber die Kontaktregeln verschärft. Gruppen über fünf Personen drohen Bussen von 100 Franken pro Person.
  • Die Arbeitgeber im Baugewerbe und in der Industrie werden zudem verpflichtet, die Empfehlungen des Bundes zur Hygiene und zum Abstandhalten einzuhalten. Betriebe, die sich nicht daran halten, sollen geschlossen werden.
  • Die Wirtschaft bekommt mehr Geld: Mit 32 Milliarden Franken beschliesst der Bundesrat wohl das grösste Konjunkturpaket der Schweizer Geschichte. Insgesamt stehen über 40 Milliarden Franken zur Verfügung.
  • Die Bewilligungsdauer von Kurzarbeit wird von 3 auf 6 Monate verlängert. Damit kann die Anzahl Gesuche minimiert und somit das Bewilligungsverfahren beschleunigt werden. Die Frist zur Voranmeldung für Kurzarbeit wird gänzlich aufgehoben.

  • Bei der Stellenmeldepflicht werden alle damit verbundenen Aufgaben und Pflichten für Arbeitgeber und die öffentliche Arbeitsvermittlung vorübergehend aufgehoben. Damit werden die Rekrutierungsprozesse beispielsweise für medizinisches Personal, die Pharmabranche, die Landwirtschaft oder die Logistik erleichtert.

  • Bei der Arbeitslosenversicherung wird auf das Einreichen des Nachweises von Arbeitsbemühungen verzichtet. Die versicherte Person muss den Nachweis der Arbeitsbemühungen aber spätestens einen Monat nach Ablauf der COVID-19-Verordnung 2 nachreichen.

  • Um Aussteuerungen zu vermeiden, erhalten alle anspruchsberechtigten Personen maximal 120 zusätzliche Taggelder.

  • Arbeitgeber dürfen für die Bezahlung der Arbeitnehmerbeiträge an die berufliche Vorsorge vorübergehend die von ihnen geäufneten Arbeitgeberbeitragsreserven verwenden. Diese Massnahme soll es den Arbeitgebern erleichtern, Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Für die Arbeitnehmenden hat die Massnahme keine Auswirkungen.

  • Der Bundesrat hat zudem beschlossen, eine Bewilligungspflicht für die Ausfuhr von medizinischer Schutzausrüstung einzuführen.

Der Bundesrat stuft am 16. März die Situation in der Schweiz neu als ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz ein. Sie erlaubt dem Bundesrat, in allen Kantonen einheitliche Massnahmen anzuordnen. Zuvor hat er die Kantone über diesen Schritt informiert. Ab dem 17. März um Mitternacht gelten folgende Regeln:

  • Öffentliche und private Veranstaltungen sind verboten.
  • Alle Läden, Restaurants und Bars werden bis mindestens am 26. April 2020 geschlossen.
  • Dasselbe gilt für Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wie Museen, Bibliotheken, Kinos, Konzert- und Theaterhäuser, Sportzentren, Schwimmbäder und Skigebiete werden geschlossen. Ebenso werden Betriebe geschlossen, in denen das
    Abstand halten nicht eingehalten werden kann, wie Coiffeursalons oder Kosmetikstudios.
  • Ausgenommen sind unter anderem Lebensmittelläden und die Gesundheitseinrichtungen.
  • Die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Waren des täglichen Gebrauchs ist sichergestellt: Es sind genügend Vorräte angelegt.
  • Lebensmittelläden, Take-aways, Betriebskantinen, Lieferdienste für Mahlzeiten und Apotheken bleiben geöffnet, ebenso Tankstellen, Bahnhöfe, Banken, Poststellen, Hotels, die öffentliche Verwaltung und soziale Einrichtungen.
  • Auch Werkstätten für Transportmittel können geöffnet bleiben.
  • Die Einreise in die Schweiz wird drastisch eingeschränkt, dazu werden Grenzkontrollen eingeführt.
  • Zur Unterstützung der Kantone in den Spitälern, bei der Logistik und im Sicherheitsbereich hat der Bundesrat den Einsatz von bis zu 8000 Armeeangehörigen bewilligt. Auch der Zivilschutz wird aufgeboten.
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  • Der Bundesrat verzichtet vorerst auf eine allgemeine Ausgangssperre. Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat er aber die Kontaktregeln verschärft. Gruppen über fünf Personen drohen Bussen von 100 Franken pro Person.
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  • Die Bewilligungsdauer von Kurzarbeit wird von 3 auf 6 Monate verlängert. Damit kann die Anzahl Gesuche minimiert und somit das Bewilligungsverfahren beschleunigt werden. Die Frist zur Voranmeldung für Kurzarbeit wird gänzlich aufgehoben.

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  • Bei der Arbeitslosenversicherung wird auf das Einreichen des Nachweises von Arbeitsbemühungen verzichtet. Die versicherte Person muss den Nachweis der Arbeitsbemühungen aber spätestens einen Monat nach Ablauf der COVID-19-Verordnung 2 nachreichen.

  • Um Aussteuerungen zu vermeiden, erhalten alle anspruchsberechtigten Personen maximal 120 zusätzliche Taggelder.

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