Frostschäden ohne Folgen für Konsumenten
Trotz Frost kein Preis-Frust

Jetzt erst zeichnet sich das ganze Ausmass der Schäden ab, die die Kältewelle in der Landwirtschaft angerichtet hat. Trotz grosser Verluste wollen die Bauern ihre Ware nicht teurer verkaufen.
Publiziert: 06.05.2017 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:10 Uhr
Konrad Staehelin und Vinzenz Greiner

Für viele Bauern und so gut wie jeden Hobbygärtner war der April ein schlechter Scherz. Der aussergewöhnlich warme März liess Pflanzen und Bäume früh austreiben. Das winterliche Wetter im April mit lokalen Kälterekorden – im Wallis sank das Thermometer bis minus 13 Grad – liess die Frühlingsfreuden sinken.

Das frisch erstandene Basilikum-Pflänzchen auf dem Balkon, die zu früh abgedeckte Mini-Kiwi an der Hausfassade – alles hinüber. Und muss jetzt neu angeschafft werden.

Der kalte Tod brach auch über die Felder der Landwirte herein. Obst, Weinreben, Gemüse: Ein grosser Teil der Ernte ist verloren. Andi Kaufmann (54, Bild) aus Buus BL zeigt BLICK die Schäden an Zwetschgen, Chriesi und Wein. «90 bis 95 Prozent sind zerstört. Immer wenn ich es sehe, geht es mir schlecht», klagt er. «Der Frost war einmalig, nicht mal mein Vater kann sich an eine ähnliche Situation erinnern.»

Schöne Aussicht, schlechte Laune: Bauer Andi Kaufmann hat fast die ganze Ernte an den Frost verloren.
Foto: Stefan Bohrer
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Fast alle Chriesi tot: Während der Wärme im März trieb alles aus, dann kam der Killer-Frost.
Foto: Stefan Bohrer

Über hundert Millionen Schaden am Wein

Bauer Kaufmann ist kein Einzelfall: Rund 19 Millionen Franken Schaden richtete die Kälte allein in der Baselbieter Landwirtschaft an – fast ein Totalausfall! Massive Verluste auch im Weinbau: «In der ganzen Schweiz werden die Ertragsausfälle über hundert Millionen Franken betragen», sagt Robin Haug (30) vom Branchenverband Deutschschweizer Wein zu BLICK.

Trotz der hohen Verluste, die viele Bauern beklagen, sollen die Konsumenten im Portemonnaie nichts davon spüren. Die Preise werden nicht steigen, lautet das Credo. «Wir wollen in guten Jahren faire Preise, darum machen wir es auch in schlechten gleich», sagt Landwirt Kaufmann. 

Georg Bregy (43), Direktor beim Schweizer Obstverband: «Es gibt vielleicht weniger Aktionen. Die fehlenden Mengen werden importiert.»

Für Weintrinker stellt sich die Preisfrage erst 2018. Doch Schweizer Winzer hüten sich wegen der Billigkonkurrenz aus dem Ausland vor Preiserhöhungen.

Jetzt reagiert die Politik

Die Frostschäden bereiten den Bauern Sorgen. Sie wollen jetzt Investitionen verschieben oder müssen vom Ersparten zehren. Und sie hoffen auf Entschädigungen. Der Kanton Basel-Landschaft hat gestern «Notmassnahmen» versprochen. Ein Vorstoss der Walliser Landwirtschaftskommission wird am Montag von der Kantonsregierung fordern, Lösungen für die Krise auszuarbeiten.

Rettungsmassnahme für die Spargeln: Einige Bauern, hier in Düdingen FR, bespritzten die Felder mit Wasser. Das Eis isoliert die Spargeln von der noch kälteren Luft.
Foto: biospargel.ch

In Bundesbern hat FDP-Nationalrat Jaques Bourgeois (59) eine Motion eingereicht, die Hilfsmassnahmen für die gebeutelten Bauern fordert: 80 Politiker von links bis rechts haben sie unterschrieben.

Das macht das erfrorene Schweizer Gemüse und Obst aber nicht mehr lebendig. Konsumenten müssen sich wohl in diesem Jahr mit mehr ausländischer Ware begnügen. Ob der Detailhandel die Preise für Letztere ebenfalls nicht anhebt, ist fraglich. Darauf angesprochen, drücken Händler sich um eine klare Antwort.

70% Obst erfroren

70 Prozent Ernteausfälle erwartet der Schweizer Obstverband Swissfruit nach den Frostwellen vom April. «Auch bei Äpfeln, Birnen und Beeren rechnen wir mit bedeutenden Ausfällen», sagt Direktor Georg Bregy (43). Grossverteiler wie Migros versprechen, dass dank Importen trotzdem immer genug Obst im Laden sein wird. Eine Sprecherin schreibt: «Nebst der Situation in der Schweiz hängt die Herkunft der Importe ebenfalls vom Klima in den Herkunftsländern ab. Unser Ziel ist es, bei
Bedarf primär Obst aus dem nahen Ausland zu beschaffen.»

Foto: Selektor

Widerstandsfähiges Gemüse

Die Gemüsebauern sind weniger stark betroffen als die Obst- und Weinbauern. Es gab jedoch einen Engpass an Schweizer Grünspargeln, so der Verband Schweizer Gemüseproduzenten. «Da gab es beträchtliche Schäden. Die Lage sollte sich ab nächster Woche wieder normalisieren.» Zudem hätten die Salate im Freiland teilweise Schaden erlitten, die Marktversorgung war aber jederzeit gegeben. Das Gleiche gilt für Rhabarber. Bei den meisten anderen Kulturen seien allfällige Schäden noch nicht ersichtlich.

Foto: Getty Images

Reben ohne Leben

Zehn Prozent ihrer Weinreben haben die Weinbauern in der Sonnenstube der Schweiz an den Frost ver-loren. Das Tessiner Landwirtschaftsamt nennt es «Glück im Unglück». Denn andere Teile der Schweiz hat es im April weit härter getroffen. Im Wallis sind laut Staatsrat vier von zehn Reben «stark geschädigt». In der Deutschschweiz sind 97 Prozent der Weinanbaufläche betroffen. Drei Viertel aller grünen Triebe sind den Weinbauern erfroren. Für sie hat das Zittern noch keine Ende, denn die Eisheiligen kommen erst noch.

Foto: Lew Robertson
Zweiter Frühling für Gartencenter

Zürich – Sie sind zwar nicht in Existenznöten wie die Bauern, doch haben Hobbygärtner auch Frost-Frust. Der warme März lockte in die Läden, wo man Setzlinge postete.

Fulminanter Saisonstart

Die Gartencenter hatten einen «fulminanten Saisonstart», wie es etwa bei Do it + Garden heisst. Die Migros-Kette jubelt über ein Umsatzplus von 20 Prozent per Mitte April gegenüber dem Vorjahr. Dann kam der Frost. Er killte in der zweiten Aprilhälfte Pflanzen der Hobbygärtner, aber auch der Gartencenter. Das führte zu Abschreibern. Umso mehr freuen sich heute die Gartencenter über einen «zweiten Frühling». Weil so viel erfroren ist, suchen Hobbygärtner erneut die Läden auf. «Wir hoffen auf diesen Boom», heisst es bei Jumbo.

Der Frost killte in der zweiten Aprilhälfte die Pflanzen der Hobbygärtner.
Der Frost killte in der zweiten Aprilhälfte die Pflanzen der Hobbygärtner.
Keystone

Zürich – Sie sind zwar nicht in Existenznöten wie die Bauern, doch haben Hobbygärtner auch Frost-Frust. Der warme März lockte in die Läden, wo man Setzlinge postete.

Fulminanter Saisonstart

Die Gartencenter hatten einen «fulminanten Saisonstart», wie es etwa bei Do it + Garden heisst. Die Migros-Kette jubelt über ein Umsatzplus von 20 Prozent per Mitte April gegenüber dem Vorjahr. Dann kam der Frost. Er killte in der zweiten Aprilhälfte Pflanzen der Hobbygärtner, aber auch der Gartencenter. Das führte zu Abschreibern. Umso mehr freuen sich heute die Gartencenter über einen «zweiten Frühling». Weil so viel erfroren ist, suchen Hobbygärtner erneut die Läden auf. «Wir hoffen auf diesen Boom», heisst es bei Jumbo.

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