«Ich stellte alle Religionen in Frage»
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Pfarrer Wendelin Bucheli:«Ich stellte alle Religionen in Frage»

Urner Rebellenpriester Wendelin Bucheli (67) darf bleiben
Churer Bischof duldet Segnung von Homosexuellen

Der Urner Priester Wendelin Bucheli (67) will wieder gleichgeschlechtliche Paare segnen. Dabei hätte er aus dem gleichen Grund einst fast die Kanzel räumen müssen. Doch im Bistum Chur hat der Wind gedreht: Dort waltet kein konservativer Bischof mehr.
Publiziert: 24.02.2022 um 20:44 Uhr
Beat Michel und Georg Nopper

Ab Sommer dürfen in der Schweiz auch gleichgeschlechtliche Paare offiziell heiraten. Der katholische Pfarrer Wendelin Bucheli (67) aus Bürglen UR könnte dann zu einem gefragten Mann werden: Obwohl Homosexualität in der katholischen Kirche immer noch als Sünde gilt, will Bucheli lesbische und schwule Paare segnen.

Dabei kostete ihm genau das einst fast sein Amt als Priester in Bürglen. Bucheli hat inzwischen jedoch einen anderen Vorgesetzten: Seit rund einem Jahr hat im Bistum Chur Bischof Joseph Maria Bonnemain (73) das Sagen. Von ihm wird Buchelis Haltung bisher geduldet. «Rüge, Verbote und Strafen bringen selten eine Änderung des Verhaltens und der Gesinnung mit sich», sagt Bonnemain zu Blick. «Ich versuche, stets den Dialog und das Gespräch mit den Seelsorgenden zu suchen, um Umstände und Beweggründe einer bestimmten Handlung – in diesem Fall einer Segnung – zu klären.»

Definition der Ehe bleibt unverändert

Unter Vorgänger Vitus Huonder (79) wehte noch ein ganz anderer Wind: Bucheli musste diesem infolge der Segnung zweier Lesben versprechen, auf die Segnung weiterer gleichgeschlechtlicher Paare zu verzichten. Ansonsten würde er sein Amt als Priester von Bürglen verlieren und zwangsversetzt.

Seit rund einem Jahr Bischof von Chur: Joseph Maria Bonnemain (73).
Foto: Philippe Rossier
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Bucheli hielt sich daran – jedenfalls solange Huonder noch im Amt war. Heute ist Bucheli offiziell wieder bereit, lesbische und schwule Paare zu segnen. «Ich erhalte nur positive Reaktionen», sagt der Priester nach seiner Ankündigung zu Blick.

Vollzieht die katholische Kirche im Verhältnis zu Homosexuellen einen Wandel? Bischof Bonnemain: «Jeder Mensch ist einmalig und wird in seiner Einmaligkeit von Gott geliebt.» Dies gelte ohne weiteres auch für gleichgeschlechtlich orientierte Menschen. «Diese Überzeugung prägt immer mehr die Grundhaltung der katholischen Kirche.»

Bonnemain relativiert zugleich: Die jüdisch-christliche Tradition verstehe unter der Ehe eine «lebenslange, treue und allumfassende Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau», die wesentlich auf das Wohl des Paares und auf die Zeugung und Erziehung von Kindern ausgerichtet sei.

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