Über 400 diplomatische Mitbringsel stapeln sich im Gabentempel des Bundesrats
Die Kammer des Schenkens

Die Sammlung der «diplomatischen Geschenke» des Bundes zählt mittlerweile über 400 Objekte. Ein bunter Mix aus aller Welt, der mit spannenden Geschichten verbunden ist.
Publiziert: 24.12.2016 um 18:23 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:06 Uhr
Der Teppich mit integriertem Porträt bekam der damalige Bundespräsident Adolf Ogi vom usbekischen Präsidenten Islom Karimov.
Foto: Peter Gerber
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Ruedi Studer

Weihnachten ist Geschenkezeit. So gesehen ist für den Bundesrat während des ganzen Jahres Weihnachten. Wo unsere Magistraten auftreten, werden sie meist auch beschenkt. Wertvollere Gaben und Staatsgeschenke müssen sie allerdings dem Bund überlassen. Beim Bundesamt für Kultur werden diese gesammelt – aktuell zählt die imposante Sammlung der «Cadeaux diplomatiques» über 400 Objekte.

In der «Ali-Baba-Höhle»

«Willkommen in unserer Ali-Baba-Höhle», sagt der Konservator Andreas Münch lachend, als er die Tür zur Geschenkekammer öffnet. Dahinter verbergen sich sauber geordnet tatsächlich allerlei Schätze: silberne Teller, chinesische Vasen, Porzellanfiguren, Münzen, Gedenkmedaillen, Büsten, Säbel, Teppiche, Bilder, Skulpturen oder sogar ein kunstvoll verziertes saudi-arabisches Sturmgewehr.

Ein bunter Mix von Geschenken aus aller Welt. «Allerdings ist bei vielen nicht mehr klar, wann, weshalb und von wem sie geschenkt wurden», sagt Münch. Denn erst seit zwei Jahren kennt der Bundesrat eine klare Inventarisierungspflicht.

Münch bedauert die fehlenden Informationen: «Nicht der materielle, sondern der kulturhistorische Wert ist wichtig. Die Geschichte hinter den Geschenken – denn daraus lässt sich für jede Epoche oder jedes Land eine Geschichte des Schenkens ableiten.»

Dank für die Aufnahme der Bourbaki-Armee

Nichtsdestotrotz kennt Münch bei manchen Gaben die Hintergründe. So auch beim ältesten Geschenk der Sammlung, einer Bronzestatue aus dem Jahr 1874. «Das war ein Geschenk der französischen Stadt Toulouse an die Schweiz – als Dank für die Aufnahme der Bourbaki-Armee 1871, als 87'000 französische Soldaten interniert wurden», so Münch.

Die Skulptur zeigt Helvetia, wie sie einen verletzten Soldaten beschützt. «In dieser Zeit, in die auch die Gründung des Roten Kreuzes fällt, wurde das Selbstbild der humanitären Schweiz geprägt – dafür ist diese Skulptur geradezu exemplarisch.»

Geschenke sagen auch viel über das Selbstbild der jeweiligen Staaten aus. «Westliche Staaten überreichen eher symbolische Geschenke», sagt Münch. Beim Staatsbesuch der englischen Königin Elizabeth II. 1980 erhielt die Schweiz ein Foto von ihr und ihrem Ehemann Prinz Philip, dazu ein Faksimile der Bill of Rights. Und Geschenke aus den USA sind nicht selten mit dem Weisskopfseeadler geschmückt, dem Hoheitszeichen des Landes.

Silbervasen aus der Samurai-Schwertschmiede

Materiell besondere Kostbarkeiten kommen aus dem asiatischen und arabischen Raum. So zum Beispiel drei japanische Silbervasen, die wohl Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen wurden. Ein für Münch lange unbekannter Schatz, dessen Bedeutung sich ihm per Zufall erschloss: «Als ich eines Tages einem Professor für asiatische Kultur unsere Sammlung zeigte, steuerte er sofort auf die Vasen zu. Er wusste sofort, dass diese vom japanischen Hofkünstler Tsukada Shukyo geschaffen worden waren.» Dessen Handwerksbetrieb war auf die Herstellung von Samurai-Schwertern spezialisiert, später stellte er offiziell diplomatische Geschenke für den Kaiserhof her.

Das wertvollste Sammlungsstück stammt hingegen aus dem Vatikan: eine tönerne Christus-Büste aus dem 15. Jahrhundert, welche Papst Paul VI. anlässlich seines offiziellen Besuchs 1969 in Genf zur 50-Jahr-Feier der Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation übergab. Münch: «Ihr kulturhistorischer Wert ist unermesslich.»

Ein Ogi-Teppich aus Usbekistan

Unter den vielen Objekten fallen auch Werke auf, die direkt auf einzelne Bundesräte Bezug nehmen. So finden sich etwa Bilder der alt Bundesräte Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf sowie eine Karikatur von Joseph Deiss. Oder ein Kaspar Villiger gewidmetes, gemaltes Gedicht, welches er 1995 anlässlich des Frankofonie-Gipfels im afrikanischen Benin erhielt. Und der im 19. Jahrhundert amtierende Bundesrat Emil Welti ist auf einer Tabakpfeife verewigt.

Doch das auffälligste Bundesratswerk ist ein Teppich mit einem integrierten Porträt von Adolf Ogi. Bei einem Treffen 1993 am WEF in Davos erhielt der damalige Bundespräsident den Teppich vom usbekischen Präsidenten Islom Karimov geschenkt. «Für mich war es eine völlige Überraschung, dass mein ‹Grind› – und dann noch so gut – in den Teppich eingewoben war», sagt Ogi zu BLICK. «Das war eine besonders aufmerksame Geste der Schweiz gegenüber.»

Ob er das Geschenk nicht gerne behalten hätte? «In mein Haus in Kandersteg hätte es nicht gepasst», meint Ogi und fügt lachend hinzu: «Ich will ja auch nicht ständig auf meinem Kopf herumlaufen.» So hat er den Teppich vorschriftsgemäss dem Bund übergeben. «Da ist er am richtigen Ort.»

Ogi schenkte oft Bergkristalle

Und was schenkte der Berner alt Bundesrat bei Staatsbesuchen selber? «Manchmal Pendulen, manchmal Musikdosen – meistens aber grosse und kleine Bergkristalle», sagt Ogi.

1999 rettete er mit einem kleinen Kristall den Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin. Als dieser seinen Besuch vorzeitig abbrechen wollte, weil das Thema Menschenrechte zu offensiv angesprochen wurde, steckte Ogi dem Chinesen einen Kristall zu, erklärte ihm dessen Bedeutung und vermochte ihn so zu beruhigen.

Ogi: «Noch heute habe ich immer einen Kristall in der linken Hosentasche. Er ist mein täglicher Begleiter und Glücksbringer!»

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