Mit diesem Bein wurde die Patientin nach Hause geschickt
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Gegen ihren Willen entlassen:Mit diesem Bein wurde die Patientin nach Hause geschickt

Trotz dieses Beins wurde Bernadette Bandelier (64) aus Inselspital geworfen
«Um im Bett zu liegen, brauchen Sie kein Spitalzimmer!»

Bernadette Bandelier (64) wurde gegen ihren Willen aus dem Inselspital entlassen. Ihr entzündetes Bein war noch nicht geheilt. Es kam, wie es kommen musste: Die Entzündung wurde schlimmer. Die Vorwürfe ans Spital wiegen schwer.
Publiziert: 19.03.2024 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2024 um 11:15 Uhr

Vor 13 Jahren musste sich Bernadette Bandelier (64) aus Worben BE die Lymphknoten aus der Hüfte entfernen lassen. Seitdem geht sie regelmässig in Therapie. Doch vor einigen Wochen passierte es: Im Reha-Zentrum Heiligenschwendi fing sie sich eine Staphylokokken-Infektion ein. Innert Stunden schwoll ihr rechtes Bein auf die dreifache Grösse an. Bandelier wurde notfallmässig ins Berner Inselspital verlegt, wo ihr intravenös Antibiotika verabreicht wurden. Denn Staphylokokken können eine Blutvergiftung verursachen und so zum Tode führen.

Nach einer Woche im Spitalbett wurde Bandelier entlassen. Gegen ihren Willen, denn das Bein war immer noch dick angeschwollen. Weil Bandelier alleine lebt, war sie auf die Hilfe von Freunden angewiesen, um ihren Alltag bewältigen zu können. Jeder Gang zur Toilette war mit Schmerzen verbunden. Wenn das Bein schlimmer werde, könne sie ja wieder in den Notfall, hiess es. «Aber was, wenn ich es nicht bis in den Notfall schaffe?», fragt Bandelier, «mir wurde im Spital gesagt, es bestünde auch ein Thromboserisiko. Da zählt jede Minute.»

Selbst kleinste Alltagstätigkeiten, wie das Anziehen von Schuhen, sind für Bernadette Bandelier (64) aktuell eine Tortur.
Foto: Linda Käsbohrer
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«Seit der Entlassung wurde alles noch viel schlimmer»

Ein letzter Termin mit dem Arzt im Spital wurde ihr verwehrt, obwohl sie danach gefragt habe, wie sie sagt. «‹Um im Bett zu liegen, brauchen Sie kein Spitalzimmer›, hiess es von der Pflege», zeigt sich Bandelier schockiert. Wenige Tage nachdem Bandelier wieder zu Hause war, verschlechterte sich der Zustand ihres Beins.

Bandelier ging zu ihrer Hausärztin, die eine Erhöhung der Infektionswerte feststellte und sie an das Regionalspital Biel überwies. Die CRP-Entzündungswerte seien zu diesem Zeitpunkt bei 160 gelegen. Zum Vergleich: Ein Wert von 5 ist normal, bei einer Grippe steigt der Wert auf etwa 50, ab 100 spricht man von einer schweren bakteriellen Infektion.

Es dauerte aber eine ganze Woche, bis endlich ein Platz im Bieler Regionalspital frei wurde. Bandelier musste deshalb zu Hause bleiben und sah hilflos dabei zu, wie ihr Bein weiter anschwoll. Sie hatte Schmerzen und war auf sich alleine gestellt. Dennoch ging sie nicht in den Notfall. «Das Bein wurde immer schlimmer, aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt kein allzu hohes Fieber», sagt Bandelier, «es hätte nichts geändert.»

Aber der Umgang in Bern störte sie: «Im Inselspital fühlte ich mich wie ein Ärgernis, das man schnell wieder loswerden will und nicht wie eine Patientin», sagt Bandelier, «für irgendetwas zahle ich doch meine Prämien – und nicht zu knapp.»

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Patientenorganisation äussert Kritik

Die Schweizer Patientenorganisation (SPO) zeigt sich wenig überrascht über Bandeliers Fall. Geschäftsführerin Susanne Gedamke (38) macht deutlich: «Es handelt sich um ein Grundsatzproblem.» Patienten würden immer früher entlassen, auch wenn ein Risiko für Folgebehandlungen und Verschlechterung des Zustandes bestehe. «Spitäler müssen heute Gewinn erwirtschaften», sagt Gedamke. Speziell längere, stationäre Aufenthalte seien daher nicht gerngesehen: «Ein Krankenbett ist teuer.»

Ein Grundsatzproblem

Ein Blick auf die jüngsten Entwicklungen der Gesundheitsversorgung in der Schweiz zeigt: Vor allem die Einführung der Fallpauschale durch die Politik im Jahr 2012 hat vieles verändert. Bis zu jenem Zeitpunkt wurden einzelne Leistungen oder Tage abgerechnet. Mit dem neuen System werden medizinische Leistungen pro Behandlungsfall mit einem Pauschalbetrag vergütet. Das hat die Vergleichbarkeit der Leistungen einzelner Spitäler zwar erleichtert, doch bereits damals wurde von Kritikern befürchtet, dass Patienten früher nach Hause geschickt werden, wenn die Pauschal-Vergütung für die Behandlung nicht ausreicht.

Spital schweigt zum Fall

Auf Blick-Anfrage äussert sich das Inselspital nicht. Zu einzelnen Personen und Fällen würde keine Auskunft erteilt, so die Medienstelle. Auch allgemeine Fragen zur Belegungssituation des Spitals zum Zeitpunkt der Entlassung wurden nicht beantwortet. Dabei hatte Bandelier eigentlich eine Freigabe ihrer Gesundheitsinformationen gegenüber Blick erteilt.

Bandelier befindet sich aktuell immer noch im Spital in Biel. Das Bein ist zwar immer noch dick geschwollen, wenn sie aber fieberfrei bleibt, dürfe sie am Donnerstag wieder zurück in die Reha. Anders als im Inselspital werde sie in Biel aber nicht herausgeschmissen: «Hier stimmt alles. Es wird sehr gut zu mir geschaut», zeigt sich Bandelier erleichtert. «Ich fühle mich ernst genommen.»

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